Lauenburg. „Kinderstube der Demokratie“: Verein Wabe Lauenburg fährt in neuer Kita den Betrieb hoch und stellt sein besonderes Konzept vor.
In nur wenigen Monaten war der Rohbau für die neue Kita hochgezogen. Viele Lauenburger Familien hatten den Baufortschritt ständig im Blick. Schließlich ist die Warteliste auf einen Kitaplatz in Lauenburg lang. Vor Kurzem hat die Einrichtung des Vereins Wabe ihre Betriebserlaubnis erhalten. Bald werden hier, am Glüsinger Weg, bis zu 145 Kinder toben, spielen, basteln oder einfach still vor sich hinträumen. Platz dafür gibt es genug.
Die Eröffnung der Kita erfolgte nicht mit einem großen Paukenschlag. Im Moment kümmern sich sechs Erzieherinnen um 19 Kinder. In den nächsten Wochen unterschreiben weitere Mitarbeiter ihren Arbeitsvertrag mit der Wabe. Nach und nach können dann auch mehr Kinder aufgenommen werden. Bisher glich die Zusage für einen Kitaplatz einem Sechser im Lotto. Die Plätze werden ausschließlich über die Seite www.kitaportal-sh.de vergeben. Für Freitag, 3. November, lädt das Team der Kita zu einem Tag der offenen Tür ein. Zwischen 15 und 18 Uhr können sich Interessierte ein Bild von der neuen Kita machen. Unsere Redaktion hat sich vorab einmal umgesehen.
Kinder haben ein Gespür für ihre Bedürfnisse
„Gern die Schuhe ausziehen oder Überzieher überstreifen“, bittet Wabe-Sprecherin Claudia Janson. Das gilt für alle, die das Haus betreten – ob Kinder oder Erwachsene. Es gibt also doch Regeln in der Kita, die dafür wirbt, Kindern größtmöglichen Entfaltungsspielraum zu geben, mit möglichst wenig Vorgaben. „Natürlich haben wir Strukturen, sonst funktioniert das Zusammenleben ja nicht. Kinder haben ein natürliches Gefühl dafür. Aber sie wissen auch instinktiv, was ihnen in ihrer jeweiligen Entwicklungsphase am besten weiterhilft“, erklärt Melanie Schröder, die pädagogische Fachberaterin der Wabe.
Gruppenräume gibt es hier nicht, auch keine altersgemäße Aufteilung der Kinder. Nur die ganz Kleinen haben ihren eigenen Krippenbereich. Hier ist alles noch eine Nummer kleiner. Es gibt Wickelkommoden, winzige Toiletten und sogar ein Planschbecken. Das ist bei den Kindern besonders beliebt, gerade in der Eingewöhnungsphase. „Mama und Papa werden beim Planschen im warmen Wasser meist gar nicht mehr so doll vermisst“, sagt die Fachberaterin. Es ist Mittag. Sieben der derzeit acht Krippenkinder schlafen tief und fest. Nur ein kleiner Junge ist putzmunter, er klebt bunte Schnipsel auf ein Blatt Papier. Gezwungen zum Schlafen wird hier niemand.
Viel Raum für den Bewegungsdrang
Auch im Krippenbereich, in dem mal bis zu 30 Kinder aufgenommen werden können, gibt es Räume, in denen die Kleinkinder ihren Bewegungsdrang ausleben, spielen, schlafen oder sich einfach nur ausruhen können. An einer Tür steht „Pikler-Raum“. Die 1984 verstorbene ungarische Kinderärztin Emmi Pikler widmete sich besonders der Entwicklung von Kleinkindern. Sie erkannte bereits in den 1920er-Jahren, dass man schon sehr kleinen Kindern freien Raum geben sollte. Sie vertrat die Ansicht, dass aus zu sehr gegängelten Säuglingen später unselbstständige, ungeschickte und in ihrer Bewegung geschädigte Menschen würden. Im „Pikler-Raum“ gibt es Kletterbrücken und Tunnel, die auf weichen Matten stehen.
Die Drei- bis Sechsjährigen im sogenannten Elementarbereich könnten sich nach dem Mittagessen auch ausruhen, wenn sie wollten. Doch darauf haben sie offenbar überhaupt keine Lust. Aus dem Bewegungsraum klingt Musik und Kinderlachen. Der vierjährige Endrik breitet die Arme aus und tanzt vor der Spiegelwand für sich allein. Aaron ist gerade mutig auf die höchste Stufe der Kletterbrücke gekrabbelt. Jetzt steht der ganz oben und überlegt, ob er den Sprung auf die Matte wagen soll oder besser nicht. Erzieherin Natalie Ekkart steht neben ihm. Sie drängt ihn nicht. Die anderen Kinder warten geduldig in der Schlange. Dann springt der Dreijährige und strahlt über das ganze Gesicht. Die gemütliche Schaukel ist der Lieblingsplatz von Zlata. Die Fünfjährige spricht und versteht nur Italienisch und ist deshalb noch ein bisschen schüchtern. „Das ändert sich. In ein paar Wochen plappert sie Deutsch. Das geht bei Kindern ganz schnell“, weiß Natalie Ekkart. Der große Bewegungsraum ist derzeit der erklärte Lieblingsplatz der Kinder.
Forschen, Bauen, Sprache lernen
Es gibt aber noch weitere spannende Bereiche auf dieser Etage. Im „Forscherraum“ sieht es aus wie in einem kleinen Labor. Wer will, kann hier Matsch mit Farbe mischen oder sich unter Anleitung an Experimenten versuchen. Im „Bauzimmer“ gibt es echte kleine Sägen, Hämmer und Zangen. Hier, das wissen die Kinder, müssen die Sicherheitsregeln beachtet werden. Unter Anleitung entstehen hier in Zukunft sicher tolle Bastelarbeiten. In der Kita Wabe gibt es sogar ein Kaminzimmer. Natürlich sind die lodernden Flammen nicht echt. Aber gemütlich ist es hier auf jeden Fall. Das finden auch der vierjährige Maximilian und sein ein Jahr älterer Freund Alperen. Sie haben gerade keine Lust, im Bewegungszimmer zu toben. „Liest du uns vor?“, fragen sie und breiten für Kita-Leiterin Nadine Lorenzen ein weiches Lammfell aus.
Auf einen Termin freuen sich nicht nur die Kinder, sondern auch die Erzieherinnen. In den nächsten Tagen nimmt der TÜV den großen Spielplatz hinter der Kita ab und hat hoffentlich keine Beanstandungen. Hier gibt es viel Platz zum Toben. Die Spielgeräte sind aus Holz und lassen der Fantasie viel Raum. Herbstliches Wetter ist übrigens kein Grund, nicht ins Freie zu gehen. Kinder, die möchten, können hinterher in die Sauna gehen oder im Storchengang durch das Kneippbecken waten.
Essen und Theaterspielen im Kinderrestaurant
Einer der schönsten Räume in der neuen Kita ist das Kinderrestaurant. Das Mittagessen wird in der bio-zertifizierten Küche der Wabe-Kita Neuer Mohnhof in Bergedorf frisch gekocht und jeden Tag angeliefert. Eine Besonderheit gibt es in diesem Restaurant übrigens: Die Kinder können hier auch selbst kochen und backen – natürlich unter Anleitung. Der kleine Backofen wurde bereits eingeweiht. Die selbst gebackenen Haferkekse waren schnell weggenascht. Im hinteren Teil des Kinderrestaurants gibt es eine abteilbare Theaterbühne. Kreative Rollenspiele sind ein weiteres Angebot für die Kinder in der neuen Kita. Auch Musizieren und Singen steht auf dem Programm.
Die neue Einrichtung ist die zweite Kita des Vereins Wabe in Lauenburg. Das pädagogische Konzept orientiert sich an der bestehenden Kita am Birnenweg. Die bezeichnet sich gern als „Kinderstube der Demokratie“. Dahinter steckt die Idee, dass Kinder – wenn man sie lässt – ein gesundes Gespür für ihre eigenen Bedürfnisse haben. Sie sollen selbst entscheiden, wann sie essen oder schlafen wollen, wer sie trösten oder mit ihnen Geburtstag feiern darf, wann sie draußen toben oder lieber drinnen singen wollen.
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Zweiter Platz beim „Deutschen Kita-Preis“ für das Konzept
Die Mitarbeiter der Kita verstehen sich als Lernbegleiter und Impulsgeber für die Kinder. Für dieses Konzept gab es vor drei Jahren den zweiten Platz beim Wettbewerb um den Deutschen Kita-Preis. Die Leiterin der neuen Wabe-Kita, Nadine Lorenzen, ist vom Prinzip der offenen Pädagogik überzeugt. „Nach einem Praktikum während meiner Ausbildung stand für mich fest, dass das meine Sache ist“, sagt die 34-Jährige. Umso mehr nach einem kurzen Abstecher in eine Kita mit Gruppenstruktur.
Sie freut sich darauf, am Tag der offenen Tür das Konzept nicht nur Eltern, sondern vielleicht auch künftigen Kolleginnen und Kollegen zu erläutern. Die müssen übrigens nicht unbedingt ausgebildete Erzieher sein. „Es gibt auch für Quereinsteiger viele Möglichkeiten, sich zu qualifizieren“, sagt sie. Wer sich näher informieren möchte, kann unter Telefon 04153/5 98 70 13 einen Termin vereinbaren. Eine Kontaktaufnahme ist auch per E-Mail an kita.glu@wabenord.de möglich.