Ratzeburg/Geesthacht. In Schleswig-Holstein soll Telenotfallmedizin den Rettungsdienst entlasten. Was geplant ist und welche Regionen teilnehmen könnten.

Rettungsdienste und die vor zwei Jahren neu geordnete Notarztversorgung stehen heute gleich dreifach auf der Tagesordnung des Haupt- und Innenausschusses im Kreis Herzogtum Lauenburg. Im öffentlichen Teil geht es um die Gebühren für Einsatzfahrten, vor allem aber um eine technische wie organisatorische Neuerung unter der Überschrift Telenotfallmedizin.

Notfallmediziner sollen künftig von Lübeck oder Kiel zu Einsätzen vor Ort zugeschaltet werden können. Hinter verschlossenen Türen geht es zudem um die Verträge für die Notarztversorgung im Kreisgebiet.

Schleswig-Holstein: Notarzt hilft per Telefon – neues Modell für den Norden?

Die sahen nach langen Auseinandersetzungen um die Neuordnung seit 2022 eine Kooperation zweier Krankenhäuser für den Südkreis vor, dazu die Übernahme der Notarztversorgung für den Nordkreis durch das Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck. Das UKSH trägt dafür Sorge, dass die in Ratzeburg und Mölln stationierten Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) durch entsprechend qualifizierte Mediziner besetzt sind. Das kleine DRK-Krankenhaus Ratzeburg-Mölln sah sich nach dem vom Kreis geforderten Verzicht auf freie Mediziner nicht länger in der Lage, die Notarztversorgung im Nordkreis allein mit angestellten Ärzten sicherzustellen.

Notärzte: Reinbek und Geesthacht kooperieren

Befürchtungen, es ginge im nichtöffentlichen Teil um die Aufkündigung der Versorgungsverträge, scheinen aktuell unbegründet. Für den Südkreis kooperieren seit 2022 das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht und das deutlich größere Krankenhaus St. Adolf-Stift in Reinbek, um die notwendigen Notärzte aufzubieten. Mit rund 30 qualifizierten Medizinern können beide Krankenhäuser zusammen die Besetzung der zwei an den Kliniken stationierten Notarztwagen das Jahr über sicherstellen.

Zu den Details könne er nichts sagen, da die Vorlage nichtöffentlich ist, antwortet Kreissprecher Tobias Frohnert auf Nachfrage. „Die Laufzeit der jeweiligen Verträge endet am 31. Dezember 2024, kann aber durch den Kreis durch Erklärung um zwei Jahre verlängert werden.“

Verlängert der Kreis Notarztverträge vorzeitig?

Andrea Schulz-Colberg, Sprecherin des Krankenhauses Reinbek, weiß um die Situation. „Der Kreis Herzogtum Lauenburg hat die Option, den aktuellen Vertrag vorzeitig zu verlängern. Tut er dies nicht, müsste er die Leistung bereits zu Anfang 2025 neu ausschreiben.“

Aus Sicht des St. Adolf-Stifts hat sich die Kooperation mit dem Johanniter-Krankenhaus Geesthacht bewährt: Die Notarztdienste könnten alle abgedeckt werden – rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr. Schulz-Colberg: „Es gibt Tage, an denen der Notarzt nur zu ein bis zwei Einsätzen herausfahren muss, an anderen sind es fünf oder mehr.“

Retter machen nicht an Kreis- oder Landesgrenzen Halt

Die Kooperation mit Geesthacht verteile die Belastung. „Wir können von unserer Rettungswache aus die Kollegen im Nachbarkreis unterstützen und entlasten.“ In der Realität mache die Arbeit der Rettungskräfte aber weder an Kreis- noch an Landesgrenzen Halt, betont Schulz-Colberg: „Wenn nötig, fahren unsere Retter auch Einsätze in Bergedorf, umgekehrt Hamburger Rettungswagen im Kreis Stormarn.“

Mit dem Durchschneiden des roten Bandes Ende August haben Landrat Christoph Mager (v. l.),  Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze und Krankenhauschef Frank Germeroth die Rettungwache am Johanniter-Krankenhaus offiziell eingeweiht.
Mit dem Durchschneiden des roten Bandes Ende August haben Landrat Christoph Mager (v. l.), Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze und Krankenhauschef Frank Germeroth die Rettungwache am Johanniter-Krankenhaus offiziell eingeweiht. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Dass sowohl der Kreis Herzogtum Lauenburg wie auch Stormarn Interesse hat, vom Aufbau eines Telenotarztsystems zu profizieren, war ihr dagegen neu. „Auch das macht Sinn. Etwa für den Fall, dass für einen zusätzlichen Einsatz kein Notarzt schnell vor Ort sein kann.“

Telenotärzte: Vier Städte und drei Kreise wollen kooperieren

Das gelte auch für die beabsichtige Zentralisierung des Angebotes. Zunächst einmal ist vorgesehen, für die interessierten drei Kreise und vier kreisfreien Städte zwei Zentralen in Lübeck und Kiel einzurichten. Angebunden an die Berufsfeuerwehren der beiden größten Städte des Landes und mit Sitz in den jeweiligen Einsatzleitzentralen sollen entsprechend geschulte Notfallmediziner auf Anforderung die Arbeit der jeweiligen Retter vor Ort unterstützen.

Vorbild soll – zunächst – nicht das System in den USA sein. Dort werden seit Jahren Sanitäter vor Ort durch Telemedizin unterstützt, ja in vielen Regionen sind keine Notärzte für den Einsatz vor Ort verfügbar.

USA: Mehr Telemedizin, aber weniger Notärzte

„Das Konzept der Telenotärzte ist bereits in Aachen erprobt, funktioniert dort sehr gut“, erläutert Kreissprecher Frohnert. „Dadurch können einige Einsätze auch ohne begleitenden Notarzt gefahren und so Kapazitäten gespart werden. Die Rettungskräfte haben aber dennoch im Zweifel oder bei Komplikationen die Möglichkeit zur Rücksprache mit einem Notarzt.“

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Die Beteiligten machen Druck. Obwohl die Teilnahme des Kreises Herzogtum Lauenburg erst heute, Montag, 27. November, im Hauptausschuss (Beginn 17.30 Uhr, Kreishaus Ratzeburg) beraten werden soll, ist als Starttermin bereits der 1. Januar 2024 vorgesehen. Tatsächlich handelt es sich zunächst jedoch um einen Grundsatzbeaschluss. Die Erarbeitung der Details sowie die Schaffung der technischen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen müssen die Beteiligten noch bewältigen.

Telenotärzte sollen sich zunächst abwechseln

Wobei die beiden Zentralen in Kiel und Lübeck zunächst abwechselnd die telemedizinische Versorgung sicherstellen sollen. Stoßen weitere Kreise hinzu oder wächst der Bedarf, ist ein Ausbau möglich. Zunächst einmal müssten aber Rettungskräfte wie Mediziner für die Nutzung des Telenotarztsystems entsprechend geschult werden. Das ist angesichts der Personalknappheit keinesfalls trivial, wie neben Schulz-Colberg auch Frohnert weiß: „Notärzte sind eine wirkliche knappe Ressource:“