Geesthacht. Der Grabstein des jungen Mannes, der im Zweiten Weltkrieg starb, liegt in Geesthacht. Doch er stammte aus Barmbek. Was nun bekannt ist.
Am 5. März 1944, der Zweite Weltkrieg ist im vollen Gange, stürzte eine deutsche Dornier Do 217J im Vorland des Böhmerwalds (Tschechien) ab. Bei dem Flugzeugabsturz nahe dem Dorf Busanovice kamen zwei der drei Besatzungsmitglieder ums Leben. Einer von ihnen: der 19-jährige Alfred Otto. Fast 80 Jahre später erforscht der tschechische Hobby-Archäologe Jan Vladar die Geschichte der Luftwaffe in den von Deutschland besetzten Gebieten Böhmens und Mährens. Den Grabstein konnte unsere Redaktion in Geesthacht ausfindig machen. Nachdem wir darüber berichtet hatten, ist dank unserer Leser Bewegung in den Fall gekommen. Die Spur führt nach Hamburg, genauer gesagt nach Barmbek.
Aber der Reihe nach. In einem Bericht an das Oberkommando der Luftwaffe vom 14. März 1944 wird als Absturzursache Brennstoffmangel angegeben und sind persönliche Daten der Verstorbenen genannt. Hinter dem Bordmechaniker, dem Gefreiten Alfred Otto, steht in Klammern das Geburtsdatum (12. März 1924) und die Ortsangabe „Geesthacht“. Mit diesen Informationen wandte sich Vladar an Geesthachts Stadtarchivar Dr. Jan Klußmann. Dieser konnte im Standesamt jedoch keine Einträge zu Alfred Otto finden.
Alfred Otto: Der Grabstein in Geesthacht
Mit der Hilfe der Ortsgruppe des Heimatbund und Geschichtsvereins konnte unsere Redaktion, die Vladar kontaktiert hatte, jedoch Ottos schlichten Grabstein auf dem denkmalgeschützten Alten Friedhof ausfindig machen, auf dem seit den 1950er-Jahren keine Beerdigungen mehr erfolgten. Auf dem weißen, rechteckigen Stein sind lediglich Name, Geburts- und Sterbejahr angegeben.
Ausgehend von unserem ersten Bericht hat die Geesthachterin Ingrid Kruse-Walther, sie engagiert sich im Geschichtsverein ihres Heimatortes Cloppenburg, weiter nach Alfred Otto geforscht und konnte über die Plattform „ancestry“ (deutsch: Abstammung), die Sterbeurkunde aus dem Hamburger Staatsarchiv unter dem Eintrag Nr. 739 vom 15. Dezember 1944 ausfindig machen. Dort ist von Geesthacht mit keinem Wort die Rede.
Die Sterbeurkunde führt zu den Eltern
Demnach war Otto Maschinenbaugeselle. Sein vollständiger Vorname lautete Alfred Theodor Carl Otto. Er wurde in Hamburg geboren (Standesamt 22a, Nr. 808). Die letzte bekannte Anschrift war die Diederichstraße 16 in Hamburg. Die Eltern hießen Walther Paul Richard Otto und Clara Helene Anna Otto, geborene Godenschwager.
Ingrid Kruse-Walther stieß ebenfalls auf eine kurze Benachrichtigung der Wehrmacht zum Tod von Alfred Otto. Doch erst ein Hinweis unseres Lesers Michael Bartels stellte die Verbindung nach Geesthacht her. Denn auf der Rückseite der Verlustmeldung gab es noch den handschriftlichen Vermerk „HA: Spakenberg – Geesthacht/Elbe, Mittelstraße 1“. „HA steht für Heimatangehörige“, weiß wiederum Heinz Niemann vom Geesthachter Heimatbund und Geschichtsverein.
Die Verbindung zwischen Geesthacht und Hamburg
Und nun ergibt die Verbindung nach Geesthacht Sinn. „Am Spakenberg haben rund 3000 ausgebombte Hamburger in Behelfsheimen gewohnt, den sogenannten Plattenhäusern. Die Familie von Alfred Otto hat wahrscheinlich dazugehört“, erklärt Helmut Knust, der Vorsitzende des Heimatbund und Geschichtsvereins. Aus den Behelfswohnungen wurde nach dem Krieg das Hamburger Viertel in der Oberstadt. Dort tragen fast alle Straßen heute die Namen von Hamburger Stadtteilen.
Die Diederichstraße gibt es heute nicht mehr in Hamburg. „Nach dem Krieg wurden viele Straßennamen nicht wieder eingerichtet. Die Diederichstraße ist die heutige Beethovenstraße“, weiß Reinhard Otto von der Geschichtswerkstatt Barmbek, der mit Alfred Otto weder verwandt noch verschwägert ist. Den Nachnamen „Otto“ gibt laut geneanet.org, einer Seite von Ahnenforschern, in Deutschland 84.278-mal.
Die frühere Hausnummer 16 der Diederichstraße liegt schräg gegenüber vom Tierarzt Westphalen (Beethovenstraße 62) zwischen den Häuserblocks mit der Anschrift Imstedt 9a-e und 11 a-e. „Das Gebiet gehörte früher dem Hufner Diederich Deseniß. Nach den neuen Regeln für Straßennamen durfte er nur noch eine Straße ,behalten‘. Das war die Desenißstraße, die es immer noch gibt“, erklärt Richard Otto. Eine große Infotafel zu der Geschichte des Viertels hängt am Mundsburg Center.
Rätsel des zweiten Grabsteins gelöst
„Die Familie von Alfred Otto hatte womöglich nicht viele Verbindungen nach Geesthacht und ist nach dem Krieg wieder zurückgezogen. Wenn diese Plattenhäuser frei wurden, sind dort meist Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten eingezogen“, weiß Helmut Knust. Und an dieser Stelle kommt jetzt Familie Kroll ins Spiel. Auf dem Alten Friedhof liegt ein zweiter Grabstein in einer gemeinsam umfassten Grabstelle. Der Name Bertha Kroll (1896-1948) ist gut leserlich, Hedwig Kroll (wahrscheinlich 1892-1980) nur zu erahnen.
Aufschluss zu den Krolls kann unser Leser Michael Harder aus Kirchwerder geben, der sich telefonisch gemeldet hat. „Bertha Kroll war meine Urgroßmutter und Hedwig eine Großtante. Eine Verbindung mit den Ottos gibt es nicht“, stellt er klar. Bertha Kroll war mit ihrer Familie, dazu gehört auch Harders 87-jährige Mutter, aus Pommern nach Geesthacht gekommen. „Meine Mutter kann sich nur erinnern, dass eine ältere Frau das Grab von Alfred Otto gepflegt hat.“
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Wer weiß etwas zum Verbleib der Eltern?
Ob Verbindungen zu anderen Personen mit dem Nachnamen Otto in Geesthacht bestehen, ist unbekannt. „Die Familie Otto aus der Großen Bergstraße 28 (heute Johannes-Ritter-Straße, die Red.), das waren Fischhändler“, ließ der Geesthachter Jörg Peper (91) übermitteln.
Bleiben die Eltern von Alfred Otto. Von diesen ist bekannt, dass Vater Walther Otto am 7. Juni 1885 in Wandsbek geboren und am 26. September 1973 in Hamburg gestorben ist. Von der Mutter Clara ist lediglich das Geburtsdatum bekannt: der 23. September 1897.
Wer Angaben zu Alfred Otto oder dessen Eltern machen kann, meldet sich bitte bei dirk.schulz@bergedorfer-zeitung.de oder telefonisch unter 04152/83 88 21.