Wentorf. Feuerwehrleute werden immer öfter bepöbelt, bespuckt und tätlich angegriffen. Wie sie zukünftig geschützt werden sollen.
Sie lassen alles stehen und liegen, wenn der Pieper geht und sind auch nachts um 4 Uhr zur Stelle, um Feuer zu löschen. Feuerwehrleute retten Leben und befreien Mensch und Tier aus Notlagen. Sie leisten eines der wichtigsten Ehrenämter überhaupt. Doch immer öfter werden sie selbst Opfer von Gewalt.
Erst im April wurden drei Feuerwehrleute aus Wentorf während eines Einsatzes an der Golfstraße von einem 22-Jährigen aus Dassendorf tätlich angegriffen, bepöbelt, beleidigt und bespuckt. Einen der Feuerwehrleute, einen 34-jähriger Wentorfer, drückte der Dassendorfer sogar gegen die Wand. Grund für dessen Aggressionsausbruch war eine einfache Straßensperrung, die der 22-Jährige, der zu Fuß unterwegs war, partout nicht umgehen wollte. Die Wehr hatte die Straße nach einem Sturm sperren müssen, da vier Bäume auf die Straße zu kippen drohten und gefällt werden mussten.
Übergriff eines Dassendorfers (22) auf Wentorfer Feuerwehr hat ein Nachspiel
Trotz aller Widerstände ging der 22-Jährige stur durch die Absperrung, lieferte sich anschließend eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei und wurde später in Reinbek gefasst. Die Übergriffe auf die Feuerwehrleute hat nun ein Nachspiel: Der Fall wird in Kürze vor dem Amtsgericht in Reinbek verhandelt.
Dort wurde bereits im Juli ein renitentes Rentnerpärchen zu einer Geldstrafe verurteilt, das eine Polizistin während eines Einsatzes in Glinde schlimmst beleidigt, beschimpft und sogar nach ihr getreten hat.
Solche Gewaltausbrüche gegenüber Rettungskräften gibt es immer häufiger, die Zahl ist seit Jahren steigend. Laut einer aktuellen Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschlands wurden bundesweit 80.000 Helfer –darunter 76.000 Polizisten, 2100 Rettungskräfte und rund 1000 Feuerwehrleute – im Jahr 2022 angegriffen. Zahlen, wie viele Feuerwehrleute aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg davon betroffen sind, hat Kreiswehrführer Sven Stonies nicht. Er verweist aber auf die bundesweite Umfrage, die der Bundesfeuerwehrverband unter den Wehren derzeit durchführt. Jeder Feuerwehrmann, jede Feuerwehrfrau ist aufgefordert, seine Gewalterfahrung während eines Einsatzes zu melden – vom verbalen Ausbruch wie Beleidigungen und Bedrohungen über tätliche Angriffe mit Waffen oder Fahrzeug bis hin zu organisierter Gewalt. Die Umfrage soll dem Verband erstmalig belastbare Zahlen liefern, um gegenüber Politik und Zivilgesellschaft weitere Maßnahmen einfordern zu können.
„Unser Glück ist, dass wir bei unseren Einsätzen viele sind“
Für Sven Stonies ist das ein wichtiger Schritt. Er wirbt unter seinen 129 Wehren im Kreis dafür, sich an der Umfrage zu beteiligen. „Denn egal an welchem Ort es passiert: So ein Verhalten gegenüber den Einsatzkräften ist unverständlich, nicht hinnehmbar und inakzeptabel. Die Entwicklungen erreichen eine Dimension. Dem muss unbedingt Einhalt geboten werden“, sagt er auf der jüngsten Jahresversammlung.
Wie das gelingen kann, darauf hat Landesbrandmeister Frank Homrich auch keine richtige Antwort. „Das Problem ist ja ein gesamtgesellschaftliches und hat viel mit verloren gegangenem Respekt zu tun“, sagt Homrich. Denn nicht nur Rettungskräfte sehen sich mit dem respektlosen Verhalten konfrontiert. Er habe als Kind noch gelernt, dass man im Bus für ältere Mitfahrer den Platz freimacht. „Heute steht kaum einer mehr auf“, sagt der Feuerwehrmann aus Wedel.
Das Thema zunehmende Gewalt gegen Rettungskräften nimmt der Landesfeuerwehrverband Schleswig-Holstein aber sehr ernst und erarbeitet aktuell ein Infoblatt mit Tipps, wie Retter mit ausfälligen Gaffern, pöbelnden Passanten und aggressiven Autofahrern am besten umgehen. „Aus dem Weg gehen, deeskalieren“, ist wohl die wichtigste Botschaft, die Homrich den rund 200 anwesenden Feuerwehrfrauen und -männern des Kreises Herzogtum Lauenburg auf ihrer Mitgliederversammlung mit dem auf dem Weg gibt. „Unser Glück ist, dass wir bei unseren Einsätzen viele sind“, sagt Homrich ihnen Mut. Die Besatzung eines Rettungswagens habe es da schon schwerer.
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Ein weiteres Glück ist, dass die Übergriffe im Ländlichen, wo die Wehr noch ein fester Bestandteil des dörflichen Lebens ist, weniger zahlreich sind. „In Städten wie Berlin ist die Lage eine ganz andere“, sagt der oberste Feuerwehrmann im Land. Gewaltfrei ist die Welt hier im Norden aber auch nicht. Homrich berichtet von einem Vorfall an Silvester in Elmshorn, bei dem ein Feuerwehrmann während eines Einsatzes mit einer Waffe bedroht wurde. Die stellte sich am Ende zwar als Schreckschusspistole heraus. „Das wusste der Feuermann aber nicht, als er in den Lauf der Waffe blickte“, sagt Homrich. Aufgrund solcher Vorfälle kam in Feuerwehrkreisen nun die Idee auf, Feuerwehrkräfte ähnlich wie Polizisten mit kugelsicherer Weste und Body-Cam auszustatten. Davon hält Homrich aber wenig, er setzt eher auf Deeskalationsseminare.
Vorfälle, bei denen Schusswaffen im Spiel waren, haben die Wentorfer Feuerwehrleute glücklicherweise noch nicht erlebt. „Aber wir verzeichnen seit einigen Jahren, dass die Stimmung aggressiver wird, die Menschen schneller gereizt sind“, sagt Natascha Pätzold, Sprecherin der Wehr. Vor allem bei Straßensperrungen reagierten die Verkehrsteilnehmer zunehmend ungehaltener. Sie erinnere sich gut an die Sperrung des Reinbeker Wegs nach einem Wasserrohrbruch. „Einige Autofahrer haben die Sperrung überhaupt nicht ernst genommen und sind über den Fußweg weitergefahren“, erinnert sich Pätzold. Verständnis haben die Rettungskräfte für solches rücksichtsloses Verhalten nicht. „Schließlich sperren wir die Straße ja nicht zum Spaß“, sagt Pätzold.