Tostedt. Zu den 14 Kindertagesstätten in der Samtgemeinde kommt eine weitere hinzu, die alle anderen übertrifft –auch beim Baupreis.
In der an der Weller Straße in Tostedt entstehenden Kita können nach der zum Jahresende geplanten Fertigstellung zeitgleich bis zu 130 Kinder betreut werden. Damit können zwei Drittel der von den auf der Warteliste stehenden Eltern gewünschten Plätze angeboten werden. Sie verteilen sich auf vier Kindergarten- und zwei Krippengruppen. Die 1876 Quadratmeter umfassende Kita an der Weller Straße liegt auf dem Gebiet der Gemeinde Otter, grenzt aber unmittelbar an die Wohnbebauung der Gemeinde Tostedt an. Energietechnisch wird sie mit Wärmepumpe und Photovoltaikanlage auf dem neuesten Stand sein. Das hat seinen Preis: Mit Kosten in Höhe von 8,16 Millionen Euro wird die Kita an der Weller Straße die Teuerste, aber auch die Modernste der Samtgemeinde Tostedt werden.
Während etwa die Samtgemeinde Hollenstedt verkündet hat, keine weiteren Krippenplätze zu schaffen, möchte Tostedt seine Attraktivität für junge Familien weiter ausbauen. Für die zurzeit in der Samtgemeinde lebenden 1.490 Kinder stehen neben ca. hundert Plätzen in der Kindertagespflege von einem bis sechs Jahren rund 190 Krippen- und 980 Elementarplätze zur Verfügung. Angeboten werden sie von neun kommunalen Kitas und fünf Kitas in freier Trägerschaft mit verschiedenen pädagogischen Ansätzen.
Tostedt investiert in Kitas und will junge Familien für die Samtgemeinde begeistern
Investiert wird nicht nur in den Neubau, sondern auch in die bestehenden Kitas. So wird die Kita in Wistedt um eine Krippengruppe erweitert, so dass dort etwa ab August nächsten Jahres weitere Kleinkinder betreut werden können. Ebenfalls für den Sommer 2025 ist die Fertigstellung der Erweiterung der Kita in Welle um eine Krippen- wie um eine Kiga-Gruppe geplant zur Betreuung von weiteren 40 Kindern. Bereits Mitte diesen Jahres soll in der Kita in Handeloh eine weitere integrative Kindergartengruppe eingerichtet werden.
All das kostet natürlich viel Geld. „Die Kommunen werden von den Kosten überrollt“, sagte Tostedts Samtgemeindebürgermeister Dr. Peter Dörsam bei der Grundsteinlegung für die Kita an der Weller Straße Anfang November. In einem Gespräch mit dem „Hamburger Abendblatt“ erklärte er, früher hätten die Kommunen es noch leisten können, die Kinderbetreuung zu finanzieren, weil der Aufwand geringer gewesen sei. Es habe sich hauptsächlich um vierstündige Betreuungszeiten gehandelt, und es gab nur wenige Krippengruppen.
Da nicht vereinbart wurde, dass die Kommunen Geld vom Landkreis bekommen, habe das Problem jetzt gigantische Ausmaße angenommen. „Insgesamt ist den Kommunen des Landkreises Harburg 2021 ein Defizit in Höhe von 54,4 Millionen Euro entstanden“, so Dr. Peter Dörsam. In der Samtgemeinde Tostedt würden für dieses Jahr fast acht Millionen Euro Defizit für alle Kitas (kommunale und freie) erwartet.
Bürgermeister hofft auf eine Neuverhandlung des Vertrages mit dem Landkreis
Tostedts Samtgemeindebürgermeister hofft auf eine Neuverhandlung des Vertrages mit dem Landkreis, etwa in Anlehnung an das sogenannte „Schulträgermodell“. Dabei tragen die Kommunen die Kosten rund um die Gebäude, während die Kosten für das Personal vom Landkreis übernommen werden. Sein Vorschlag, der auch von allen zwölf Kommunen des Landkreises unterstützt wird, beinhaltet die Übernahme der durch das Land nicht vollständig übernommenen Personalkosten durch den Landkreis. Eine Lösung mit tragbarer finanzieller Beteiligung der Kommunen sei anzustreben.
Der Landkreis habe sich nicht darauf einlassen wollen und die Zuschüsse trotz steigender Kosten „eingefroren“. Die Stadt Buchholz hat daraufhin den Vertrag zum 31. Dezember 2025 gekündigt, genau wie die Stadt Winsen und die Gemeinde Seevetal. Sie alle stehen neuen Verhandlungen offen gegenüber. Dr. Peter Dörsam fasst die von den Kommunen und Städten des Landkreises vertretene Meinung mit den Worten zusammen: „Wir möchten die Kinderbetreuung weiter betreiben, aber mit einer tragbaren finanziellen Basis.“
Kinder, die im nächsten Jahr zur Schule kommen, werden im Kinderland besonders gefördert
Aktuell ist in der Samtgemeinde Tostedt das Kinderland Tostedt in der Poststraße mit 128 Plätzen in zwei Krippengruppen und fünf Elementargruppen und Öffnungszeiten von sechs bis 19 Uhr die größte Einrichtung. 28 Mitarbeiterinnen kümmern sich unter der Leitung von Lukas Lohmann und Rebecca Mahlstedt (Stellvertreterin) um das Wohl der Lütten. Kinder mit Behinderungen werden mit anderen Kindern von einer Heilpädagogin in einer Integrationsgruppe betreut, um sie auf diese Weise zu fördern. Kinder, die im nächsten Jahr zur Schule kommen, werden im Kinderland sprachlich besonders gefördert - eine Aufgabe, die früher die Schulen hatten.
Seit 2016 ist das Kinderland auch Sprach-Kita so wie das Kinderhaus Dieckhofstraße auch. Dieses Programm mit dem Schwerpunkt alltagsintegrierter sprachlicher Bildung des Bundesfamilienministeriums wurde zunächst vom Bund gefördert und jetzt von den Bundesländern. Das jahrelang von der Erzieherin Cornelia Riebesehl betreute Projekt, das Kindern aus benachteiligten Familien oder solchen mit Migrationshintergrund bessere Chancen ermöglichen soll, wird derzeit von Malin Bode betreut.
Leitungsteam des Kinderlandes bemüht sich um harmonische und innovative Führung
Das Leitungsteam des Kinderlandes bemüht sich um eine harmonische und innovative Führung der Kita. Gearbeitet wird an einer pädagogischen Neu-Konzeption. Alle zwei Wochen steht eine zweistündige Dienstbesprechung auf dem Plan. „Je mehr Personen an einem Strang ziehen, um so besser läuft es“, ist Lukas Lohmann überzeugt.
Er ist mit Herzblut Kita-Leiter und engagiert sich in seinem Job sehr. Und so spart er auch nicht mit Kritik: „Von berufstätigen Eltern wird zunehmend verlangt, immer längere Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen, so dass dieser gesellschaftliche Druck auf den Schultern der Kinder ausgetragen wird.“ So manche Politiker fordern nämlich immer längere Öffnungszeiten der Kitas. „Familienfreundlichkeit sieht für mich aber so aus, dass man auch Zeit mit seinem Kind verbringen kann“, bemerkt Lohmann.
Todtglüsingerin erlebte, wie es ist, einen Krippenplatz zu bekommen, wenn man keine Arbeit hat
Nur wer arbeite, bekomme einen Kita-Platz, und wer lange arbeite, sei gesellschaftlich gut angesehen. Davon weiß auch Miriam van Radecke ein Lied zu singen. Die Todtglüsingerin erlebte es, wie schwer es ist, einen Krippenplatz zu bekommen, wenn man keine Arbeit hat. „Auf der Prioritätenliste rutscht man dann ganz nach unten“, berichtet sie. Irgendwann traf sie auf eine Arbeitgeberin in Wistedt, die Verständnis dafür hatte, dass ihre künftige Mitarbeiterin erst dann die Arbeit aufnehmen könnte, wenn Sohn Robin (jetzt drei Jahre) sich in der Kita in Heidenau eingewöhnt hat. Dort, in der „Kinderburg Heidenau“, fühlt Robin sich in der altersübergreifenden Gruppe „Bagaluten“ derart wohl, dass er seine Mutter, wenn sie ihn gerade hingebracht hat, aus der Tür schiebt mit den Worten „Mama geh!“
Und wie beurteilt Mutter Miriam die Kita? „Alles in allem läuft es hier ziemlich gut, und das, was schiefläuft, ist zurückzuführen auf Sachen, die man nicht kontrollieren kann“, so die zufriedene Todtglüsingerin. Damit spielt sie an auf den sicher nicht nur in den Kitas der Samtgemeinde Tostedt während der kalten Jahreszeit herrschenden hohen Krankenstand, der manchmal zu Ausfällen so manch geplanter Veranstaltung oder Überlastung der aktiven Kita-Mitarbeiterinnen führt und zu Frust bei den Eltern, weil sich manche Dinge nicht planen lassen.
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Stefan Walnsch, Erster Samtgemeinderat, möchte das Personal in den Kitas verstärken: „Die Samtgemeinde Tostedt möchte die offenen Arbeitsstellen gern besetzen und freut sich über Bewerbungen, die an die Personalabteilung geschickt werden können.“