Hodenhagen. In Hodenhagen hat das Aufräumen begonnen. Parkchef Sepe bedankt sich bei Helfern und sagt: Das alles hätte verhindert werden können.
Es war ein Drama, das zum Jahreswechsel Menschen in ganz Deutschland bewegte: Ein durch tagelangen Dauerregen verursachtes Hochwasser hatte in kürzester Zeit auch den Heide-Ort Hodenhagen und den dortigen Serengeti-Park erreicht. Wassermassen überspülten Teile des Geländes und machten es unbegehbar, in einigen Stallungen drang Wasser ein. Viele Tiere mussten evakuiert werden, andere konnten bleiben, weil Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) und der Freiwilligen Feuerwehren mit Pumpen und Sandsäcken Schlimmeres verhinderten.
„Es war genau an Weihnachten, als das Wasser kam und den Park flutete – zum Glück mussten wir keine Verluste bei den Tieren vermelden“, sagt Asta Knoth, Pressesprecherin des Serengeti-Parks rund vier Wochen nach der Katastrophe bei einem Ortstermin mit dem Abendblatt. Die aufgehende Januarsonne färbt an diesem Morgen den Horizont in den schönsten Farben. Serengeti-Idylle pur?
Hochwasser-Drama im Serengeti-Park: Das große Aufräumen hat begonnen
Nein, Asta Knoth schüttelt den Kopf. „Die Schäden, die das Hochwasser der Flüsse Aller und der Meiße von Ende Dezember bis Anfang Januar hinterlassen hat, ist immens. Danach kam die Kälte und machte alles noch viel schlimmer.“ Seit Wochen laufen die Aufräumarbeiten auf Hochtouren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Parks kämpfen um einen pünktlichen Saisonstart am 16. März.
Die Flutkatastrophe hat Spuren hinterlassen, nicht nur auf dem Gelände. Auch emotional. „Es ist eine Notlage, wie wir sie in der fast 50-jährigen Geschichte des Parks so noch nie erlebt haben“, sagte Parkchef Dr. Fabrizio Sepe inmitten der groß angelegten Rettungsaktion.
Vier Wochen später ist das Abendblatt mit Sepe per Videochat verbunden – er ist aktuell in Frankreich unterwegs, um zwei neue Giraffen nach Hodenhagen zu holen. Und sein Fazit ist so eindeutig wie bitter: „Es war ein Unglück mit Vorhersage. Aber keiner hat die Bedrohung ernstgenommen.“
„Klimawandel macht es notwendig, sich für die Zukunft zu rüsten“
Sepe lebe seit mittlerweile fünf Jahrzehnten im Serengeti-Park, den sein Vater einst errichtete. „Wir hatten noch nie so viel Wasser im Park“, erinnert er sich. Daher habe man in den vergangenen Wochen sehr viele Gespräche geführt, mit Meteorologen, dem Deichverband, Klimaforschern und Politik wie Verwaltung. „Wir werden uns besser rüsten, um unseren Park zu schützen und ich möchte auch die Serengti-Familie in Zukunft vor derartigen Katastrophen schützen. Es tat mir so leid, die Kollegen nach einer harten Saison aus ihrem verdienten Weihnachtsurlaub zu holen“, sagt der Parkchef.
In den kommenden Wochen werde er weiter Gespräche mit Firmen führen, die beispielsweise mobile Deiche und gefüllte Sandsäcke vorhalten und im Ernstfall innerhalb von zwölf Stunden reagieren könnten. „Der Klimawandel macht es notwendig, sich für die Zukunft zu rüsten“, so Sepe.
Seine Warnung vor den Fluten sei immer wieder in den Wind geschlagen worden, sagt ein Experte
Das Hochwasser im Serengeti-Park, eine Katastrophe mit Ansage? Offenbar stimmt diese Einschätzung. „Im Falle eines mehrtägigen Jahrhunderthochwassers läuft Hodenhagen von hinten voll. Das wissen wir seit vielen Jahrzehnten“, hatte Christoph Wasserfuhr, Vorsteher des Deichverbandes Hodenhagen, schon 2017 gewarnt, die „Walsroder Zeitung“ erinnerte gerade erst wieder daran.
Die aktuelle Flut sei noch nicht einmal so ein Jahrhundertereignis gewesen, so der Deichwächter, sondern vielmehr eine Verkettung ungünstiger Wetterereignisse. Seine Warnung vor den Fluten sei immer wieder in den Wind geschlagen worden. Planungen zum Bau eines Speer-Schöpfwerkes, einer Art Staudamm an der Meiße in Hodenhagen, wurden bisher nicht umgesetzt. „Mit so einem Bauwerk wäre der Serengeti-Park weitgehend von Schäden befreit geblieben“, so Wasserfuhr.
„Auch wir kennen die Bedrohung durch Hochwasser seit vielen Jahren und werden jetzt selbst nach Lösungen suchen, um den Park in Zukunft besser vor dem Hochwasser zu schützen“, sagt Fabrizio Sepe.
Der Tierbereich konnte zum größten Teil vor der Flut geschützt werden
Beim Rundgang durch den Park werden die Schäden deutlich. Der Tierbereich konnte glücklicherweise zum größten Teil vor der Flut geschützt werden. Dies ist auch den vielen fleißigen Helferinnen und Helfern des THW, der DLRG und der Feuerwehr zu verdanken, selbst aus dem Landkreis Harburg war die Freiwillige Feuerwehr im Einsatz.
Gemeinsam mit dem Team des Tierparks gelang es, wichtige und wertvolle Tierbestände zu schützen. Lediglich an drei Stallungen seien kleinere Schäden entstanden. „Bis zuletzt haben wir um das Giraffenhaus gebangt. Hätten wir dieses räumen müssen, wäre es nicht verlustfrei abgelaufen“, so Asta Knoth während des Rundgangs durch den Park.
Mitarbeiter in Wathose evakuierten Präriehunde und Erdmännchen
Für die großen und wertvollen Tiere und auch die Gnus, die mit im Giraffenhaus untergebracht sind, gibt es keine Transportboxen von der Stange. „Wir hätten die Tiere sedieren müssen und dann mit dem Radlader aus dem Giraffenhaus in Sicherheit bringen müssen“, erzählt Asta Knoth.
Das Bangen sei über Tage gegangen. „Die Tiere sind sehr empfindlich, sie standen trotz Sandsack-Wall mit den Hufen im Wasser.“ Glücklicherweise sei der Wasserstand am Morgen der Entscheidung leicht zurückgegangen. „So blieb uns diese Maßnahme erspart“, erklärt Knoth.
So hätten lediglich kleinere Tiere ihre Stallungen verlassen müssen. Etwa Lemuren, Varis, Präriehunde und Erdmännchen, insgesamt rund 600 Tiere, bei denen Transportboxen wie bei Haustieren zum Einsatz kamen. Sie wurden durch Mitarbeiter in Wathose durch das stehende Wasser in andere Teile des Parks verlegt.
„Aktuell stehen wir mit dem Rücken zur Wand“, sagt der Parkchef
Ein kräftezehrendes Unterfangen, viele waren zudem persönlich vom Hochwasser betroffen. „Wir sind sehr dankbar, dass alle Mitarbeiter geholfen haben, „sagt Fabrizio Sepe. „Nach dem Rettungseinsatz im Park ging es für einige im eigenen Keller weiter, denn auch diese waren vollgelaufen.“
„Aktuell stehen wir mit dem Rücken zur Wand und hoffen, dass wir Hilfen bekommen, um die Schäden zu beseitigen und die Kosten zu bewältigen. Die Signale sind aber durchgängig positiv“, sagt Sepe im Videointerview und legt seine Stirn in Falten. Denn mag der Tierbereich glimpflich davongekommen sein – der Gästebereich ist es definitiv nicht.
Am Holz der Lodges ist zu sehen, wie hoch hier das Wasser stand
Vor allem der Bereich um die beliebten Masai-Mara-Lodges und einige der Jambo-Lodges seien betroffen, erzählt Sepe. Beim Besuch der Übernachtungshütten wird deutlich, welche Spuren das Hochwasser hier hinterlassen hat.
Böden sind herausgerissen, auch die speziell mit Lehm verputzten Wände der Lodges wurden auf einer Höhe von rund 50 Zentimetern aufgestemmt. Trocknungsmaschinen laufen auf Hochtouren, um die Feuchtigkeit aus den Gebäuden zu bekommen. Am Holz sieht man noch, wie hoch das Wasser in diesen Bereichen stand.
Insgesamt sind 55 Lodges im Park unbewohnbar. „Nach erste Schätzungen wird das Beheben der Schäden zwischen einer und 2 Millionen Euro kosten“, sagt Fabrizio Sepe. „Ich denke aber, dass wir höher liegen werden, bis wirklich alle Schäden behoben sind. Aktuell gehe ich eher von 3 bis 4 Millionen Euro aus.“
„Wir sind aktuell im Wiederaufbau der zerstörten Rezeption und der Lodges“, erklärt Mario Perlitz, seit Oktober 2023 neuer Bereichsleiter Übernachtung und so etwas wie der Hoteldirektor. „Aktuell befasse ich mich vor allem mit den Bauarbeiten und der Materialbeschaffung“, erklärt er und betont: „Wir können alle Gäste beruhigen – wer einen Aufenthalt in der neuen Saison gebucht hat, den werden wir auch unterbringen.“
Alle elektrischen Geräte müssen getauscht werden, von der Minibar bis zur Lampe
Ob es allerdings in den Masai-Mara-Lodges sein wird, ist noch offen. Viele Maßnahmen sind nötig und müssen ineinandergreifen. „Zunächst müssen die Lodges getrocknet und neu gedämmt werden, dann macht eine Firma den speziellen Lehmputz und die Fußböden“, erklärt Perlitz. „Alle elektrischen Geräte müssen getauscht werden, von der Minibar bis zur Lampe. Auch die Matratzen brauchen wir neu, viele mit speziellen Maßen.“
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Zu den Spezialfirmen, die im Park derzeit kräftig zupacken, kommen auch noch die 215 festangestellten Mitarbeiter, die derzeit nicht müde werden, das Gelände wieder präsentabel für die Besucherinnen und Besucher zu machen. Das unter teils abenteuerlichen Verhältnissen: Da sitzen der Assistent der Geschäftsführung und die Geschäftsführung selbst bei tropischen Temperaturen an ihren Schreibtischeb – das ungewöhnliche Klima ist den Trocknungsgeräten zu verdanken, die auch im Verwaltungstrakt im Einsatz sind.
Und dann die Schreibtische selbst: Sie wurden von den Mitarbeitenden auf leere Getränkekisten gestellt, um das kostbare Inventar vor Feuchtigkeit zu schützen. „Ich habe aktuell ein Stehpult“, scherzt Dario Sepe, Neffe und Assistent des Geschäftsführers. „Wir nehmen es wie es kommt, manchmal auch mit Humor. Wir sind schon froh, endlich wieder Strom zu haben.“