Geesthacht/Schwarzenbek. Ganze Viertel sind in der Hand des Vermieters Vonovia. Der erhebt teils horrende Nachforderungen. Örtlicher Mieterverein gibt Tipps.
Der Mieterverein Geesthacht und Umgebung mit seinen rund 1300 Mitgliedern kommt mit der Bearbeitung von Anfragen derzeit kaum hinterher. Vor allem Mieter, die eine Wohnung bei der Vonovia haben, rennen ihnen aktuell die Tür ein. Grund sind teilweise horrende Nachzahlungen für Heizkosten, die mit den Abrechnungen für das Jahr 2022 verschickt werden. Teilweise wird eine mittlere vierstellige Summe aufgerufen. Folge: Existenzängste und Furcht vor Armut. Die Vertreter des bundesweiten Mieterbündnisses VoNO!via und anderer Initiativen wehren sich jetzt dagegen mit einem offenen Brief, in dem sie die Vonovia SE zum Verzicht auf überzogene Heizkosten auffordern.
Vierstellige Summen hat Petra Boockhoff, die zweite Vorsitzende des Mietervereins Geesthacht und Umgebung, aktuell zwar nicht miterlebt. „Wir haben aber Fälle, wo es um eine Nachzahlung von 700 Euro geht und der Mieter dann monatlich 120 Euro mehr Abschlag zahlen soll“, berichtet sie. Doch das ist gar nicht zulässig.
Vonovia hat 3000 Wohnungen in der Region
„Im Voraus höhere Vorauszahlungen zu verlangen, darf die Vonovia schon mal gar nicht. Es darf nur anhand einer vorliegenden Rechnung verändert werden“, betont Boockhoff. Und dann auch nur in einem bestimmten Rahmen. Monatlich ist ein Zwölftel der Nachzahlung zulässig. „Bei 120 Euro darf die Vonovia den Abschlag also monatlich um 10 Euro erhöhen. Sie wollen aber mitunter ,vorsichtshalber‘ gleich 50 Euro haben“, weiß Petra Boockhoff.
Der Wohnungsriese bewirtschaftete zum 31. Dezember 2022 laut eigenem Geschäftsbericht 621.303 Wohnungen in Deutschland, Österreich und Schweden. In Geesthacht, Schwarzenbek und Lauenburg sind es allein über 3000. Mit 2000 liegen die meisten davon in der Geesthachter Oberstadt. In Schwarzenbek sind die Wohnungen verteilt über den Stadtteil Nordost sowie rund um die Danziger und die Kollower Straße.
Ein Jahr lang Zeit, die Abrechnung anzuzweifeln
Petra Boockhoff rät betroffenen Mietern, auf jeden Fall das Abrechnungsergebnis anzuzweifeln. Dazu besteht bis zu einem Jahr lang die Möglichkeit. Allerdings würden Mieter, wenn Mahnungen kommen, mitunter aus Angst einknicken und freiwillig zahlen. Zumal eine Prüfung der Fälle in rund zwei Drittel der Fälle extrem aufwendig ist und die Beweislast beim Mieter liegt. Die Vonovia hat nämlich, wie gesetzlich zugelassen, häufig mehrere Mehrfamilienhäuser zu einer Wirtschaftseinheit zusammengefasst. „Wir bekommen dann die Belege von allen Häusern der Wirtschaftseinheit. Da ist dann für den Einzelnen vieles nicht nachzuvollziehen“, sagt Petra Boockhoff. Das gelte für alle Bereiche, nicht nur für Heizkosten.
„Klar ist das eine Masche. Wie soll jemand belegen, ob in der Nachbarstraße wirklich der Rasen gemäht wurde oder ob es einen Wasserschaden gab. Außerdem verweist die Vonovia oft darauf, dass sie ja Kosten von Handwerkern und anderen auferlegt bekommen. Fakt ist aber: Die Vonovia hat viele Subunternehmen und für alles eigene Leute. Die können die Preise also so gestalten, wie sie wollen.“ Natürlich seien Heizkosten grundsätzlich gestiegen, räumt Petra Boockhoff ein. Allerdings führe die Vonovia mitunter Zähler auf, die es gar nicht gibt. „Manchmal wird auch nur geschätzt“, sagt Petra Boockhoff.
Greift Geesthachts Politik das Thema auf?
Christoph Hinrichs, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft Bürger für Geesthacht (BfG), weiß von einem Vonovia-Mieter in Geesthacht, der laut Mietvertrag 60 Euro im Monat für die Heizung bezahlt, nun aber neuerdings 118 Euro bezahlen soll. „Selbst wenn wir politisch kaum Einflussmöglichkeiten haben, ist das eine harte Geschichte. Wir sollten trotzdem überlegen, ob wir das Thema in der nächsten Hauptausschusssitzung am 18. Januar per Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung bringen können“, will Hinrichs mit den übrigen Fraktionsvorsitzenden der Ratsversammlung in Kontakt treten.
Etwa mit Ali Demirhan von den Grünen. Dieser hält es für ein internes Vonovia-Problem. „Solch hohe Nachzahlungen sind ja nicht die Regel. Von unserer städtischen WoGee habe ich das zum Beispiel nicht gehört. Die Vonovia muss jetzt ihrer Verantwortung als Vermieter nachkommen. Wir als Politik können sie dazu nur auffordern, auf die Forderungen der Mieter einzugehen“, betont Demirhan. Petra Burmeister (SPD) kommen die hohen Nachforderungen spanisch vor. „Aber dass die Vonovia sowohl beim Service als auch den Abrechnungen kein Musterbeispiel ist, ist ja nichts Neues. Wir, als SPD, können den Menschen immer nur eine Rechtsberatung empfehlen“, sagt Burmeister.
In Berlin reagiert die Vonovia bereits
Derweil hat der Wohnungsriese, der den offenen Brief zur Kenntnis genommen hat, bereits reagiert. Allerdings seien die hohen Nachzahlungen durch die gestiegenen Energiekosten, die Höhe der Vorauszahlungen und den Energieverbrauch zu erklären. Gerade bei hohen Abrechnungen seien die Schreiben durch den Konzern geprüft, bevor sie verschickt werden. „Sie entsprechen allen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen, die branchenüblich gestaltet sind“, so Vonovia-Sprecherin Panagiota-Johanna Alexiou.
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In Berlin allerdings will der Konzern indes alle Rechnungen jetzt noch einmal überprüfen. Ob es daran lag, dass dortige Vonovia-Mieter für das Wochenende eine Demonstration angekündigt hatten?