Bardowick. Silke Rost bindet Bücher, die nicht nur zu Weihnachten ein edles Geschenk sind. Ihre Leidenschaft teilt sie mit Schülern in Harburg.

  • Silke Rost betreibt mit ihrem Mann in Bardowick bei Lüneburg eine Buchbinderei.
  • Die Maschinen in ihrer Werkstatt sind teilweise mehr als 100 Jahre alt.
  • Ein Trend, den sie noch nicht lange beobachtet, ist die Rückkehr des klassischen Fotoalbums.

Am Anfang ist der Stoff. Wer sich ein eigenes Buch herstellen lässt, fängt nicht mit dem Papier an bei der Auswahl der Materialien, sondern beim Umschlag. Und der kann aus Baumwolle bestehen, Papier oder Pergament – oder Leder, wie das Goldene Buch der Hansestadt Lüneburg. Gebunden haben es Friedemann und Sabine Rost in Bardowick.

Das Material war es, das für Sabine Rost den Ausschlag für die Auswahl ihrer Ausbildung gegeben hat. Das nach Abitur begonnene Studium war ihr zu theoretisch, also brach sie ab und schnupperte per Praktika in diverse Handwerksberufe: Raumausstattung, Goldschmiede, Tischlerei. „In der Buchbinderei spürte ich sofort: Das ist mein Material“, sagt die 45-Jährige, mittlerweile Meisterin ihres Berufs. Außerdem arbeitet sie noch als Lehrerin in Harburg.

Fotoalbum als Weihnachtsgeschenk: Von edel bis poppig ist alles möglich

Ihren Mann und Geschäftspartner Friedemann Rost (48) lernte sie beim Meisterkurs in Münster kennen, sie selbst arbeitete damals noch in ihrem einstigen Ausbildungsbetrieb im Hamburger Schanzenviertel, er bei einer städtischen Buchbinderei „auf Schalke“, anders gesagt im Ruhrgebiet.

Die Auswahl an Stoffen für den Einband reicht von pinker Baumwolle bis zu braunem Leder.
Die Auswahl an Stoffen für den Einband reicht von pinker Baumwolle bis zu braunem Leder. © HA | Carolin George

Sie gebürtig aus Berlin, er aus Wolfenbüttel, waren sich beide schnell einig: Für die geplante Selbstständigkeit soll es ein Ort in Norddeutschland sein. Gegen Hamburg sprachen die bereits ansässigen anderen Buchbindereien, und Lüneburg gefiel den beiden als Stadt so gut, dass sie kurzerhand in die Salzstadt zogen und sich von dort aus nach Räumlichkeiten für die geplante Werkstatt umsahen. Sie fanden sie in Bardowick, und seit fast zehn Jahren leben sie auch privat dort, mit zwei Töchtern.

Altes Handwerk, mit Liebe gemacht – mit mehr als 100 Jahre alten Maschinen

Ihre Maschinen sind teilweise mehr als 100 Jahre alt, gekauft im Jahr ihrer Heirat: „Unsere Hochzeitsreise bestand darin, eine Buchbinderei auszuräumen und zu uns zu transportieren“, erinnert sich Sabine Rost mit einem Lachen. Die Buchbinderei war im 19. Jahrhundert gegründet worden und seither in Familienbesitz, entsprechend historisch und gut gepflegt war ihre Ausstattung.

In alten Holzschränken verbergen sich unzählige Bleibuchstaben in verschiedenen Schriftarten.
In alten Holzschränken verbergen sich unzählige Bleibuchstaben in verschiedenen Schriftarten. © HA | Carolin George

In der Konfirmationszeit prägen sie bestehende Gesangsbücher mit Namen und zum Beispiel Taufspruch. Sie drucken nicht, sie prägen: Die Bleibuchstaben werden per Prägepresse in das Material gedrückt, dazwischen liegt eine Folie. Durch die Erhitzung der Presse auf 100 bis 120 Grad löst sich die Wachsschicht von der Folie, die darunter liegenden Farbpigmente lösen sich und haften auf dem Grund.

„Das klassische Fotoalbum kommt zurück“, sagt Sabine Rost

Außerdem gehen viele Aufträge für Buchreparaturen ein. Und, dieser Trend besteht seit einiger Zeit: „Das klassische Fotoalbum kommt zurück“, erzählt Sabine Rost. „Das war jahrelang verschwunden, jetzt ist es wieder da.“ Und vor Weihnachten seien wieder verstärkt analoge, gebundene Kalender nachgefragt.

Auch das Nieten zählt zu dem, was ihre Werkstatt als eine von wenigen noch leistet. „Früher wurde genietet, dann genagelt und jetzt geklebt“, sagt Friedemann Rost. „Ist eben viel günstiger.“ Sie selbst aber nieten noch Schachteln und Ordner. „Dafür muss man natürlich das passende Gerät haben.“ Ihres stammt aus dem Jahr 1920.

Bei der Buchbinderei Rost klebt gern einmal ein jeweils zum Thema passender Zeitungsausschnitt an ihrem Arbeitsmaterial.
Bei der Buchbinderei Rost klebt gern einmal ein jeweils zum Thema passender Zeitungsausschnitt an ihrem Arbeitsmaterial. © HA | Carolin George

Hauptwerkzeug in der Buchbinderei ist das Falzbein, hergestellt aus einem Rinderknochen. Zu kaufen gibt es nur Rohlinge, jeder feilt sich sein Bein dann selbst mit Schmirgelpapier. Das und vieles andere erzählt Sabine Rost auch Schülerinnen und Schülern, ob Erwachsenen oder Jugendlichen. Wissen weiterzugeben liegt ihr, einmal die Woche arbeitet sie als Lehrerin für Buchbinden und Kartonage an einer Rudolf-Steiner-Schule in Harburg, dort gibt es das Unterrichtsfach in der elften Klasse. „Bei den Jugendlichen schult es die Feinmotorik, und mir macht es total Spaß.“

Am Wochenende bietet Sabine Rost regelmäßig Kurse für Erwachsene an, es wird dann von Anfang bis Ende ein Produkt hergestellt. Nur den allerletzten Arbeitsgang, den des Trocknens, müssen die Teilnehmenden selbst bei sich zu Hause erledigen. Dort ersetzt ein bestehender Stapel Bücher die massive Presse aus der Buchbinderei. „Und wenn die gerade nicht zur Hand sind“, sagt Sabine Rost und lacht, „tut es auch die Bratpfanne.“

Mit solchen Folien prägen Buchbinder per Prägepresse Buchstaben auf Stoffe und Papier.
Mit solchen Folien prägen Buchbinder per Prägepresse Buchstaben auf Stoffe und Papier. © HA | Carolin George