Wohltorf. Holy Moses mit Frontfrau Sabina Classen nehmen Abschied von Wacken. Sie ist auch mit ihrem erlernten Beruf bekannt geworden.
Die Frage nach ihrem Privatleben lässt Sabina Hirtz nicht gelten: „Das ist alles mein Leben! Alles: Meine Klienten, meine Tiere, die Band“, sagt die Wohltorferin. Der breiten Öffentlichkeit ist Sabina Hirtz vor allem als Teil des Messie-Teams von RTL2 und somit als Heilpraktikerin für Psychotherapie bekannt. Ihre Therapiebegleitpferde und ihr Therapiehund gehören mit zu ihrem Praxis-Team.
Sabina Hirtz lässt sich in keine Schublade stecken. Auf dem Sprung zu ihren Pferden wirkt sie fast wie ein Hippie mit diesen roten Strähnen in ihren langen, blonden Haaren und der weiten, geblümten Bluse. Doch weit gefehlt: Im Internet stößt man schnell auf eine andere Facette ihres schillernden Lebens: Unter dem Künstlernamen Sabina Classen ist sie die Frontfrau der Thrash-Metal-BandHoly Moses. Zu diesem Thema sind in den Sozialen Medien wesentlich mehr Beiträge über sie zu finden als über sie als Messie-Therapeutin. Mit Holy Moses ist die 59 Jahre alte Powerfrau zurzeit mit ihrem letzten Album „Invisible Queen“ auf Abschiedstour.
Heavy-Metal-Lady: Ihre Band Holy Moses nimmt Abschied von Wacken
„Am 27. Dezember, an meinem 60. Geburtstag, werden wir in der Hamburger Markthalle unsere letzte Show haben“, erzählt die zierliche Sängerin, die schon im Gespräch sehr energiegeladen wirkt. „Da wird bestimmt noch die eine oder andere Träne fließen. Aber bekanntlich soll man aufhören, wenn es am Schönsten ist. Jetzt bin ich noch voller Energie, und ich möchte selbst bestimmen, wann ich aufhöre.“ Vieles, was sie in den vergangenen 43 Jahren als Musikerin erlebt habe, sei kaum zu übertreffen.
Besonders in Erinnerung bleibt ihr vor allem auch das erste ausverkaufte Konzert in der Hamburger Markthalle 1987. „Damals haben wir gedacht: ,Wow! Jetzt haben wir es geschafft’“, erinnert sich die 59-Jährige. „Oder das erste Dynamo-Open-Air 1989 in Holland: Es gab immer wieder eine Steigerung, jedes Erlebnis hatte seine Zeit.“ Vor allem aber die Begegnungen mit den Menschen hätten sie beeindruckt. Etwa als die Crew aus dem Flieger nach Japan spontan ihr Konzert in Tokio besuchte.
Eigentlich wollte sie demonstrieren, dass sie nicht singen kann
Angefangen hat alles in ihrer alten Schule, einem Gymnasium in Aachen. Damals, 1981 im Probenraum, sei sie eigentlich nur ans Mikrofon gegangen, um der damaligen Schulband zu beweisen, dass sie nicht singen könne. Dieser Versuch scheiterte. Sie faszinierte ihre Mitschüler mit ihren „Growls“, ihrem Kehlgesang. Die musikalische Karriere wurde ein Erfolg: Nach dem Abitur 1983 bekam Holy Moses 1985 den ersten Plattenvertrag. Die bekanntesten Alben der Band sind „Finished With The Dogs“ (1987), „World Chaos“ (1990) und „Terminal Terror“ (1991).
Ebenso früh habe sie aber bereits gewusst, dass sie therapeutisch arbeiten will. „Schon mit 13 Jahren, als ich lernte, mit Autogenem Training Konzentration und Emotionen zu steuern, wusste ich, was ich wollte. Daher habe ich bereits als Jugendliche Kurse belegt und meinen Vater als Fußballtrainer unterstützt“, sagt die Heilpraktikerin.
Sabina Hirtz ist als Einzige aus der einstigen Schülerband noch dabei
Die Mitglieder der Band haben im Laufe der Jahre gewechselt. „Wir sind nicht mehr dieselben, ich bin die Einzige, die von damals übrig geblieben ist“, sagt Sabina Hirtz. „Unser Probenraum ist in Frankfurt.“ Die anderen Bandmitglieder – Schlagzeuger Gerd Lücking, Gitarrist Peter Geltat und Bassist Thomas Neitsch – wohnen in anderen Ecken Deutschlands. Zum Proben müssen sie sich persönlich treffen: „Unsere Musik ist kompliziert, wir haben ja alles nur in unseren Köpfen“, erläutert die Sängerin. „Und unser Zusammenspiel ist sehr wichtig.“ Das neue Album „Invisible Queen“ hat es aus dem Stand auf Platz 14 der Album-Charts geschafft.
Die Fülle ihrer Termine kann sie noch selbst managen. „Ich bin sehr strukturiert“, sagt die Heilpraktikerin. „Das kommt wiederum meinen Klienten zugute, die unter der Messie-Erkrankung leiden. Dahinter stecken meist Traumata, aber ich kann sie dabei unterstützen, wieder eine Struktur zu erlangen.“ Um die Termine der Band zu koordinieren, brauche es aber ein professionelles Management und eine Agentur.
Holy Moses: Die Abschiedstournee „Final Reign“ führt bis nach Mexiko
Bis zum Konzert in der Markthalle ist Sabina Hirtz mit Holy Moses an 17 Wochenenden unterwegs. Am Freitag, 28. Juli, hat ihre Band auf der „Final Reign“-Tour auf dem „Tolminator“-Festival in Slowenien gespielt. „Ich habe mir jetzt drei Wochen Urlaub von meinen Klienten erlaubt“, sagt die Heilpraktikerin. Denn im August steht jedes Wochenende ein Festivalauftritt in einem anderen Land an: Neben dem legendäre Wacken Open Air (ausverkauft) in Norddeutschland stehen Belgien, Finnland und Österreich auf der Liste. Andere Festivals der Abschiedstour sind in der Schweiz, den Niederlanden oder sogar in Mexico City.
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In Wacken spielt sie zum siebten Mal mit der Band, privat war sie fast immer dort, hat nur ein einziges Festival verpasst. „Einmal Metal-Fan, immer Metal-Fan“, sagt die Musikerin lachend. „Ich werde weiterhin auf Festivals gehen, und ich weiß auch, dass ich im Herzen immer eine Musikerin bleibe, auch wenn ich nicht mehr selbst auf der Bühne stehe.“ Privat hört Sabina Hirtz auch viel Weltmusik oder Trommelmusik.“ Sie genieße aber auch einfach einmal die Ruhe.
Thrash Metal und die Arbeit mit den Klienten: Beides ergänzt sich
„Für mich haben sich beide Seiten immer sehr gut ergänzt“, sagt Sabina Hirtz. „Ich habe gemerkt, dass mir beides Energie schenkt: Die Musik als kleine Schrei-Therapie für mich selbst, aber auch in Ruhe mit den Klienten zu arbeiten und meine Pferde zu versorgen.“ Diesen Ausgleich habe sie gebraucht. Sie sei so nie wie nach ihrer Auskunft viele andere Musiker in der Gefahr gewesen, zwischen den Konzerten in ein tiefes Loch zu fallen. „Ich habe das große Glück, meine Hobbys zum Beruf gemacht zu haben“, sagt die Wohltorferin. „Das ist alles Freude: Dass ich meine Kraft und mein Selbstbewusstsein an meine Klienten weitergeben kann, habe ich der Musik und den Reisen zu verdanken.“