Lauenburg. Mutig übernahm Monika Horstmann nach dem Tod ihres Mannes die Verantwortung – in einer Männerdomäne. Schwierig, aber mit Erfolg.

Wenn in Lauenburg von Traditionsunternehmen die Rede ist, dann ganz sicher auch von der Tischlerei Horstmann. Am 29. November 1893 meldete der Tischlermeister Friedrich August Horstmann die Bau- und Möbeltischlerei Horstmann beim Lauenburger Magistrat an. Sein Enkel Erwin Horstmann wird Jahrzehnte später sagen: „Seit Generationen haben die Söhne unserer Familie das Tischlerhandwerk erlernt und Verantwortung für die Firma übernommen.“ Was er damals nicht ahnen konnte: 2008 ist es eine junge Frau, die in den schwersten Tagen ihres Lebens allen Mut zusammen nimmt und die Firma gegen alle äußeren Widerstände rettet.

Monika Horstmann war gerade mal 37 Jahre alt, als ihr Mann Martin überraschend verstarb. Der Firmeninhaber hatte kein Testament hinterlassen. Die beiden minderjährigen Söhne Ivo und Ole bekamen einen Vormund, und der bestand darauf, dass die Firma verkauft werden müsse.

Die gelernte Schreinerin war es zwar gewohnt, sich in ihrem Beruf gegen männliche Vorurteile zu behaupten. Aber eine Tischlerei führen? Dass sie heute mit ihren Mitarbeitern das 130-jährige Bestehen des Unternehmens feiern kann, ist auch ihr ganz persönlicher Triumph.

Die Anmeldung der Tischlerei Horstmann vom 29. November 1893 beim Lauenburger Magistrat
Die Anmeldung der Tischlerei Horstmann vom 29. November 1893 beim Lauenburger Magistrat © privat | Privat

„Wir müssen zusammenhalten. Papa hätte es so gewollt“

In der großen Werkhalle der Tischlerei herrscht rege Betriebsamkeit. Ein Duft von frisch geschnittenem Holz liegt in der Luft. Riecht man das nach so vielen Jahren eigentlich noch? Klar, sagt Monika Horstmann und lacht. Einmal Schreinerin, immer Schreinerin. Wenn man genau hinhört, kann man ihren süddeutschen Dialekt noch raushören.

Es war die Liebe, die sie nach Norddeutschland führte. Dass sie allerdings einmal selbst in die Firmenleitung einsteigen würde, war so nicht vorgesehen. Als Martin Horstmann im Jahre 2000 die Firma übernahm, kümmerte sie sich um den Bürokram des Unternehmens. Schließlich waren da ja auch noch die beiden Kinder Ivo und Ole, für die sie Zeit haben wollte.

Acht Jahre später dann der Schicksalsschlag. Viel Zeit blieb der damals 37-Jährigen nicht, den Tod ihres Mannes zu betrauern. „Wir müssen zusammenhalten, Papa hätte es so gewollt“, sagte sie ihren beiden Jungs, die damals gerade 13 und 14 Jahre alt waren. Diesen Mut versuchte sie auch in der Firma zu vermitteln.

So stand sie vor den Mitarbeitern, eine kleine zierliche Frau, aber mit einer Entschlossenheit, die auch die Mitarbeiter überzeugte. Guido Neumann erinnert sich genau an diesen Tag vor 15 Jahren. „Wir wussten, dass wir jetzt an einem Strang ziehen müssen“, erinnert er sich. Der 48-Jährige gehört noch heute zum Team.

„Die Maschine können Sie doch eh nicht bezahlen“

Monika Horstmann denkt oft an diese Zeit zurück. An einer der Maschinen in der Werkhalle hängt ihr Herz besonders. „Dies ist eine liegende Plattensäge. Die hatte mein Mann noch bestellt. Kurz vor seinem Tod ist die Maschine geliefert worden“, sagt sie. Wenige Tage später sei ein Mann der Lieferfirma aufgetaucht und wollte sie wieder abholen. „Die können Sie doch eh nicht bezahlen“, sagte er.

Doch Monika Horstmann konnte. Sie konnte sogar noch viel mehr, als sie sich damals selber zugetraut hatte. Mittlerweile steht das Unternehmen wirtschaftlich wieder auf sicheren Beinen. Wohl auch, weil ihre Söhne von Anfang an mitzogen. „Sie sind damals schnell erwachsen geworden“, sagt die heute 53-Jährige. Ivo Horstmann hat seinen Bachelor of Arts in Betriebswirtschaft und eine Ausbildung zum Schreiner gemacht. Ole Horstmann hat den Gesellenbrief ebenfalls in der Tasche und ein duales Studium im Fachbereich Engineering Innenausbau absolviert. „Die beiden sind jetzt so weit, dass sie den Betrieb gemeinsam übernehmen können“, sagt Monika Horstmann. Sie selbst will sich in Kürze in die zweite Reihe zurückziehen.

78 Jahre lang war die Neustadt Sitz der Tischlerei Horstmann. Erst als im Jahre 1971 das Lauenburger Industriegebiet erschlossen wurde, zog die Firma an die Söllerstraße.    
78 Jahre lang war die Neustadt Sitz der Tischlerei Horstmann. Erst als im Jahre 1971 das Lauenburger Industriegebiet erschlossen wurde, zog die Firma an die Söllerstraße.   © Elke Richel | Elke Richel

Die Themen Tradition und Nachhaltigkeit sind wichtig

Firmengründer August Horstmann würde sich wohl verwundert die Augen reiben, könnte er sehen, welche Entwicklung der Familienbetrieb in den vergangenen 130 Jahren genommen hat. Das Thema Nachhaltigkeit liegt Monika Horstmann besonders am Herzen. Auch in modernen Tischlereibetrieben gilt: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Doch die werden in der Firma nicht einfach entsorgt, sondern vollständig für die Wärmegewinnung des Betriebsgebäudes genutzt. Außerdem ist der Fuhrpark der Firma inzwischen komplett auf Elektrofahrzeuge umgestellt. Der Strom für die Produktion wird zum großen Teil über eine Photovoltaikanlage erzeugt.

Doch es gibt in den beiden Werkhallen an der Söllerstraße nicht nur einen modernen Maschinenpark. Zwischendrin stehen Werkbänke, an denen wahrscheinlich Söhne, Enkel und Urenkel des Firmengründers ihr Tischlerhandwerk lernten. Auch Monika Horstmann kennt sich damit bestens aus. Während ihrer Ausbildung zur Schreinerin wurde ihr vom Meister nichts geschenkt. „Ich musste mir den Respekt bei einigen männlichen Kollegen damals erst erarbeiten“, erinnert sich die 53-Jährige. Das tat die zierliche Frau auch, indem sie sich schwere Arbeiten nicht abnehmen ließ. „Mit gewissen Techniken und technischen Hilfsmitteln kann man auch als kleine Frau alles tragen“, sagt sie. Heute hat sie den Ausbildungsschein in der Tasche. Ihre Azubis – darunter auch immer wieder Mädchen – glänzen regelmäßig mit ihren Gesellenstücken vor den Prüfern.


Firma Horstmann fertigt Einrichtung für das Medienzentrum

Über die wirtschaftliche Situation der Firma will sich Monika Horstmann nicht beschweren. „Man merkt schon, dass besonders private Haushalte derzeit den Euro dreimal umdrehen, aber langfristige Verträge sichern uns im Moment eine gute Auftragslage.“ Derzeit haben die elf Mitarbeiter und fünf Auszubildenden gut zu tun. Eine große Hotelkette hat eine neue Inneneinrichtung bestellt.

Ein anderer Auftrag liegt der Firmenchefin besonders am Herzen: Die Firma Horstmann ist von der Stadt Lauenburg beauftragt, das Mobiliar, die Bühne und die Regale für das neue Medienzentrum Stappenbeck als Maßanfertigung zu produzieren. „Diesen Auftrag zu bekommen, war uns besonders wichtig. Das sind wir uns selbst als Lauenburger Traditionsunternehmen schuldig“, sagt sie.