Geesthacht. Für viele, die einen Hausbau geplant haben, ist der Traum zerplatzt. Wie hoch die Belastung für diejenigen ist, die trotzdem bauen.
Markus Eggers und Haijuan Ding (beide 36) stehen mit den Kindern Lian (4) und Leah (1,5) vor ihrem zukünftigen Haus am Roggenweg 6 in Geesthacht. Das Grundstückim Neubaugebiet Finkenweg Nord fällt mit 450 Quadratmetern deutlich kleiner aus, als die Bergedorfer ursprünglich geplant hatten. Es ist eines der Zugeständnisse, damit sie sich das Eigenheim überhaupt noch leisten können. Inflation und hohe Zinsen machen privaten Bauherren das Leben seit dem Ukraine-Krieg schwer. „Seitdem ist die Nachfrage teilweise um 80 bis 90 Prozent zurückgegangen“, berichtet ein ehemaliger Hausverkäufer der Redaktion.
Nicht umsonst hatte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Montag, 25. September, zum „Baugipfel“ ins Kanzleramt geladen. Beim „Bündnistag bezahlbarer Wohnraum“ sollte es darum gehen, mehr staatliche Hilfen zum Bau oder Kauf der eigenen vier Wände zu schaffen. Denn während sich einige wie Familie Eggers-Ding bis zur Decke strecken müssen, um sich den Traum vom Eigenheim verwirklichen zu können, mussten andere ihn aus finanziellen Gründen begraben. „Wir merken das besonders bei gebrauchten Objekten, die sich viele nicht mehr leisten können“, sagt Christian Holst, Inhaber von Burth-Immobilien. Dabei sei der Preis einer Bestandsimmobilie innerhalb eines Jahres um fast zehn Prozent gefallen.
Immoblilien: Inflation und hohe Zinsen machen es Bauherren schwer
Betroffen seien Kunden, deren Budget zwischen 300.000 und 400.000 Euro liege. Das günstigste neue Einfamilienhaus im Finkenweg Nord in Geesthacht kostet laut Holst dagegen eine halbe Million. „Hierfür ist augenscheinlich noch ein Markt vorhanden. Beim Verkauf der Grundstücke sind wir so gut wie durch. Hauptklientel sind Kunden, die im östlichen Hamburg leben und zwei Mitglieder im Haushalt gut verdienen“, sagt Holst.
Markus Eggers ist studierter Wirtschaftsingenieur und arbeitet als Kundenbetreuer für Windenergieanlagen, seine aus China stammende Frau ist Sachbearbeiterin bei einem asiatischen Lebensmittelhändler. Nach einer Zeit in China wohnen sie seit Sommer 2019 wieder in einer Drei-Zimmer-Wohnung in Bergedorf. Seitdem haben sie den Wohnungsbaumarkt beobachtet. „Um ein Gefühl dafür zu bekommen“, wie der in Geesthacht aufgewachsene Eggers sagt.
Vor der Krise waren Grundstücke oft überzeichnet
An der Lippenkuhle in Escheburg hätten sie gerne gebaut oder in Börnsen ein Haus gekauft, beides zerschlug sich. In Escheburg bekamen sie keinen Zuschlag, beim Haus passte letztlich das Gesamtpaket nicht. Deshalb versuchten sie es in Geesthacht. „Wir hatten aber gar nicht so viel Hoffnung, weil die Grundstücke maßlos überzeichnet waren“, ergänzt Eggers. Sprich: Es gab deutlich mehr Interessenten als Grundstücke. Anfang September 2022 erhielten sie aber doch ein Angebot im Finkenweg Nord auf der Gerner-Seite.
Hintergrund: Im Finkenweg Nord verkauft die Gerner Projekt KG 44 Baugrundstücke für Einzel-, Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser. Weitere 47 Baugrundstücke für Einzel- und Doppelhausbebauung für private Bauherren sowie sieben Grundstücke für Reihen- oder Mehrfamilienhäuser veräußert Burth-Immobilien im Auftrag der GVE, einer Tochtergesellschaft der Stadt Geesthacht. Die Gerner-Grundstücke sind in der Regel größer.
Bauherr Markus Eggers: „Bauchschmerzen haben wir bis heute“
Doch dann stiegen ab Frühjahr 2022 die Baukosten. „Die Zinsen sind ja praktisch wöchentlich hochgegangen. Ende Oktober haben wir dann abgesagt. Es klappt einfach nicht“, erinnert Markus Eggers. „Daraufhin kam das Angebot von Burth, und es gab ein kleines Zins-Plateau. Da wussten wir zwar nicht, ob es die richtige Entscheidung ist, aber wir haben gesagt: Wir machen es jetzt“, so der 36-jährige Familienvater. Ganz ohne Bauchschmerzen? „Bauchschmerzen haben wir bis heute“, räumt Eggers ein.
Zumal das Grundstück um 200 Quadratmeter kleiner geworden ist, auf dem sie auch noch zwei vorgeschriebene Stellplätze unterbekommen müssen. „Da bleibt vom Garten nicht viel übrig. Aber das ist dann einer der Kompromisse“, sagt Eggers. Die Familie hat auch Rücklagen aufgelöst, die für die Altersvorsorge gedacht waren, um ihr Eigenkapital zu erhöhen. Zudem macht sie Abstriche beim Innenausbau.
„Die Keramik-Arbeitsplatte in der Küche musste zurückstecken, auch die Armaturen sind erst mal Standard“, nennt der Bauherr zwei Beispiele. Die Finanzierung ihrer Stadtvilla mit rund 150 Quadratmetern Wohnfläche ist auf 27 Jahre angelegt. Die Laufzeit des ersten Kredits beträgt zehn Jahre. „Ich habe den Vergleich zu Bekannten, die schon 2020 bei Cuxhaven gebaut haben. Das tut schon ein bisschen weh, wenn man die Preissteigerung sieht“, sagt Markus Eggers.
Finanzierung der Immobilie: Monatliche Belastung von 2000 Euro die Regel
Der eingangs erwähnte Hausverkäufer hat inzwischen die Branche gewechselt, er verkauft jetzt Photovoltaik-Anlagen. Die aktuelle Zurückhaltung bei Häuslebauern kann er nachvollziehen. „Wer bei den Zinsen heute eine 3 vor dem Komma hat, kann glücklich sein“, sagt er und nennt ein Rechenbeispiel. „Wenn man mal von 600.000 Euro für Haus, Grundstück und alle Nebenkosten ausgeht und für Zinsen und Tilgung von zusammen fünf Prozent ausgeht, dann ist das eine monatliche Belastung von 2500 Euro.“ Unter 2000 Euro geht aktuell wenig.
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Wie man eine wirksame Entlastung schaffen könnte, weiß Christian Holst. „Bei Erstkauf und Eigennutzung müsste man die Grunderwerbssteuer auf null setzen. Das entlastet vor allem die Käufer von gebrauchten Objekten. 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer für ein 300.000-Euro-Objekt sind 21.000 Euro – das würde schon was bringen“, sagt Holst, der bemängelt, dass beim „Baugipfel“ im Kanzleramt weder der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW noch der Eigentümerverband Haus & Grund vertreten waren.
Für Familie Eggers-Ding kommt das ohnehin zu spät. Sie können voraussichtlich im Mai 2024 in ihre Immobilie im Roggenweg einziehen. Das Richtfest ist für Ende Oktober anvisiert. Aktuell ist die Zwischendecke gezogen und laufen Klinkerarbeiten am Haus.