Schwarzenbek/Lauenburg/Geesthacht. Wo andernorts Zelte aufgestellt und Hallen belegt werden, beweisen die Kommunen im Herzogtum, was mit guter Planung möglich ist.
Ob Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und Konfliktregionen wie Syrien, Irak, Yemen oder Tschad, Menschen, die aus religiösen Gründen oder ihrer Volkszugehörigkeit verfolgt werden, wie von der Militärjunta in Myanmar, sowie diejenigen, die vor Hunger oder drückender Armut nach Deutschland fliehen: Immer mehr Kommunen senden Warnsignale, dass ihre Aufnahmemöglichkeiten erschöpft sind. Im Kreis Herzogtum Lauenburg haben viele Verantwortliche Vorsorge getroffen: Die Unterbringung in Turnhallen oder gar in winterfesten Zelten, wie in manchen Kommunen Realität oder in Vorbereitung, ist bislang kein Thema.
Flüchtlinge Herzogtum Lauenburg: Gute Planung schafft ausreichend Unterkünfte
Kiel hat reagiert, schafft zu den bestehenden fünf Erstaufnahmen des Landes mit 7200 Plätzen eine weitere in Glücksstadt. Ziel sind 10.000 Plätze. Aktuell sind rund 6400 belegt. Zu rund 35.000 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sind 2023 bislang gut 7000 Asylsuchende ins Land gekommen. Im ganzen Jahr 2022 waren es 5600.
Auf dem Flüchtlingsgipfel vergangene Woche in Kiel gab es neue Zahlen. Dem Herzogtum werden demnach bis Jahresende bis zu rund 320 weitere Menschen zur Unterbringung zugewiesen. Ihnen standen zum Stichtag 12. Oktober gut 200 freie Plätze gegenüber, so der Kreis auf Nachfrage. 80 neue werden in zwei Kommunen in den kommenden Wochen fertig, 50 weitere sollen von Januar an folgen.
320 weitere Flüchtlinge bis Jahresende?
„Zahlen sind nicht alles, und sie sind auch nicht statisch“, stellt Karsten Steffen von der Kreisverwaltung klar. Verschiedene Gegebenheiten müssten berücksichtigt werden, etwa Ethnien, die miteinander im Konflikt liegen, besser nicht gemeinsam unterzubringen. Oder spezielle Bedarfe für geflohene Frauen oder Familien mit Kindern.
Die Gemeinschaftsunterkunft des Kreises in Gudow ist durch weitere Wohncontainer ergänzt worden. Gudow wie auch das Kreishaus in Ratzeburg waren Anfang Oktober Ziel von NDR-Teams. Steffen: „Die Journalisten haben einen Tag lang die Ankunft von gut 50 Flüchtlingen begleitet.“
Dezentrale Unterbringung hat weiter Priorität
Die Metropole Hamburg hat gerade damit begonnen, bis zu 470 Neuankömmlinge in Messehallen unterzubringen. Das Kontrastprogramm aus dem Herzogtum machen viele Beteiligte möglich. So etwa in der Stadt Geesthacht. „Oberste Priorität ist noch immer die dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen“, betont Stadtsprecher Torben Heuer.
„Zusätzlich steht die (Container-)Unterkunft in der Mercatorstraße zur Verfügung. Es wird weiter daran gearbeitet, auch künftig die Nutzung von Sporthallen nicht in Anspruch zu nehmen.“ Um die hohen Zahlen bewältigen zu können, bittet die Stadt Vermieter, weiteren geeigneten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die gleiche Bitte richtet die Gemeinde Büchen an ihre Bürger.
„Die Wohnungssuche wir immer schwieriger“
In Lauenburg leben knapp 500 geflüchtete Menschen. Bisher gelang es, alle dezentral in 80 von der Stadt angemieteten Wohnungen unterzubringen. „Auch wenn Vermieter gern an die Stadt vermieten, die Wohnungssuche wird immer schwieriger“, sagt Bürgermeister Thorben Brackmann. „Wir konkurrieren mit Menschen in unserer Stadt, die auf preiswerten Wohnraum angewiesen sind.“
„Viel mehr Flüchtlinge können wir nicht aufnehmen. Die schon da sind, müssen erst mal integriert werden“, so Brackmann. In der Stadtverwaltung würden viele personelle Ressourcen durch die Flüchtlingsaufnahme gebunden – für die Herrichtung und Ausstattung der Wohnungen wie für deren Vergabe.
Alte Realschule soll nur im Notfall wieder als Unterkunft dienen
Etwas mehr als 400 Flüchtlinge sind derzeit dezentral im deutlich größeren Schwarzenbek untergebracht, die größte Gruppe sind knapp 300 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. „Die Lage ist sehr dynamisch. Wir sind ständig auf der Suche nach weiterem Wohnraum, können aber auch auf die alte Realschule als Sammelunterkunft zurückgreifen“, sagt Petra Scheerer, Leiterin des Fachdienstes Öffentliche Sicherheit und Soziales im Rathaus.
Die Stadt will nur im äußersten Notfall die alte Realschule dafür nutzen – auch wenn das vor einem Jahr auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle aus der Ukraine kurzzeitig nötig war. Damals waren 15 Menschen in den Räumen an der Berliner Straße untergebracht, bevor die Stadt Wohnungen für sie gefunden hatte.
Das 2015 hergerichtete Gebäude diente erstmals 2022 als Notunterkunft
Die alte Realschule steht seit 2009 leer. Sie wurde 2015 während der ersten großen Flüchtlingswelle – bedingt unter anderem durch den Krieg in Syrien – zur Sammelunterkunft umgebaut. Erstmals genutzt wurde sie für diesen Zweck erst 2022.
„Wir haben dort aktuell 50 Plätze, denken aber über eine Erweiterung auf 70 nach“, sagt Scheerer. Möglich wird das durch die Schließung der Corona-Impfstation, die im Erdgeschoss untergebracht war. „Allerdings ist das keine dauerhafte Unterkunft, sondern kann immer nur eine Übergangslösung sein. Denn es sind keine Wohnungen, sondern letztendlich ehemalige Klassenzimmer.“
Container sind für Schwarzenbek keine Lösung, aber in Dassendorf
Allerdings gibt es dort nicht nur Schlafgelegenheiten und Spinde, die 2022 erneuert wurden, sondern auch Gemeinschaftsküchen und große Waschräume. Eine Containerlösung für die Unterbringung ist in Schwarzenbek indes nicht geplant. Scheerer: „Wir denken angesichts der steigenden Zahlen über alle Optionen nach. Container wären verfügbar, wir haben aber keine geeigneten Flächen, um sie aufzustellen.“
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Anders in Dassendorf. Dort sollen nach erheblichem Vorlauf Wohncontainer für bis zu 48 Flüchtlinge auf einer Fläche hinter dem neuen Rewe-Markt Platz finden. So hat jüngst der Amtsausschuss Hohe Elbgeest beschlossen.
Verzögerungen, weil potenzieller Investor abgesprungen ist
Das Projekt war schon länger in Vorbereitung, doch ist der potenzielle Investor abgesprungen, berichtet Dassendorfs Bürgermeisterin Martina Falkenberg. Die Container sollen entsprechend ausgestattet sein, um für Familien geeignet zu sein. „Wir planen mit jeweils einer Küche, nicht mit einer großen Gemeinschaftsküche, wie sie etwa für die Unterbringung einzelner Männer installiert würde“, sagt Falkenberg, die auch Vorsitzende des Amtsausschusses ist.
Das Vorhaben solle auf zehn Jahre geplant werden. Doch auch für dauerhaft errichtete Notunterkünfte besteht Bedarf. Falkenberg: „In einer vor sieben Jahren in Kröppelshagen errichteten Unterkunft leben heute ehemalige Obdachlose.“