Wentorf. „Bier- und Köm-Kapelle“ war mal. Nach 100 Jahren ist die Feuerwehr-Band Wentorf-Börnsen frisch und modern wie nie. Kostprobe gefällig?
Sie kämpfen musikalisch gegen Vorurteile wie „Dicke-Backen-Musik“ oder „Bier- und Köm-Kapelle“ an – dabei sind die 14 Musikerinnen und Musiker des Feuerwehrmusikzugs Wentorf-Börnsen heute bekannt dafür, dass sie eine zuverlässige Show mit beliebten Melodien aus Musical, Filmen und aus der Schlagerwelt liefern. Die traditionelle Marschmusik macht heute nur noch einen kleinen Teil ihres Repertoires aus. Am Sonnabend, 18. November, spielen sie zum großen Jubiläumskonzert in der Aula der Gemeinschaftsschule (Achtern Höben) auf.
„Gerade die Städter haben oft vollkommen falsche Vorstellungen von uns und unserer Musik“, erklärt Hans Joachim Stapelfeldt. Die entsprächen eher der Gründungszeit des Ensembles von 1923. „Deshalb verpassen sie unsere Shows und das ist schade. Die Zeiten, als irgendwelche Feuerwehrmänner in ihr Horn gebrummt haben, damit sie hinterher einen Schnaps bekommen, sind vorbei. Wir sind keine Bier- und Köm-Kapelle mehr. Wir spielen richtig gut.“ Der 75-jährige Börnsener spielt im Musikzug die Posaune. Kapellen wie die heute trendigen „Wacken Firefighters“ wüssten sich gut zu verkaufen, „aber im Grunde spielen die nichts anderes als wir“, stellt Stapelfeldt fest.
Auch nach 100 Jahren rockt der Feuerwehrmusikzug noch die Show
Seine persönlichen Gründe, warum der Wentorfer Emil Krüger vor 100 Jahren den Musikzug – damals noch die Musikkapelle Wentorf – gegründet hat, sind im Dunkel der Geschichte hängengeblieben: „In der Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs aber hat es viele dieser Gründungen gegeben“, erläutert Andreas Marx, musikalischer Leiter des Musikzugs. „Es gab viele Militärmusiker, die arbeitslos geworden waren. Gleichzeitig waren die Leute auf der Suche nach Unterhaltung.“ Daher hätten sich in dieser Zeit viele Tanzkapellen oder Musikzüge gefunden. Vor 100 Jahren wurde auch das Radio erfunden, Walt Disney gründete seine Firma, um Zeichentrickfilme zu produzieren.
Natürlich gebe es im Musikzug auch Zugeständnisse an die Traditionen, was vielen Älteren im Publikum gefalle. So würden auch Märsche gespielt, die Feuerwehruniform gehöre auf der Bühne dazu und es werde viel von der guten „Kameradschaft“ gesprochen, sagt Andreas Marx. „Man könnte auch einfach sagen, uns verbindet ein guter Zusammenhalt“, fügt Hans Joachim Stapelfeldt hinzu. „Das Wort ‚Kameradschaft‘ klingt heute so militärisch.“ Dabei sei es so nicht gemeint.
Mehrstimmiges Musizieren schweißt zusammen
„Die Basis dieses Zusammenhalts ist das Erlebnis gemeinsamen Musizierens“, sagt Marx. Ein Klavierspieler spiele meist allein, aber die mehrstimmige Musik, die Erfahrung einen Zusammenklang zu schaffen, schweiße zusammen und stifte eine andere, neue Freude an der Musik. Ob 19 oder 82 Jahre alt – die Ensemblemitglieder verbindet ein enger Zusammenhalt. „Bei uns gibt es kein Konkurrenzdenken, wir helfen einander“, sagt die Posaunistin Carolin Welnhofer-Schultz. „Wir haben schon so viel zusammen durchgestanden, nicht allein in der Musik, sondern auch im Leben. Da sind tiefe Freundschaften entstanden.“
Über die Jahrzehnte begleitete der Musikzug mit Pauken und Trompeten das Leben in der Gemeinde – ob bei Vereinsumzügen und -festen, beim Vogelschießen, Sportfesten oder Laternenumzügen. Er verwandelt mit Trompeten, Posaunen, Flügelhörnern, Tuba, Klarinetten, Flöten und Schlagzeug Termine in Ereignisse.
Vor 100 Jahren wurde in einer Küche an der Höppnerallee geprobt
Doch seit der Zeit, als sie noch in der Küche des Wehrführers Emil Krüger an der Höppnerallee geprobt haben, bis heute, wo sich die Musiker zum Üben im Gerätehaus am Fritz-Specht-Weg treffen, hat sich viel verändert: Immer wieder kämpfte das Ensemble dabei auch mit dem Mangel an neuen Musikern. 1978 schlossen sich deshalb die Musikzüge der Feuerwehren Wentorf und Börnsen zu einem zusammen.
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Heute ist kein Mitglied des Musikzuges noch gleichzeitig aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Einzig Vize-Wehrführer Stephan Petersen fungiert gleichzeitig als organisatorischer Leiter des Ensembles, nachdem sich sein Vorgänger Erich Kann 2021 dazu entschlossen hatte, im Alter von 80 Jahren etwas kürzerzutreten und sich seitdem nur noch auf sein Posaunenspiel konzentriert. „Für mich war das Musizieren immer ein schöner Ausgleich zu meiner anderen verantwortungsvollen Aufgabe als Wehrführer und auch zum Berufsleben“, sagt er. Aber in früheren Zeiten habe es noch nicht so viele Einsätze und auch nicht so viel Technik in der Wehr gegeben wie heute.
Verliebt in den warmen, weichen Klang des Horns
Der ehemalige Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr (von 1988 bis 2000) ist heute der älteste Musiker im Ensemble, der 19 Jahre alte Luca Unrau zählt zu den jüngsten. Er habe bereits im Alter von fünf Jahren Klavierunterricht gehabt, erzählt der junge Wentorfer. Doch schon als Kind hat es ihm das Waldhorn angetan: „Ich fand den warmen, weichen Klang so schön“, verrät er. „Und dabei ist es geblieben.“ Schon mit neun Jahren unterrichtete Andreas Marx ihn, jetzt ist er ein vollwertiges Ensemble-Mitglied.
Marx wirbt um weitere Mitglieder, rechnet aber nicht damit, dass sich so junge Menschen melden. „Die Jugendlichen haben oft bis 16 oder 17 Uhr Schulunterricht“, weiß er. „Sie schaffen es nicht, sich zusätzlich noch mit einem Instrument zu beschäftigen. Aber vielleicht Leute um die Anfang 30, die schon immer ein Instrument lernen wollten. Die sind bei uns richtig.“ Er bringe Interessierten bis zu 50 Jahren alles bei. „Wir brauchen eigentlich alles außer Hörnern und Posaunen“, stellt der musikalische Leiter und Komponist fest. Die Instrumente werden gestellt, geprobt wird dienstags um 19 Uhr im Feuerwehrhaus (Fritz-Specht-Weg 3).
Hier gibt es die Eintrittskarten
Wer sich anhören möchte, was der Musikzug so spielt, sollte sich die Konzertkarten für Sonnabend, 18. November, besorgen (Beginn ist um 16 Uhr). Sie kosten 10 Euro und sind in der Buchhandlung Bücherwurm am Casinopark (Zollstraße 7) und im Gemeindebüro Börnsen (Börnsener Straße 21) erhältlich. Vielleicht geht es Zuhörern wie Carolin Welnhofer-Schultz: „Meiner Mutter zuliebe habe ich Klavier gelernt, aber eigentlich wollte ich mein Leben lang Posaune spielen. Als ich schon zwei Kinder, Haus und Hof hatte, habe ich es endlich wahr gemacht.“ Sie habe gleich gewusst: „Das ist es!“ Noch heute freut sich die 60-Jährige auf jede Probe und jeden Auftritt.