Büchen. ADFC warnt vor einem Jahrzehnt Stillstand. Warum Planung für Unterführungen der Bahnstrecke Hamburg–Berlin bis Herbst 2025 stehen muss.
Während anderorts bis heute darum gestritten wird, hat die Gemeinde Büchen 2022 mit großer Bürgerbeteiligung ein viel beachtetes Radverkehrskonzept erarbeitet. Neben der Anbindung von Ortsteilen und benachbarten Gemeinden per Radwegen steht die Überwindung beider Bahnstrecken im Ort ganz oben auf der Wunschliste. Die Realisierung von mindestens einem Fußgänger- und Radfahrer-Tunnel durch den Bahndamm der Verbindung Hamburg–Berlin rückt aktuell jedoch in weite Ferne. Es sei denn, den Verantwortlichen gelingt ein kleines Wunder.
Acht Jahre Zwangspause für Bahntunnel?
Die Zeit läuft. Die Deutsche Bahn plant Arbeiten an der Hochgeschwindigkeitsstrecke Hamburg–Berlin. Diese sollen in Büchen im Herbst 2025 beginnen, im Frühjahr 2026 abgeschlossen sein. Ist bis dahin kein Tunnel realisiert, soll ein achtjähriges Moratorium greifen, in dem die Trasse nicht angefasst werden darf.
Doch Büchen steht 2024 erst am Anfang, hat zwei Ingenieurbüros beauftragt. „Die prüfen, welches der richtige Standort für den ersten Tunnel wäre und welche Technik für den Bau die richtige ist“, erläutert Bürgermeister Dennis Gabriel.
Während der Aufstellung des Verkehrskonzeptes hatten Politiker mehrfach darauf hingewiesen, dass die Realisierung vieler Maßnahmen von der Finanzierung abhängig ist. Der Wunschkatalog wurde am Ende des Verfahrens zusammengestrichen. Zusätzliche, im Vergleich kostspielige Tunnel bleiben auf der Agenda: Die Schienen trennen nicht nur Ortsteile. Sie sind ein Hindernis für viele Kinder auf ihrem jeweiligen Schulweg, schneiden zudem Menschen vom Bahnhof und den Geschäften im Ort ab. Und im wachsenden Verkehr stauen sich regelmäßig Pkw und Lkw am Hamburger Tunnel.
ADFC fordert maximales Tempo für Tunnelprojekt
Die Überzeugung, dass in Büchen etwas geschehen müsse, dass zusätzlichen sichere Bahnquerungen geschaffen werden müssen, gehört längst zur Grundüberzeugung vieler Politiker und Bürger. Wie auch von besorgten Eltern schulpflichtiger Kinder, Radfahrern und deren Interessenvertretung ADFC.
Genau der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club ist es nun, der Alarm schlägt. Bis Herbst 2025 müssten die Planungen stehen, sonst vergehe ein rundes Jahrzehnt, bis der Bau eines Radfahrertunnels in Angriff genommen werden kann, mahnt ADFC-Sprecher Martin Kolanus. „Jetzt muss binnen kürzester Zeit schwerfällige Bürokratie aktiviert sowie Antrags- und Genehmigungsverfahren priorisiert werden. Dafür brauchen wir Hilfe – von der Deutschen Bahn, von Politikern aus Bund und Land und natürlich allen Entscheidern hier vor Ort.“
Unter den Aktiven Bürgern Büchen (ABB), die bereits Unterschriften für neue Tunnel gesammelt hatten, herrscht die Überzeugung, dass gefährliche Engpässe beseitigt werden müssen. Es sei aber „noch ein langer Weg bis zur Umsetzung“, sagt Carmen Horn, Vize-Fraktionsvorsitzende in der Gemeindevertretung. „Priorität hat für uns die Sicherheit. Der Hamburger Tunnel im Bereich L200/L205 stellt in immer bedrohlicherem Maß eine Gefahr für Schulkinder, Radfahrer und Fußgänger dar.“
Gefahr für Schulkinder, Radfahrer und Fußgänger
Tatsächlich genügt der schmale Tunnel den Ansprüchen nicht. Würde er aktuell geplant, müssten die Wege beiderseits der Straße deutlich breiter sein. Für sogenannte Kombiwege, die gleichermaßen von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden, sind 2,50 Meter als absolute Mindestbreite innerorts definiert. Für reine Fußwege gelten 1,50 Meter bis 1,80 Meter als absolute Untergrenze.
Deutsche Bahn und das Kieler Verkehrsministerium haben jüngst auf die Büchener Aktivitäten mit zwei Schreiben reagiert. „Das Ministerium hat uns auf Fördermöglichkeiten wie auch das enge Zeitkorsett hingewiesen“, erläutert Bürgermeister Gabriel. Von der Bahn gibt es die klare Ansage, nach dem geplanten Abschluss der Arbeiten im Frühjahr 2026 gelte ein achtjähriges Moratorium: Der Schienenstrang dürfe in dem Zeitraum nicht angefasst werden.
Deutsche Bahn warnt vor Tunnel-Moratorium
Der Zeitrahmen ist nicht willkürlich gewählt, weiß Gabriel. „Er steht im Zusammenhang mit den Gewährleistungsfristen, die die Bahn mit den Unternehmen vereinbart, die für sie tätig werden.“
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Insider, die die schwierigen Planungs- und Abstimmungsprozesse zwischen Bahn und Kommunen kennen, halten den engen Zeitrahmen für illusorisch. „Es wird sehr schwierig, bis August 2025 Baureife für einen Tunnel zu erreichen“, sagt dazu Büchens Bürgermeister. Aktuell besteht weder Klarheit, welcher Standort für einen neuen Fußgänger- und Radfahrer-Tunnel der beste ist, noch zu den Kosten und auch nicht zur Technik. Offene Bauweise oder als Durchstich unter den Bahngleisen, das sollen die Experten zunächst klären.
Bürgermeister: Ein neuer Tunnel ist erst der Anfang
Zwei Dinge sind aus Sicht von Gabriel allerdings klar: Weichen, Signalanlagen und weitere Bahntechnik sind für Tunnelbauer tabu. „Und ein neuer Tunnel ist erst der Anfang. Um die Situation in Büchen zu entspannen, benötigen wir drei.“