Schwarzenbek. Immer mehr Menschen wollen frühzeitig in den Ruhestand. Neuerdings arbeiten aber auch viele Rentner in Teilzeit einfach weiter.
Hohe Arbeitsdichte, Stress im Job und die fortwährende Diskussion um eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters sorgen dafür, dass immer mehr Menschen vorzeitig in den Ruhestand gehen – auch mit zum Teil erheblichen Abzügen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Arbeitnehmer wächst, die aufgrund von psychischen Erkrankungen eine Erwerbsminderungs- beziehungsweise Erwerbsunfähigkeitsrente bekommen.
Deutlich mehr Menschen als von der Bundesregierung erwartet haben auch die abzugsfreie Rente mit 63 nach 45 Berufsjahren in Anspruch genommen. Laut einer Studie der Bergischen Universität Wuppertal mit 2500 Befragten gibt es einen Trend zur Frührente unter den sogenannten Babyboomern. 63 Prozent gaben an, vor dem Erreichen der Regelaltersrente in den Ruhestand gehen zu wollen.
Vorzeitiger Ruhestand: Noch gibt es die Rente mit 63 – aber nicht ohne Abzüge
Dank einer steuerlichen Neuregelung gibt es aber auch viele, die als Rentner weiterarbeiten. Einer, der sich in diesem Dickicht an Möglichkeiten auskennt und die richtigen Tipps geben kann, ist Bernd von Beuningen aus Schwarzenbek.
Der 66-Jährige ist seit 30 Jahren Versichertenberater bei der Deutschen Rentenversicherung. Der Europastädter ist ehrenamtlich tätig und nimmt monatlich 30 bis 40 Beratungsgespräche vor. „Der Beratungsbedarf nimmt zu. Ein Dachdecker kann im Regelfall nicht mehr mit 67 Jahren schwere körperliche Arbeit leisten. Aber auch im kaufmännischen Bereich und vielen anderen Berufen steigen die Belastungen durch den Fachkräftemangel immer weiter an. Deshalb wächst bei vielen Menschen der Wunsch, vorzeitig aus dem Berufsleben auszusteigen“, sagt Bernd von Beuningen.
Rentner können mittlerweile unbegrenzt Geld dazu verdienen
Die Möglichkeiten sind vielfältig, weil es oft auch den Wunsch gibt, nicht komplett mit der Arbeit aufzuhören, sondern seine Zeit flexibler zu gestalten. „Gerade in der letzten Zeit beobachte ich den Trend, dass Arbeitnehmer vorzeitig mit Abschlägen in Rente gehen, dann aber trotzdem in Teilzeit weiterarbeiten wollen. Sie möchten ihre Arbeit halt nur an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen“, so der Experte.
Seit dem vergangenen Jahr ist es für Altersrentner möglich, unbegrenzt Geld dazuzuverdienen. Diese Einnahmen müssen natürlich versteuert und auch zum Teil Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Hinzu kommt, dass auch die Rentenansprüche durch die fortgesetzte Tätigkeit steigen. Denn es werden Beiträge eingezahlt.
Weiterbeschäftigung dürfte angesichts des Fachkräftemangels kein Problem sein
Aber Vorsicht: Wer in seinem alten Job weiterarbeiten will, muss das mit seinem Arbeitgeber abklären und benötigt dessen Zustimmung. „Denn meistens endet ein Arbeitsvertrag mit dem Renteneintritt“, sagt Bernd von Beuningen – aber entgegen häufiger Meinung nicht automatisch. In vielen Berufen dürfte eine Weiterbeschäftigung angesichts des Fachkräftemangels aber kein Problem sein. Mittlerweile gibt es sogar Firmen, die Rentner zurück in den Job holen, um Personalengpässe zu überbrücken.
Wer seinen Rentenbeginn verschiebt, kann auch zusätzliche Einnahmen generieren. Die Jahrgänge ab 1964 können ab 67 in die Altersrente gehen. Jeden Monat, den sie weiterarbeiten, ohne Rente zu beziehen, bringt ein Plus von 0,5 Prozent bei der späteren Rentenzahlung.
Abschlagsfreie Rente mit 63 gibt es für die Babyboomer nicht mehr
Die Variante der abschlagsfreien Rente mit 63, die noch vor der Großen Koalition unter Angela Merkel im Jahr 2015 eingeführt wurde, ist zwar nach wie vor ein politisch heiß diskutiertes Thema, aber eigentlich eine Rente mit 64 oder mehr Jahren. Denn nur die Menschen, die vor 1953 geboren sind, konnten abschlagsfrei mit 63 in Rente gehen – sofern sie 45 Pflichtversicherungsjahre vorweisen konnten. Wer heute 60 (Jahrgang 1963) ist, muss bei diesem Modell 64 Jahre und zehn Monate alt sein.
Eine weitere Möglichkeit ist die Rente nach 35 Beitragsjahren für langjährig Versicherte. Diese Variante gibt es aber frühestens mit 63 Jahren und entsprechenden Abzügen. Wer also 1964 geboren ist und regulär mit 67 in Rente gehen könnte, kann mit 14,4 Prozent Abzug bereits mit 63 in Rente gehen. Pro Monat vorzeitiger Rente gibt es 0,3 Prozent weniger Rente, im Jahr also 3,6 Prozent.
Langfristige Planungen sind schwierig, weil Rentenpolitik sehr dynamisch ist
Die Entwicklungen in diesem Bereich sind allerdings dynamisch. „Wer längerfristig planen möchte, muss vorsichtig sein. Im kommenden Jahr ist Bundestagswahl. Eine neue Regierung kann auch schnell Änderungen bei den Renten, auch mit Blick auf die Abschläge vornehmen“, sagt Bernd von Beuningen.
Wer möchte, kann seine Abzüge durch eine freiwillige Zahlung an die Rentenkasse reduzieren. „Da werden allerdings schnell fünfstellige Beträge fällig, die aber in Teilen steuerlich geltend gemacht werden können. Ob sich das lohnt, muss der Betreffende mit seinem Steuerberater besprechen. Dafür bin ich kein Experte“, so von Beuningen.
Wer in Rente will, sollte auf seine Fehlzeiten achten
Bei allen anderen Fragen kann der gelernte Industriekaufmann, der 1984 zur DAK kam und dort als Bezirksgeschäftsführer und Gesundheitsberater tätig war, helfen. „Es bietet sich bereits in jungen Jahren an, die Auszüge der Rentenversicherung nicht einfach wegzuheften, sondern genau anzuschauen. Wichtig ist eine Kontenklärung, damit Versicherungszeiten möglichst lückenlos sind. Je eher man Fehlzeiten feststellt, können sich diese möglicherweise durch das Nachreichen von Unterlagen noch beheben lassen“, so der Versichertenberater.
Wer sich dem Rentenalter nähert, sollte bereits frühzeitig mit seinen Unterlagen zu einem Fachmann wie von Beuningen gehen und sich über die unterschiedlichen Möglichkeiten beraten lassen. Die Versichertenberater begleiten die angehenden Rentner dann auch durch das Antragsverfahren. „Wir haben den direkten Draht zu den Mitarbeitern bei der Rentenversicherung und können strittige Fragen oder Probleme klären“, sagt von Beuningen. Aktuell ist er in Schwarzenbek und Umgebung der einzige Versichertenberater. Bundesweit gibt es 2600 ehrenamtliche Berater, es müssten 500 mehr sein, um die Vielzahl der Anträge der Babyboomer, die bald in den Ruhestand gehen, zu betreuen.
Gespräche mit angehenden Rentnern machen Freude
Von Beuningen macht diesen Job ehrenamtlich, weil es ihm Freude bereitet. „Die Gespräche sind immer positiv. Es macht mir großen Spaß, die Menschen in meiner Umgebung bei Fragen zum Thema Rente zu beraten und zu unterstützen“, sagt er. „Natürlich ist nicht jeder begeistert von dem, was er hört. Mir ist es aber wichtig, dass niemand das Gespräch mit dem Gefühl verlässt, etwas nicht verstanden zu haben.“
Der Schwarzenbeker bietet regelmäßig Beratungstermine an und hat ein Büro in der evangelischen Familienbildungsstätte. Beratungen sind aber nur nach Terminabsprache möglich. Dies ist telefonisch unter 04151/834 82 36 möglich. „Wenn Menschen nicht mehr so beweglich oder sehbehindert sind, mache ich auch Hausbesuche“, so der 66-Jährige. Die regulären Termine sind einmal monatlich am Verbrüderungsring 41.
Auch interessant
- Bauernprotest: Mit breiter Unterstützung nach Lübeck
- Wegen 0,26 Cent: Aus für privates Balkonkraftwerk
- Handtasche aus Einkaufswagen gestohlen: Hunderte Euro weg
Von Beuningen legt großen Wert darauf, dass er Versichertenberater und kein Rentenberater ist. Rentenberater ist eine geschützte Berufsbezeichnung. Diese Beratungen kosten Geld und werden nach Aufwand und einem festen Gebührensatz abgerechnet.