Eißendorf. Straße lädt Autofahrer zum Gasgeben ein. Tempolimit müsste von Polizei angeordnet werden – doch die sieht sich an Richtlinie gebunden.
Der Vahrenwinkelweg liegt an der Grenze zwischen Eißendorf und Heimfeld und ist die zweitwichtigste Querverbindung zwischen Ehestorfer Weg und Heimfelder Straße. Die großen Blechlawinen sieht man zwar selten durchrollen, aber wer hier Auto fährt, gibt auch gerne mal Gas.
Dabei liegen an der nur 400 Meter langen Strecke eine Kindertagesstätte und zwei Sportanlagen. Die Kita-Eltern, der Harburger Turnerbund (HTB) und die Bezirkspolitik fordern deshalb hier ein Tempolimit. Das müsste die Polizei anordnen. Doch die hat etwas dagegen.
Vahrenwinkelweg: Ist die HTB-Kita keine schützenswerte Einrichtung?
Weil der Vahrenwinkelweg kaum Anwohner hat und zwei wichtige Straßen verbindet, gilt er als Hauptstraße. Tempo 30 kann man hier nur anordnen, wenn eine schützenswerte Einrichtung – etwa eine Schule, eine Seniorenwohnanlage oder eben eine Kita – an der Straße liegt.
Jedenfalls ist das die Hamburger Interpretation des Straßenverkehrsgesetzes. In anderen Regionen Deutschlands sieht man das anders. In Baden-Württemberg etwa gilt Tempo 30 auch auf diversen schnurgeraden Ortsdurchfahrten mit einstelliger Bundesstraßennummer.
Polizei Hamburg: Eingang der Kita liegt zu weit von der Einfahrt zum Gelände
Hamburg hingegen ist sehr sparsam mit seinen Tempolimits. Die „Hamburger Richtlinien für die Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen“ (HRVV) legen strenge Maßstäbe dafür an, wann beispielsweise eine Kindertagesstätte ein Grund für eine Geschwindigkeitsbegrenzung nach dem bundesweiten Straßenverkehrsgesetz ist.
Die Kindertagesstätte „Haakefüchse“ auf der Sportanlage des Harburger Turnerbundes ist es nicht: Der Eingang der Kita liegt zu weit von der Einfahrt zum Gelände entfernt, heißt es in einer Stellungnahme der Verkehrsdirektion.
In der Tat führt der Weg zur Kita vom Vahrenwinkelweg aus zunächst über eine Einfahrt vorbei an den Besucherparkplätzen des HTB, passiert eine Schranke und geht entlang der Tennisplätze, bis man am Vereinshaus „Jahnhöhe“ ist, wo sich auch die Kita befindet. „Allerdings müssen alle Eltern, die ihre Kinder bringen, diese Einfahrt zum Vereinsgelände auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad nutzen“, ärgert sich der Bezirksabgeordnete Michael Sander (Grüne), Vorsitzender des Harburger Mobilitätsausschusses. „Damit ist die Einfahrt quasi der Kita-Eingang.“
Mit den Bezirkspolitikern möchte die Polizei nicht diskutieren
Sander sorgt sich dabei besonders um Eltern, die ihr Kind mit dem Fahrrad zur Kita bringen. Einen Radweg oder einen Radstreifen gibt es am Vahrenwinkelweg nicht. Auf dem Fußweg darf nur radeln, wer ein fahrradfahrendes Kind begleitet. Kleinkindeltern, deren Nachwuchs im Kindersitz oder im Fahrradanhänger sitzt, müssen die Straße nutzen. „Allein deshalb wäre Tempo 30 sinnvoll“, sagt er. „Aber auch, um mit Kindern zu Fuß sicher die Straße zu überqueren.“
Was Sander besonders ärgert: Er hat die Polizei in seinen Ausschuss eingeladen, damit sie dort ihren Standpunkt erläutert, doch die will niemanden schicken. In zwei Stellungnahmen zur Forderung der Bezirksversammlung seien die Sach- und Rechtslage hinreichend erläutert, heißt es in einem Schreiben der Verkehrsdirektion an Sander.
Nun müssen auch Polizeibeamte mit ihren Dienststunden haushalten. Aber nicht ins direkte Gespräch mit den Verkehrspolitikern zu gehen, deutet darauf hin, dass die Verkehrsdirektion fest auf ihrem Standpunkt beharren wird. Anders als Bezirksbehörden ist die Polizei als Landesbehörde nicht verpflichtet, sich mit der Bezirksversammlung zu beraten.
Nicht nur Kita-Kinder sind betroffen, sondern auch junge Sportler
Torsten Schlage, Geschäftsführer des HTB, weist darauf hin, dass die Verkehrssituation vor der Jahnhöhe nicht nur die 110 Kita-Kinder und ihre Eltern betrifft: „Von Frühjahr bis Herbst trainieren hier allein auf den Fußballplätzen gut 400 Kinder zweimal pro Woche, hinzu kommen mindestens 100 in den Kampfsportarten und noch einige andere“, sagt er. „Die meisten von ihnen werden nicht gebracht, sondern kommen ganz altmodisch mit dem Fahrrad, zu Fuß oder mit dem Bus. Auch für die würde ich mir einen sicheren Vahrenwinkelweg wünschen.“
Direkt am Vahrenwinkelweg liegen auch die Leichtathletikanlage der Turnerschaft Harburg, sowie ein Waldspielplatz. „Wäre die letzte Neuerung des Straßenverkehrsgesetzes schon gültig, könnte man wegen des Spielplatzes ein Tempolimit anordnen“, sagt er. „Aber das Gesetz wird im Bundesrat blockiert. Unter anderem, weil Hamburg sich enthält.“
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Tempo 30 dürfte den Vahrenwinkelweg verändern. Üblicherweise wird auf so geraden Strecken ein Tempolimit nicht nur mit Schildern angeordnet, sondern auch mit Einbauten in der Straße, wie etwa Verkehrsinseln, durchgesetzt. „Gut vorstellen könnte ich mir eine Querungshilfe am Gelände-Eingang“, sagt Michael Sander.