Landkreis Harburg. Mit 1000 neuen Ladestationen vom Sorgenkind zum Vorreiter – für eine Ladenetz-Offensive hat der Landkreis den Finger in die Wunde gelegt.

  • Der Landkreis Harburg hinkt beim Ausbau des E-Ladenetzes bisher hinter
  • Das soll sich schnell ändern – die Gemeinden und der Kreis wollen 1000 neue Ladesäulen schaffen
  • Wie der Masterplan die öffentlichen Ladestationen für Elektroautos klug im Kreisgebiet verteilen will

Ein E-Auto fahren ohne Hausanschluss – das ist in der Region bisher nur schwer möglich. Insbesondere im ländlichen Raum fehlen öffentliche Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge. Aber auch der Bezirk Harburg hinkt beim Ausbau des Ladenetzes weiterhin hinterher. Da überrascht es, dass sich der Landkreis Harburg und seine Gemeinden kürzlich zum „Vorreiter in Niedersachsen“ in Sachen Ladeinfrastruktur erklärten.

Bisher landet der Landkreis Harburg nämlich weit hinten im Ladenetz-Ranking der deutschen Kreise und Städte. Viele E-Autos kommen auf wenige Ladepunkte, die Zahl der Gemeinden ganz oder fast ohne öffentliche Lademöglichkeiten ist groß. Doch das soll sich jetzt ändern – mithilfe des sogenannten „Ladeinfrastrukturkonzepts“. Ein Plan für den strategischen Ausbau des Ladenetzes in allen Gemeinden bis 2030. Die Städte Buchholz und Winsen verfolgen mit ihren Stadtwerken eigene Pläne.

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Elektroautos: Das optimale Ladesäulen-Netz für den Landkreis Harburg

Unsere interaktive Karte zeigt, wie die Kommunen im Landkreis Harburg mit Ladepunkten ausgestattet sein müssen, um den errechneten Bedarf im Jahr 2030 abzudecken. Per Klick auf die Symbole erfahren Sie auch, wie viele Ladepunkte derzeit tatsächlich existieren:

Mit dem Papier wollen die Kommunen die Verkehrswende mit dem Ziel von bundesweit einer Million öffentlichen Ladepunkte vor Ort anpacken. Und das bedeutet im ersten Schritt, alle Zahlen auf den Tisch zu legen: Wo gibt es bereits öffentliche Ladestationen? Wie viele müssen innerhalb der nächsten sechs Jahre gebaut werden, um den künftigen Bedarf der E-Autofahrer zu decken? Und wo genau müssen die Säulen stehen?

Wenig überraschend ist der Nachholbedarf riesig, wie die Analyse zeigt. Beispiel Tostedt: Im Gebiet der Samtgemeinde werden künftig mehr als 200 Ladepunkte benötigt. Derzeit gibt es dort drei elektrische Zapfhähne. Ähnlich ist die Lage in Seevetal und Neu Wulmstorf.

Ladesäulen-Mangel: Mehr als 1000 Ladepunkte müssen entstehen

Die Bilanz in E-Ladepunkten: Bislang sind im Landkreis – ohne Buchholz und Winsen – 120 Ladepunkte vorhanden. Den Berechnungen zufolge müssen bald kreisweit mehr als 1200 zur Verfügung stehen, um den Bedarf zu decken. Unsere Tabelle zeigt die vorhandenen und geplanten Lademöglichkeiten pro Samtgemeinde oder Einheitsgemeinde:

Zum Stichtag 31. Dezember 2023 deckt der Landkreis Harburg insgesamt 17 Prozent der im Jahr 2030 notwendigen Ladekapazität ab. Bisher sind die Angebote sehr ungleich verteilt: Im Vergleich der Samt- und Einheitsgemeinden schneidet aktuell Rosengarten mit 65 Prozent gedeckter Ladekapazität am besten ab, Hollenstedt mit 0 Prozent am schlechtesten.

Wo 524 potenzielle Standorte – für Schnell- und Normalladestationen

Diese und viele weitere Zahlen stecken im detaillierten „Ladeinfrastrukturkonzept“, das die Gemeinden und die Kreisverwaltung gemeinsam mit der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr ausgearbeitet und im April 2024 vorgelegt haben. Mit dem Vorstoß erklärt sich der Landkreis Harburg zu den ersten Kommunen im Bundesland, die dem Aufruf der Bundesregierung nachkommen, lokale Masterpläne für den Ausbau des Ladenetzes zu entwickeln.

Der Plan soll verhindern, dass der Ausbau des Ladenetzes nach dem Gießkannenprinzip oder ausschließlich entlang prominenter Standorte in Ballungsräumen oder Autobahnnähe erfolgt. Um flächendeckend Investoren zu gewinnen, haben die Kommunen den künftigen Ladebedarf bis auf Ebene kleinerer Ortsteile erhoben und bereits 524 potenzielle Standorte für Ladeinfrastruktur innerhalb des Landkreises Harburg identifiziert. Auch die Mischung verschiedener Ladeleistungen (von 11 bis 150 KW) – also Normal- und Schnellladestationen – berücksichtigt der Plan.

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Öffentliche Ladesäulen sollen im Landkreis Harburg flächendeckend entstehen. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Jetzt ist die private Wirtschaft gefragt

„Laden so einfach wie Tanken“ – damit dieses Ziel des Bundesverkehrsministeriums auch zwischen Heide und Elbe Realität wird, sind im nächsten Schritt die einzelnen Gemeinden und die Privatwirtschaft gefragt. „Das Konzept ist eine wesentliche Grundlage dafür“, sagt Klimaschutzmanager Oliver Waltenrat vom Landkreis. Es solle helfen, „selbsttragende Marktlösungen“ zu finden. Denn insbesondere im ländlichen Raum, wo es keine Stadtwerke mit einem E-Ladeangebot gibt, müssen private Anbieter – wie beim Tankstellennetz – für den Ausbau sorgen und dafür Anreize bekommen.

Elektroautos laden: Ist das Konzept der Gamechanger?

Der Landkreis hatte das Ladenetzkonzept bereits im Sommer 2022 angekündigt. Zu diesem Zeitpunkt hatten gemäß der Angaben der Bundesnetzagentur noch 29 von 42 Einzelgemeinden im Kreis Harburg kein öffentliches E-Ladeangebot. Laut einer Auswertung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) belegte der Kreis im Jahr 2022 noch Platz 363 von 399 Kommunen. Während seitdem vereinzelt Anlagen installiert wurden, soll der Ausbau in den kommenden Jahren im Sinne des Klimaschutzes im großen Stil erfolgen.

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„Als Landkreis Harburg wollen wir bis 2040 klimaneutral werden. Damit wir das erreichen und im Klimaschutz noch weiter erfolgreich sein können, muss sich auch die Mobilität vor Ort verändern“, sagt Oliver Waltenrath. Es komme darauf an, insbesondere die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. „Wir wollen die E-Mobilität weiter vorantreiben.“

Ob das Ladeinfrastrukturkonzept die Trendwende einleiten kann, muss sich zeigen. Als Projektkoordinator will der Landkreis kurzfristig auf Investorenanfragen reagieren und die Entwicklungen überprüfen und einordnen. Rückmeldungen aus den Gemeinden oder Anfragen von Ladenetzbetreibern liegen bisher nicht vor.

Weitere Informationen zum Ladeinfrastrukturkonzept gibt es auf der Website des Landkreises.