Büchen. Zentrales Unternehmen will Firmensitz nicht mehr verlagern. Grund seien stark gestiegene Kosten. Politik reagiert überrascht.

Seinen Start ins Bürgermeisteramt in Büchen hatte sich Dennis Gabriel anders vorgestellt. Gleich an seinen ersten Arbeitstagen hatte sich die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Lauenburg (WFL) angesagt. Was Monika Bierschwall mitteilte, überraschte nicht nur Gabriel, sondern auch Büchens Politik über alle Parteigrenzen hinweg. Mit der Robert Blohm GmbH hat just das zentrale Unternehmen seinen Ausstieg aus den Plänen für das GewerbegebietSteinkrüger Koppel erklärt.

Die Firma hat sich überraschend von dem Plan verabschiedet, ihren Firmensitz aus dem Ort in das neue Büchener Gewerbeareal zu verlagern, obwohl die Zeit für das Unternehmen drängt. Tatsächlich hatten alle Beteiligten Tempo gemacht, um einen höchst ambitionierten Zeitplan zu bewältigen.

Gewerbe Büchen: Robert Blohm GmbH verzichtet auf Fläche im Gebiet Steinkrüger Koppel

Auch die WFL-Chefin Monika Bierschwall wurde von der Kehrtwende der 1934 in Büchen gegründeten Firma kalt erwischt. Umso mehr, als die Planungen für den Maschinenbau-Zulieferer extra angepasst worden sind. Das neue Gewerbe-Areal war zunächst für kleinere Firmen gedacht gewesen, Betriebe mit einem Flächenbedarf von etwa 1500 Quadratmetern. Blohm mit seinen gut 40 Mitarbeitern wollte 10.000 Quadratmeter. Die Fläche an der geplanten Zufahrt war bereits dafür vorgesehen, jetzt wird wieder umgeplant.

„Das ist einerseits ärgerlich, wir sind durch die Planungen galoppiert, um der Firma zu helfen“, sagt Bierschwall. Andererseits vereinfache der Blohm-Ausstieg die Erschließung des Areals. Auf rund 14 Hektar will die WFL 7,6 Hektar Gewerbegrundstücke schaffen, dazu kommen Straßen. Und Flächen und Wälle für geschützte Tiere – von Haselmaus bis Rot-Milan.

Gemeinde und WFL halten an Gewerbegebiet fest

Ein Stopp der Planungen ist für die WFL keine Option, so die Geschäftsführerin. „Wir sind kein Privatinvestor, der erst anfängt, wenn Gewerbeflächen verkauft sind. Uns geht es mit dem Vorhaben darum, ortsansässigen Firmen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten.“ Eine Interessentenliste bestehe bereits.

Büchen plane weiter, tritt auch Bürgermeister Gabriel Gerüchten entgegen. Im Kampf gegen das Gewerbegebiet haben Büchens Grüne gepunktet, 2023 sind sie erstmals in die Gemeindevertretung eingezogen. Gabriel: „Wir haben einen politischen Auftrag. Und wir freuen uns, dass wir mit der WFL einen Partner haben, der Geld in die Hand nimmt, Flächen erwirbt, um Platz für weitere Arbeitsplätze zu schaffen.“

Weniger Fläche verbrauchen, mehr Wohnungsbau

Die Mobilisierung gegen das neue Gewerbegebiet, die schließlich im November 2022 zu einem Bürgerentscheid führte, entspringe dem Unmut in der Bevölkerung angesichts des Wachstums von Büchen. „Wir müssen Folgen daraus ziehen, weniger Flächen verbrauchen und stärker auf Innenentwicklung setzen“, sagt Gabriel. Und blickt dabei auch auf die Firma Blohm. Für deren Firmensitz in einem Wohngebiet, „ist Wohnbebauung sicherlich die bessere Option“.

Der Firma müsse weitergeholfen werden, sagt Markus Räth (ABB), Versitzender der größten Fraktion in der Gemeindevertretung. „Sie ist in Büchen gegründet worden, gehört in unsere Gemeinde.“ Die Absage an das neue Gewerbegebiet habe auch ihn überrascht.

„Der große Druck ist jetzt aus dem Kessel“

Ebenso geht es SPD-Fraktionschef Thomas Gladbach. „Wir haben bei der Nachricht alle gezuckt. Wir haben der Firma nach dem Bürgerentscheid einige Steine aus dem Weg gerollt. Uns fehlen aber noch Infos.“ Die Anstrengungen seien nicht vergebens gewesen, „auch wenn Kritiker jetzt sagen sollten, warum jetzt noch das Gewerbegebiet“. Der Bedarf sei gegeben. Der große Druck sei mit der Entscheidung von Blohm jetzt jedoch „aus dem Kessel“.

Thomas Gladbach, Fraktionschef SPD Büchen: Die Gemeinde hat ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Gewerbebetriebe, dabei bleibt es.
Thomas Gladbach, Fraktionschef SPD Büchen: Die Gemeinde hat ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Gewerbebetriebe, dabei bleibt es. © Bergedorf | Privat

„Der Zeitfaktor allein kann nicht der Grund für die Entscheidung der Firma Blohm gewesen sein“, gibt sich Räth, Kreishandwerksmeister mit eigenem Betrieb, überzeugt. Der Bebauungsplan für das Gewerbegebiet Steinkrüger Koppel könne auch mit verringertem Tempo deutlich früher fertig werden als Planungen, auf dem aktuellen Blohm-Areal Geschoss-Wohnungsbau zu ermöglichen. Räth: „!n der aktuell schwachen Konjunkturlage überlegen sich viele Verantwortliche in Firmen zweimal, ob es der richtige Zeitpunkt für Investitionen ist.“

Zu teuer: Blohm GmbH sucht nach Alternativen

Die Robert Blohm GmbH wolle gern in Büchen bleiben, benötige daher Alternativen zu einer Verlagerung ins Gewerbegebiet, bestätigt Geschäftsführer Volker Göbel auf Nachfrage. Von der Steinkrüger Koppel und dem dort reservierten Grundstück habe man sich aus Kostengründen verabschiedet: Zuletzt seien Blohm „Grundstückspreise genannt worden, die weit weg von den ursprünglichen Zahlen liegen und betriebswirtschaftlich nicht zu den derzeitigen Marktgegebenheiten für Baugrundstücke im Umfeld passen“.

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„Vorzeigeprojekt in Sachen Unweltschutz“

Göbel führt den massiven Kostensprung auf die Entwicklung des Gewerbegebietes „zu einem Vorzeigeprojekt in Sachen Umweltschutz“ zurück und auf aufwendige Schutzmaßnahmen für geschützte Vogelarten. Nach Information der Redaktion sollen allein die stark gestiegenen Grundstückspreise deutlich zu Buche schlagen.

Doch die sind es nicht allein, ist CDU-Fraktionschef Henning Lüneburg überzeugt. Auch Anforderungen an Gebäude und Infrastruktur trügen massiv zur Kostensteigerung bei, sagt der Banker. Gründächer, Photovoltaik oder Regenverrieselung vor Ort treiben die Kosten in einer Art, „dass sich die Frage stellt, wie gewinnorientierte Unternehmen damit umgehen“.