Geesthacht. Neunmal hat es im vergangenen Jahr gekracht. Viele Zusammenstöße verliefen nach einem ähnlichen Muster. Aber warum dort?
Der jüngste Unfall an der Kreuzung von Berliner Straße (B5), Richtweg und Norderstraße ist gerade erst ein paar Tage her. Am 5. Januar 2024 wendete ein Wagen bei Grün an einer Verkehrsinsel, um in Richtung Hamburg weiterzufahren und übersah dabei zwei entgegenkommende Pkw, die auf den beiden Richtungsfahrstreifen nebeneinander fuhren. Um eine Kollision zu vermeiden, wich der rechte Fahrer nach links aus und touchierte den Nebenmann. Dieser wurde dadurch über den Mittelstreifen gedrängt und überfuhr einen Baum, ehe er auf der Gegenfahrbahn zum Stehen kam. Dass es hier zu einem Unfall kommt, ist leider keine Seltenheit. Die Kreuzung ist die gefährlichste in Geesthacht.
Ganze neun Mal hat es 2023 hier gekracht, wie eine aktuelle Anfrage bei der Polizei ergeben hat. Damit gilt sie laut Definition als Unfallschwerpunkt. Dafür muss eines von drei Kriterien erfüllt sein, wie Polizeisprecherin Sandra Kilian erklärt: „Entweder muss es im Jahr zwei Verkehrsunfälle mit schwerem Personenschaden oder drei Unfälle gleichen Typs, etwa beim Abbiegen, oder sechs Verkehrsunfälle insgesamt gegeben haben.“ Die Kreuzung unweit vom Geesthachter ZOB erfüllt neben der reinen Anzahl auch das Kriterium der gleichen Unfallart, wie die Polizei bestätigt. Viermal gab es Zusammenstöße mit querenden Fußgängern, Radfahrern oder E-Scootern.
Geesthacht: Kreuzung an der B5 wird plötzlich zum Unfallschwerpunkt
Am 5. Januar 2023 um 20.52 Uhr übersah ein aus der Norderstraße kommender Pkw beim Linksabbiegen einen E-Scooter, der bei Grün den Fußgängerüberweg überquerte. Am 18. September um 20.40 Uhr ignorierte an gleicher Stelle ein Radfahrer eine rote Ampel. Es kam zum Zusammenstoß mit einem Pkw, der bei Grün in Richtung Hamburg unterwegs war. Am 27. November um 7.40 Uhr fuhr ein aus dem Richtweg kommender Wagen beim Linksabbiegen einen Fußgänger auf der Berliner Straße an. Und am 22. Dezember um 18 Uhr übersah ein aus der Norderstraße kommender Pkw beim Linksabbiegen erneut einen Fußgänger. Dabei zogen sich der E-Scooter-Fahrer schwere und die Fußgänger sowie der Radfahrer leichte Verletzungen zu.
Die weiteren Unfälle: Am 1. März um 10.47 Uhr erlitt der Fahrer eines Sattelzuges am Steuer einen medizinischen Notfall und krachte beim Linksabbiegen in die Norderstraße in einen Ampelmast. Als die beschädigte Ampel am 6. Juni ersetzt wurde und die Lichtzeichenanlage dafür ausgeschaltet wurde, missachtete ein aus der Norderstraße geradeaus fahrender Fahrer mit seinem Fahrzeug die Vorfahrt. Durch die Wucht des Zusammenpralls mit einem Auto auf der Berliner Straße wurden auch zwei wartende Pkw beschädigt. Es gab zwei Leichtverletzte.
Was die Kreuzung anfällig für Unfälle macht
Am 8. August kam es auf der Berliner Straße zu einem Auffahrunfall, als ein Lkw an der Ampel abbremsen musste (ein Leichtverletzter). Am 5. Oktober wollte ein Pkw aus dem Richtweg nach links abbiegen, doch der Verkehr stockte. Als es wieder voranging, kollidierte der Wagen mit einem Auto, das die Berliner Straße bei Grün befuhr (keine Verletzten). Und schließlich kam es am 30. November zu einer Kollision von insgesamt vier Pkw. In diesem Fall wartete ein Pkw bei Rot an der Norderstraße, als sich von hinten ein Rettungswagen mit Blaulicht näherte. Daraufhin wollte der Pkw Platz machen, fuhr in den Kreuzungsbereich ein und stieß dort mit einem Pkw zusammen, der wiederum in zwei weitere wartende Wagen schleuderte (zwei Leichtverletzte).
Doch was macht die Kreuzung so anfällig für Unfälle? Auf der Berliner Straße (B5) läuft der Verkehr in beiden Richtungen zweispurig. Die Verkehre aus Richtweg und Norderstraße fließen jeweils einspurig, wobei sich die Linksabbieger links einordnen, um dann unter Berücksichtigung der geradeaus fahrenden Fahrzeuge abbiegen zu können. Norderstraße und Richtweg sind allerdings leicht schräg versetzt. Um den Geradeausverkehr im Blick zu haben, müssen sich die jeweiligen Linksabbieger weit in den Kreuzungsbereich hineintasten. Zudem erschweren zahlreiche Busse, die vom direkt angrenzenden ZOB kommen, die Sicht. „Wie in allen Bereichen des Straßenverkehrs gilt es hier, achtsam zu sein und vorausschauend zu fahren“, betont dazu die Verkehrsaufsicht des Geesthachter Rathauses.
Der Verwaltung liegen Zahlen noch nicht vor
Der Verwaltung war zum Zeitpunkt der Anfrage noch nicht bekannt, dass es sich hier um einen Unfallschwerpunkt handelt. Vielmehr weiß sie aktuell von überhaupt keinem Schwerpunkt im Stadtgebiet. Der Grund: Die Meldungen über die Unfallhäufungsstellen erhält die Verkehrsaufsicht erst über die Statistik der Polizeidirektion Ratzeburg. Und die vollständige Auflistung für 2023 soll im Februar oder März vorliegen. „Zu klären ist dann immer die Frage, ob ein Unfall durch eine unklare Verkehrsführung oder durch die Unachtsamkeit Einzelner entstanden ist“, so die Verkehrsaufsicht.
Nach einer eingehenden Bewertung vor Ort muss ermittelt werden, ob durch eine Veränderung von Streckenführung oder Verkehrszeichen entscheidend auf ein Unfallgeschehen eingewirkt werden kann, ohne dass andere Probleme hervorgerufen würden. Werden bauliche Maßnahmen erforderlich, wird das an die Straßenbaulastträger weitergegeben. Weil es sich um eine Bundesstraße handelt, ist das das Land Schleswig-Holstein.
2023 insgesamt sechs Unfallschwerpunkte in Geesthacht
„Planungen für eine Umgestaltung der Kreuzung gibt es aktuell nicht. Bisher ist der Wunsch nach einer Umgestaltung auch nicht an die Stadtverwaltung herangetragen worden“, heißt es aus dem Rathaus, das für Hinweise offen ist. Ein Kreisverkehr würde den Verkehrsfluss an dieser Stelle ausbremsen, weil wenige Meter weiter schon die nächste Ampel an der Berliner Straße (Einmündung Rathausstraße, Riesdahl) ist. Eine separate Grünphase für Linksabbieger würde den Verkehrsfluss ebenfalls stark verlangsamen.
Festzuhalten ist, dass die Zahl der Unfälle 2023 an der Kreuzung sprunghaft angestiegen sind. 2022 hatte es „nur“ drei Unfälle mit verschiedenen Ursachen gegeben. Die neuerdings gefährlichste Kreuzung der Stadt ist übrigens nicht Geesthachts einziger Unfallschwerpunkt. Die Zahl ist, wie die Redaktion bei der Polizeidirektion Ratzeburg erfragt hat, von null in 2022 auf insgesamt sechs angestiegen. Weitere Schwerpunkte sind: Am Schleusenkanal (Abfahrten B404), Berliner Straße/Bahnstraße (Post-Kreuzung), Berliner Straße/Lauenburger Straße/Hansastraße (Am Ziegenkrug), Grüner Jäger und Worther Weg (K67, außerhalb geschlossener Ortschaft). Der zweite Mini-Kreisel in der Rathausstraße, den die Gegner von CDU, BfG und FDP schon als neuen Unfallschwerpunkt gesehen hatten, ist derweil nicht darunter.
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Wenn Jürgen Hellwig, der Revierleiter der Geesthachter Polizei, am Donnerstag, 18. Januar, im Hauptausschuss (18 Uhr, Markt 15) den Kommunalpolitikern die Kriminalitäts- und Unfallstatistik präsentiert, werden diese Schwerpunkte kein Thema sein. Hellwig ist eingeladen, um über die Zahlen aus 2022 zu berichten. 2023 soll dann erst im Frühsommer an der Reihe sein.