Dierkshausen. Spaziergang im Landkreis Harburg führt zur einstigen Copacabana von Dierkshausen – ein verwunschenes Idyll voller Geschichten.
Am Fuße des Töps im Heidedorf Dierkshausen, dort, wo sich der Mühlenbach durch eine sanfte Hügel-Landschaft mit Pferdeweiden schlängelt, führt ein schmaler Wanderweg tief ins Moor. Kiefern, Bruchwald, Moos – und dann plötzlich: eine historische Staumauer mitten in der Wildnis.
Hier, so lässt sich aus der mit dem Ortswappen geschmückten Infotafel schließen, lag mal die Copacabana von Dierkshausen. Ein Sandstrand im Landkreis Harburg, an dem sich vermutlich die Dorfjugend traf, um sich zu sonnen und im klaren Wasser des Badeteichs ein paar Runden zu schwimmen, während die Heidjer des Nachbarorts Hanstedt noch mit einem Bad in der Schmalen Aue Vorlieb nehmen mussten.
Lost Place im Heidedorf Dierkshausen: Natur erobert sich Mauer und Teiche zurück
Heute hat sich die Natur Mauer und Teiche zurückerobert. Geblieben ist ein Lost Place mit besonderer Ausstrahlung.
Alles begann damit, dass der Hamburger Kaufmann Berthold Heilbuth im Jahr 1911 in Dierkshausen ein Haus baute. So ist es der Dorfchronik zu entnehmen, die Gert Battermann zusammengetragen hat. Zur damaligen Zeit wurde Wasser in den meisten Dörfern noch aus dem Hausbrunnen geschöpft.
Selbst im Jahre 1953, als der Wasserbeschaffungsverband Harburg (WBH) gegründet wurde, hatten nur die wenigsten Gemeinden im Landkreis Harburg kleine, lokale Wasserversorgungsanlagen, in denen das Wasser mit dem Windmotor gepumpt wurde. Auf dem Land waren lediglich 19 Prozent der Bevölkerung des Kreises an eine Wasserversorgungsanlage angeschlossen, bilanziert die WBV-Chronik. Das war weit unter dem Durchschnitt in Deutschland.
Fließend Wasser aus dem Hahn, mitten in der Heide: Vor 110 Jahren Luxus pur
Doch beim Hamburger Heilbuth kam tatsächlich schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts fließend Wasser aus dem Hahn, und das mitten in der Heide. Luxus pur. Möglich wurde das mit Hilfe eines besonderen Patents: Der Mühlenbach wurde aufgestaut – mithilfe der aufwendig gestalteten Staumauer, deren Überreste noch heute zu sehen sind. Daraus entstanden zwei Teiche: der Badeteich und ein oberer Teich. Dieser diente der Trinkwasserversorgung des Hanseaten-Hauses, das heute als Ferienresidenz zu mieten ist.
Für den Wassertransport sorgte ein Widder. Das ist eine hydraulische Pumpe, mit der das gestaute Wasser in einen hoch gelegenen Tank transportiert wurde, so beschreibt es Dorfarchivar Battermann. Dieser Tank war mit einem zweiten Tank auf dem Dachboden des Wohnhauses in gleicher Höhe verbunden und spendete in dem darunterliegenden Badezimmer und in der Küche wertvolles Nass.
Dierkshausener Staumauer heute ein Refugium für Vögel, Amphibien, Insekten
Längst ist die Wasserversorgung aus der zentralen Leitung eine Selbstverständlichkeit. Der obere Trinkwasserteich im Dierkshauser Moor vermoost und verlandet, der untere Badeteich ist von Schilf durchwachsen. Kiefern recken ihre Äste über die Staumauer, die sich heute noch überqueren lässt.
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Das einst imposante Bauwerk bröckelt, die Mauern sind porös, weshalb der Wasserpegel des einstigen Badeparadieses stark gesunken ist. Statt für Badefreunde ist die Dierkshausener Staumauer mit ihren Teichen heute ein Refugium für Vögel, Amphibien, Insekten. Und ein im Netz gehyptes Ziel für romantisch veranlagte Wanderfreunde, die im windgeschützten Tal gern eine Pause einlegen.
Ein Lost Place? Ja, aber ein besonders idyllischer.