Schwarzenbek. Nach einem Jahr Pause gibt es wieder einen historischen Kalender mit Bildern aus der Stadt. Was dieses Mal im Mittelpunkt steht.
Bahnlärm und der starke Durchgangsverkehr sind Themen, die in Schwarzenbek immer wieder für Diskussionen sorgen und die Forderungen nach der jetzt im Bau befindlichen Umgehungsstraße und die Verbesserung des Lärmschutzes an der Bahnlinie Hamburg-Berlin über Jahrzehnte bestimmt haben.
Besonders schlimm war es in Schwarzenbek bis zum Jahr 1992, als die Brücke über die Bahnlinie eingeweiht wurde. Denn bis dahin war Schwarzenbek weit über die Stadtgrenzen hinaus wegen der teils kilometerlangen Staus vor der Schranke an der Compestraße berüchtigt.
Historischer Kalender: Viel Verkehr macht Schwarzenbek zur Stadt
Diese Themen spiegeln sich auch im neuen Schwarzenbek-Kalender für das Jahr 2024 wider, den Gisela Berger, Vorsitzende der Ortsgruppe des Heimatbundes und Geschichtsvereins jetzt gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Armin Borchardt zusammengestellt hat. Zu sehen sind unter anderem der berüchtigte Bahnübergang mit offenen Schranken, die Stallungen des Hotels Stadt Hamburg, der Kaiserhof und die Möllner Straße als Luftbild.
Die Auswahl der Bilder für neue Kalender wird immer schwieriger
„Wir haben uns schwer damit getan, einen weiteren Kalender herauszugeben, weil es kaum noch historische Bilder gibt, die wir in den vergangenen 15 Jahren nicht gezeigt haben. Deshalb hatten wir für 2023 auch keinen Kalender zusammengestellt. Jetzt haben wir in den Archiven unserer Mitglieder und alter Schwarzenbeker doch noch einige Schätze aus der Vergangenheit gefunden. So hatten wir letztlich 50 Bilder in der engeren Wahl, aus denen wir dann den Kalender erstellt haben“, sagt Gisela Berger, die intensiv von Thomas Evers, Mitinhaber der Buchhandlung LeseZeit in ihrem Projekt bestärkt wurde.
„Als der Kalender für 2023 nicht erschienen ist, hatten wir diverse Nachfragen von Kunden, warum das so ist. Der Kalender hat unter den alt eingesessenen Schwarzenbekern viele Fans, weil er bei ihnen Erinnerungen an die Jugend weckt. Ob die Bilder genau datiert werden können, ist ihnen relativ egal“, sagt Thomas Evers.
Historische Kalender hat zahlreiche Fans unter älteren Schwarzenbekern
Doch gerade in diesem Punkt hat Hobbyhistorikerin Gisela Berger (73) hohe Ansprüche. „Ich will genau wissen, von wann die Bilder sind und was sie ganz genau zeigen“, sagt die pensionierte Finanzbeamtin. Eine ungefähre Zuordnung reicht ihr nicht aus. Deshalb finden viele Bilder auch keinen Platz in den Kalendern des Heimatbundes.
Nun können Thomas Evers und viele Schwarzenbeker aber aufatmen. Der Kalender 2024 ist gedruckt, 75 Exemplare sind zunächst in der Buchhandlung „LeseZeit“ am Markt 3 erhältlich. „Weitere Kalender können problemlos gedruckt werden. In den vergangenen Jahren haben wir immer zwischen 150 und 200 Exemplare verkauft“, so die gebürtige Schwarzenbekerin.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verdoppelte sich die Einwohnerzahl schlagartig
Die insgesamt 13 Bilder reichen bis in die 1950er-Jahre zurück. Damals hatte Schwarzenbek eine erste Bevölkerungsexplosion hinter sich, bedingt durch die zahlreichen Flüchtlinge zum Ende der Zweiten Weltkriegs. Gab es um 1800 noch 395 Einwohner, so waren es um 1900 im immer noch stark landwirtschaftlich geprägten Dorf bereits knapp 1000. Die Zahl wuchs kontinuierlich bis 1945 an, dann verdoppelte sie sich schlagartig auf 7000 Menschen.
Auf diesem Niveau bewegte sich Schwarzenbek auch 1953 zur Stadtwerdung, der Zeit, aus der die meisten Bilder im Kalender stammen. Heute sind es übrigens durch die zahlreichen neuen Baugebiete rund 17.500 Menschen geworden. „Die Neubürger haben allerdings wenig Interesse an historischen Bildern aus ihrer neuen Heimat. Viele Neubürger stammen aus Hamburg und orientieren sich auch immer noch in diese Richtung“, sagt Buchhändler Evers. 200 verschiedene Bildkalender hat er aktuell im Angebot, die Impressionen aus Schwarzenbek sind aber seit Jahren ein Renner im Weihnachtsgeschäft.
Schwarzenbek war vor 100 Jahren ein beliebtes Postkartenmotiv
Gisela Berger hat die Bilder und ihre Geschichte im Kalender kurz und knapp beschrieben. Viel aussagekräftiger wird es aber, wenn man die Gelegenheit hat, sich mit ihr zu unterhalten. Denn zu jedem Foto und jedem Ort in Schwarzenbek weiß sie eine Geschichte zu erzählen. So gibt es nicht nur viele historische Bilder aus der Sammlung des Fotografen Wolfgang Lehmann, sondern insbesondere auch zahlreiche Postkarten aus Schwarzenbek.
So hat Vereinsmitglied Gunder Paulsmeier 450 Karten gesammelt, die mittlerweile dem Stadtarchiv übereignet wurden. Denn Schwarzenbek hatte viele Durchreisende, die in den Hotels Schröder, Stadt Hamburg oder Kaiserhof Station machten oder aber auch Patienten im Genesungsheim in Kollow.
Von 1890 bis 1930 mehr als 500 Postkartenmotive aus Schwarzenbek
Bis weit in das vergangene Jahrhundert hinein machten dort Mütter Kuren, im Zweiten Weltkrieg war das Heim ein Lazarett. Die Nachfrage nach Postkarten war also gewaltig. „Allein in der Zeit von 1890 bis 1930 gab es mehr als 500 Postkartenmotive aus Schwarzenbek. Lokale Verleger hatten das Geschäft entdeckt und die Karten gedruckt“, berichtet Gisela Berger.
Eine dieser Druckereien war auch im heutigen Geschäft Petty Moden an der Lauenburger Straße untergebracht. Dort hatte die Buchdruckerei Wilke ihren Sitz. Im rückwärtigen Teil des Hauses war übrigens auch viele Jahre die Außenredaktion unserer Zeitung beheimatet, die vor einigen Jahren nach Geesthacht verlegt wurde. Gleich nebenan gab es die alte Marktschule und das Rathaus, das 1983 mit dem Neubau des Rathauses auf dem Ritter-Wulf-Platz Jugendtreff wurde. Heute steht dort ein Geschäftshaus.
Keimzelle der modernen Stadt war die Anspannstation für Kutschpferde
Eine Keimzelle der Stadt war aber auch das Hotel Stadt Hamburg, das bis in die Nachkriegszeit im heutigen Einkaufstreff Passage angesiedelt war. Der Einkaufstreff entstand 1960. Früher waren dort neben dem Hotel Ställe, denn das 1902 erbautet Hotel ging aus einer seit 1838 eingerichteten Anspannstelle für Pferdekutschen hervor. Ein Bild von den Stallungen ist auch im Kalender zu sehen.
Dort war ein wichtiger Haltepunkt auf der Verbindung von Hamburg nach Berlin. Die heutige Brillenschmiede war damals übrigens tatsächlich eine Schmiede, an der die Kutschpferde neu beschlagen wurden. Ihre Bedeutung hat die Anspannstelle ab 1848 allerdings nach und nach verloren, als Schwarzenbek einen Bahnhof bekam und die Bahnverbindung die Kutschen auf der Fahrt nach Berlin ablöste.
- Ein Fotoalbum als Unikat
- In Lauenburgs Kneipen wurde gefeiert und Politik gemacht
- Odyssee durch die wilden 60er- und 70er-Jahre
Den Kalender gibt es für 15 Euro in der Buchhandlung LeseZeit, Markt 3. „Wir verdienen nichts an dem Kalender. Wenn man unsere Arbeitszeit für die Vorbereitung einrechnen würde, wäre es teurer. Wir machen das ehrenamtlich“, betont Gisela Berger. Die 73-Jährige will das Interesse der Schwarzenbeker an ihrer Stadt wecken und hält regelmäßig Vorträge unter dem Motto „Schwarzenbek gestern und heute“ im Amtsrichterhaus. In diesem Jahr ist allerdings kein weiter Vortrag geplant.