Wohltorf. Sabina Hirtz bringt mit Büchern und in TV-Serie Ordnung ins Leben – und singt nebenbei erfolgreich in einer Thrash-Metal-Band

Sie können so gut wie nichts wegwerfen, sammeln Dinge meist solange, bis die Wohnung oder zumindest ein Zimmer kaum noch zu betreten ist. Dann wächst ihnen das Chaos über den Kopf. Messies werden diese Menschen genannt, abgeleitet vom englischen Wort „mess“, das Durcheinander oder Chaos bedeutet.

„Etwa jeder zehnte meiner Patienten leidet unter dem Messie-Syndrom“, sagt Sabina Hirtz. Als Psychotherapeutin, Heilpraktikerin, klinische Hypnosetherapeutin und klientenzentrierte tiefenpsychologische Körpertherapeutin verfügt sie über einen breiten Erfahrungsschatz. Der Messie-Problematik widmet sich die Expertin, die in Wohltorf bei Reinbek lebt, besonders.

Die Störung ist keine Erscheinung der heutigen Zeit

Unlängst war sie erneut mit dem Thema bei RTL 2 in der Sendung „Das Messie-Team – Start in ein neues Leben“ zu sehen. Vor laufender Kamera holte sie augenscheinlich Menschen aus dem Chaos. „Wichtig ist es, die Seele zu entrümpeln“, sagt die 54-Jährige. „Die TV-Sendung hilft dabei, das Thema öffentlich zu machen. Nach der Staffel haben mich viele Menschen angerufen und offen über ihr Problem gesprochen“, berichtet sie.

Rund zwei Millionen Menschen sind vom Messie-Syndrom betroffen. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein, denn das Thema ist mit Scham behaftet. Die Störung ist keine Zeiterscheinung. „Auch früher gab es dieses Verhalten schon, heute wissen nur mehr Menschen davon“, sagt Sabina Hirtz.

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Messie-Syndrom Sabina Hirtz mit Therapiehund Timmy, der auch bei Bedarf zum Einsatz kommt
Messie-Syndrom Sabina Hirtz mit Therapiehund Timmy, der auch bei Bedarf zum Einsatz kommt © HA | Imke Kuhlmann

hr Buch „Der Messie in uns – Wie wir Wohnung und Seele entrümpeln“, hat Betroffene bundesweit auf die Beraterin aufmerksam gemacht. Darin erklärt sie in einer Mischung von Fallbeispielen und fachlichen Erläuterungen die Hintergründe.

Gemeldet hat sich unter anderem ein 29 Jahre alter Berliner, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Ein Familienmitglied hat mir das Buch gegeben“, sagt er. „Nachdem ich es gelesen hatte, wollte ich mit Frau Hirtz arbeiten.“ Sein Lehramtsstudium hatte der Mann abgebrochen. Nun ist er mit der Therapie auch auf dem Weg nach beruflicher Neuorientierung.

Bereits im Alter von 14 Jahren beschritt Sabina Hirtz den Weg in die Psychotherapie. Sie unterstützte ihren Vater, der Jugendfußballtrainer war, als Mentaltrainerin der Mannschaft. Eine Ausbildung zum autogenen Training war in jungen Jahren ihre Initialzündung.

Problem zieht sich durch alle Schichten und Altersklassen

Zur selben Zeit begann sie bereits als Sängerin in der Thrash-Metal-Band (extreme und schnelle Spielart der Metal-Music) Holy Moses. Dort steht sie unter ihrem Künstlernamen Sabina Classen am Mikrofon. Die vier Bandmitglieder spielen Konzerte weltweit. Sie sagt, die Musik helfe ihr auch für den Beruf als Therapeutin: „Das Schreien und das Wild-Sein beflügelt mich, es ist auch eine Form von Therapie.“

„Hinter vielen Krankheitsbildern verbirgt sich das Messie-Syndrom“, sagt Sabina Hirtz. Die Gründe liegen häufig ganz woanders, die Palette reicht von Stressbelastung über Mobbing bis zur Depression. Ihre Behandlung folgt klaren Strukturen. „Ich beginne in der Kindheit. Dort liegen die meisten Ursachen verborgen“, sagt die Fachfrau.

Gemeinsam sucht sie mit dem Patienten nach einer seelischen Balance. „Die Unordnung ist in mir“, sagt zum Beispiel der Patient aus Berlin. „Wir sind gerade auf der Suche nach der Ursache dahinter.“

Messie-Syndrom Der Messie in uns – mit dem Buch von Sabina Hirtz ist ein erster Schritt getan.
Messie-Syndrom Der Messie in uns – mit dem Buch von Sabina Hirtz ist ein erster Schritt getan. © HA | PR

Das Problem geht durch alle sozialen Schichten, durch alle Altersgruppen und ist auch nicht geschlechtertypisch“, sagt Sabina Hirtz. In der TV-Sendung ist nach der Entrümpelung Schluss, doch in der Realität folgt dann die Langzeittherapie.

„Jeder, der zu mir zur Behandlung kommt, muss es selber wollen.“ Diese Voraussetzung sei ihr wichtig. „Es nützt nichts, wenn die Angehörigen die Behandlung anstreben, der Betroffene selbst muss überzeugt sein.“ Regelmäßig macht sich der 29-Jährige aus Berlin auf den Weg zur Therapeutin. „Ich bin sicher kein Extremfall, aber ich komme mit dem Aufräumen einfach nicht hinterher. Ich komme eher mit dem Chaos klar“, sagt er.

Das Problem begleite ihn schon länger. „Als Jugendlicher bin ich lieber zu meinen Freunden gegangen, da es bei mir so chaotisch war. Heute bin ich auf einem guten Weg.“

Mit jeder Therapiestunde würden die Menschen unabhängiger, sagt Sabina Hirtz. Je nach Anforderung kommt sie auch zu den Menschen nach Hause.