Wohltorf. Sabina Hirtz ist nicht nur Messie-Therapeutin, sondern auch Frontfrau der Thrash-Metal-Band. Ein Besuch bei der Sängerin in Wohltorf.

Ich klingele erst mal an der falschen Tür, als ich Sabina Hirtz im Juli 2023 in Wohltorf besuchen will. Als ich schließlich die richtige gefunden habe, die zur Praxis der Heilpraktikerin für Psychotherapie führt, stutze ich einen Moment: Habe ich mich schon wieder geirrt? Vor mir steht eine zierliche Frau mit dunkelroten Strähnen in den langen blonden Haaren. Sie trägt eine weite, geblümte Bluse zur Jeans und eine farbige Brille. Sie hat etwas feenhaftes, auf dem Sprung zu ihren Pferden wirkt sie fast wie ein Hippie. Ein kleiner Hund wuselt um uns herum. Die damals 59-Jährige ist bekannt als Teil des Messie-Teams von RTL2.

Doch ihre energische, laute, leicht knarzige Stimme verrät ihre andere Seite, eine andere Facette ihres schillernden Lebens, wegen der wir uns an diesem Sommertag getroffen haben: Unter dem Künstlernamen Sabina Classen ist sie die Frontfrau der Thrash-Metal-Band Holy Moses. Auf Facebook und Instagram ist die Wohltorferin als solche wesentlich bekannter als als Messie-Therapeutin. Mit Holy Moses war die mittlerweile 60 Jahre alte Powerfrau 2023 mit ihrem letzten Album „Invisible Queen“ auf Abschiedstour. Von Frühjahr bis in den Winter haben sie sich mit knapp 30 Konzerten nach 43 Jahren von ihren internationalen Fans verabschiedet – vom Metal Festival in Wacken bis zum Livekonzert in der Hamburger Markthalle.

Holy Moses: Abschiedstournee mit einigen Enttäuschungen

Kaum zu glauben, dass Sabina Hirtz in Lederhose und Metal-Kutte auftritt, headbangend ihre langen Haare hin und her schleudert, während sie ins Mikro brüllt. Im Gespräch wird aber schnell deutlich: Diese Frau steckt voller Energie. Wie um alles in der Welt bringt sie nur ihren Berufsalltag, ihre Fernsehauftritte, die Versorgung ihrer Pferde und dann noch die musikalische Karriere mit Proben in Frankfurt und internationalen Konzerten unter einen Hut? Sie muss ein Organisationstalent sein – beneidenswert.

Redakteurin Susanne Tamm hat Holy-Moses-Frontfrau Sabina Classen im Sommer in Wohltorf besucht.
Redakteurin Susanne Tamm hat Holy-Moses-Frontfrau Sabina Classen im Sommer in Wohltorf besucht. © Susanne Holz

„Ich bin sehr strukturiert“, bestätigt die Heilpraktikerin. „Das kommt wiederum meinen Klienten zugute, die unter der Messie-Erkrankung leiden.“ Um die Termine der Band zu koordinieren, unterstützt sie aber ein professionelles Management und eine Agentur dabei, erzählt Sabina Hirtz.

Erstmals müssen Wackens Organisatoren Anreise stoppen

Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass sie nicht zwischen Privat- und Berufsleben unterscheidet, sondern sich auch mit ihren beruflichen Aufgaben voll identifiziert. „Das ist alles mein Leben! Alles: meine Klienten, meine Tiere, die Band“, sagt die Wohltorferin. Das letzte Jahr ihrer musikalischen Karriere war gespickt mit geplanten Auftritten. Allerdings liefen nicht alle Stationen der Tour so wie geplant.

Anfang August säuft beispielsweise das legendäre Metal-Festival in Wacken ab. Ein bisschen Regen und Matsch gehören im Norden ja zu einem zünftigen Festival dazu. In der Region von Wacken in Schleswig-Holstein aber fallen in diesem Jahr innerhalb von drei Tagen über 40 Liter Regen pro Quadratmeter. Erstmals in der Geschichte des Festivals müssen die Organisatoren die Anreise der Fans stoppen, weil die Campingflächen und die Wege rund um das Festivalgelände im Schlamm versinken. Dann kommt die niederschmetternde Nachricht über die sozialen Medien: Das Organisationsteam sagt die Anreise der Metalheads im Auto bis zum Festivalende ab.

Sabina Classen hat fast jedes Wacken-Festival besucht

Zu dem Zeitpunkt steht Sabina Classen mit ihrem Wohnmobil im Stau, einen Kilometer vor dem Check-in für die Künstler und Mitarbeiter. In einem Telefonat erzähle ich ihr von der Nachricht. Das ist auch für sie als Wacken-Stammgast eine neue Erfahrung. Nur ein einziges Wacken hat sie seit 1990 verpasst – als Zuschauerin. Siebenmal ist sie mit Holy Moses dort aufgetreten.

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Auch die Vorfreude auf einen ersten Auftritt in Mexiko wird ausgebremst: Aus Gründen von „höherer Gewalt“, sagen die Organisatoren das „Life after Death-Festival“ ab und verschieben es auf nächstes Jahr. Für Holy Moses kommt dies zu spät. Dafür sind aber die Erlebnisse auf den Bühnen in Eindhoven, in den Niederlanden, in Luzern in der Schweiz, unvergesslich.

Fast wäre ich 2023 auf meinem ersten Metal-Konzert gelandet

Zugegeben: Heavy Metal war nie so meine Welt. Ich lerne beispielsweise, dass es um Thrash Metal, nicht um Trash wie Schrott geht. To thrash heißt auf Deutsch dreschen, prügeln und rührt daher, wie die Musiker auf ihre Instrumente eindreschen. Nach dem interessanten und durchaus lustigen Gespräch mit Sabina Hirtz aber wäre ich fast in Versuchung geraten, zu ihrem letzten Konzert in die Markthalle zu gehen. Das war allerdings ein Monat zuvor schon ausverkauft. Na, wer weiß, wozu das gut war.

Für die Sängerin hingegen war schon im Sommer klar: „Einmal Metal-Fan, immer Metal-Fan. Ich werde weiterhin auf Festivals gehen, und ich weiß auch, dass ich im Herzen immer eine Musikerin bleibe, auch wenn ich nicht mehr selbst auf der Bühne stehe.“