Stade/Hamburg. Niedersachsen erhöht Gelder für den Süden. Ob das reicht, bleibt fraglich. Ein Blick auf die Mammutaufgabe Deichschutz und die Probleme.
- Umweltminister Meyer sichert 80 Millionen Euro jährlich für Deichschutz entlang der Elbe zu
- Deichbauprojekte im Süden erfordern mehr als 575 Millionen Euro und Deicherhöhungen um bis zu zwei Meter
- Klimakrise unterstreicht Notwendigkeit verstärkter Investitionen, während Kritik an Bauzeiten und Hamburgs Elbvertiefung aufkommt.
Jährlich rund 80 Millionen Euro: Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) hat bei einer Konferenz zum Küsten- und Deichschutz an der Elbe im Stader Kreishaus mehr Unterstützung von Seiten des Landes für den Deichbau und weitere Küstenschutzmaßnahmen angekündigt. „Das Geld ist kein Problem“, sagte der Minister vor Vertretern aus Fachbehörden, Deichverbänden und aus Politik und Verwaltung der betroffenen niedersächsischen Elbanrainer-Kommunen aus den Landkreisen Lüneburg, Harburg und Cuxhaven.
Deichbau an der Elbe: Die größte und teuerste Aufgabe der kommenden Jahrzehnte
Die Aufgabe ist immens: Im Rahmen des größten Deichbauprojektes nach 1962 und 1973 müssen Deiche und Sperrwerke in den nächsten 30 Jahren um mindestens einen Meter, im Landkreis Stade sogar um bis zu 2,10 Meter erhöht werden, um dem globalen Meeresspiegelanstieg und stärkeren Sturmfluten standzuhalten. Allein im Kreis Stade werden die Ertüchtigung der Deiche und der Neubau von sieben Sperrwerken laut einer Berechnung aus dem Jahr 2022 mehr als 575 Millionen Euro kosten.
Angesichts einer zu optimierenden Gesamtlänge von landesweit mehr als 600 Kilometern wirken die zusätzlichen Millionen aus Hannover daher fast noch wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Schon der Bedarf an der Ressource Boden zur Umsetzung des Megaprojekts ist enorm: Allein für die 67 Kilometer Elbdeich im Landkreis Stade werden laut Kreisverwaltung etwa 3,9 Millionen Kubikmeter Klei und 2,9 Millionen Kubikmeter Sand benötigt – das entspricht etwa 760.000 Lkw-Ladungen.
Umweltminister Meyer kündigte in Stade an, dass das Land künftig mehr Geld in diese Mammutaufgabe stecken werde. „Die Hochwasserlagen in Niedersachsen haben uns die Relevanz der Aufgabe zuletzt sehr deutlich gemacht“, so Meyer. Künftig sollen im Haushalt des Landes rund 80 Millionen Euro pro Jahr für den Küstenschutz in ganz Niedersachsen vorgesehen werden. Bisher standen rund 65 Millionen Euro Bundes- und Landesmittel pro Jahr zur Verfügung.
Hochwasserschutz: Deiche müssen großen Belastungen standhalten
„Seit Weihnachten dürfte jedem klar sein: Der Klimawandel und seine Folgen sind keine blanke Theorie. Tagelange Regengüsse auf ausgetrocknete Böden, die das Wasser nicht auffangen konnten, haben weite Teile Niedersachsens in regelrechte Seenlandschaften verwandelt“, so der Minister. Sowohl der Klimaschutz als auch den Küsten- und Hochwasserschutz müssten landesweit massiv verstärkt werden. „Darum müssen und werden wir künftig finanziell und personell noch mehr in die Deiche an unseren Küsten und im Binnenland investieren – denn Deiche schützen die Menschen und deren Hab und Gut“, sagte Meyer.
Die anhaltende Klimakrise werde die Situation an den Deichen weiter verschärfen, so der Minister: „Extremwettereignisse wie Sturmfluten oder Dauerregen werden sich häufen. Die Deiche müssen also großen Belastungen standhalten – und das wesentlich öfter als bisher.“
18 neue Stellen beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Küsten- und Naturschutz
Sie instand zu halten und auf das Klima-Vorsorgemaß von einem Meter anzupassen sei für sich schon eine gewaltige Kraftanstrengung. „Darum bin sehr froh, dass wir durch unsere Haushaltsberatungen die vom Bund geplanten Kürzungen im Küsten- und Hochwasserschutz abwenden konnten und durch Umschichtungen im Landeshaushalt die Mittel sogar um rund 20 Prozent auf 78,7 Millionen pro Jahr aufgestockt werden“, sagte der Minister.
Auch künftig müsse der Küsten- und Hochwasserschutz in Niedersachsen höchste Priorität haben. Um dem gerecht zu werden, sollen noch in diesem Jahr 18 neue Stellen beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz geschaffen werden, kündigte der Minister an.
Finanzierung muss verlässlicher werden, Personal muss aufgestockt werden
„Im Zentrum unserer Forderungen stehen natürlich nach wie vor eine ausreichende Finanzierung und notwendige Planungskapazitäten in der Landesbehörde sowie eine klare Beschleunigung der Bauvorhaben“, sagte Stades Landrat Kai Seefried als Gastgeber der Konferenz. Im Ziel waren sich der Minister und die Konferenzteilnehmer einig, dass eine Finanzierung verlässlich über mehrere Jahre abgesichert werden müsse und Planungsschritte deutlich schneller umgesetzt werden müssten. Dazu gehöre eine Entbürokratisierung von Vorhaben, lautete der Tenor.
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Handlungsbedarf gebe es auch bei der Frage der erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und notwendiger Kompensation für den Deichbau. Nicht adäquate Anforderungen des Naturschutzes würden Deichbaumaßnahmen stark erschweren und verzögern. „Dabei ist der Deichbau an sich bereits eine Maßnahme zum Schutz der Natur“, sagte Landrat Seefried. Auch müsse der Flächenerwerb für den Deichbau einfacher werden, forderte Meyer: „Wir brauchen ein Vorkaufsrecht für Deichbaumaßnahmen“, sagte der Minister in Stade.
Oberdeichrichter aus dem Alten Land fordert viel mehr Geschwindigkeit beim Deichbau ein
Klare Worte fand Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts vom Deichverband der II. Meile Alten Landes: „Jedes Jahr, das wir versabbeln ist ein verlorenes Jahr. Wenn wir so weiter machen, werden wir es niemals schaffen“, sagte er. 2018 sei mit dem Beginn der Planung eine Bauzeit von 30 Jahren angesetzt worden, doch bis jetzt sei noch in keinem Abschnitt mit den eigentlichen Deichbauarbeiten begonnen worden. „Wir haben bis heute noch keinen einzigen Zentimeter erhöht. Das Projekt lahmt“, sagte Ulferts. Nach der Sturmflut im Jahre 1962 seien die Elbdeiche von der Hamburger Landesgrenze bis hinauf nach Cuxhaven in 14 Jahren Bauzeit weitgehend ertüchtigt worden. „Eine Deichbauzeit von über 30 Jahren ist für die Bewohner hinter den Deichen nicht akzeptabel“, so der Oberdeichrichter.
Elbdeiche: Scharfe Kritik an der Hansestadt Hamburg und der „überflüssigen“ Elbvertiefung
Kritik gab es auch in Richtung Hamburg. Die Hansestadt und deren Hafenbehörde zeigten sich gegenüber der Anliegen der Elbanrainer in Niedersachsen wenig kooperativ. Dabei sei Küstenschutz eine kollektive Aufgabe und Hamburg stehe in der Verantwortung, sagte Jorks Bürgermeister Matthias Riel: „Die überflüssige Elbvertiefung sorgt in unseren Nebenflüssen für eine massive Verschlickung und raubt uns somit Wasserspeicher. Unsere Bevölkerung findet das sehr besorgniserregend.“
Auch von Minister Meyer gab es einen Seitenhieb auf die Hansestadt: „Die Elbvertiefung ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch gescheitert. Jedes Jahr habe ich Stress mit der Hamburger Hafenbehörde wegen des Sedimentmangement“, sagte Meyer. Er sei ein großer Freund davon, Material das bei der Aubaggerung der Elbe anfalle, für den Deichbau zu nutzen, wenn es unbedenklich sei. „Aber die Hamburger erzählen immer nur, das ist alles belastet“, so der Minister. Gastgeber Seefried betonte die Notwendigkeit eines abgestimmten Konzeptes aller Elbanrainer. Der Stader Landrat wiederholte seine Forderung nach einem bundesländerübergreifenden „Masterplan Elbe“ zu den Themen Küstenschutz, Sedimentmanagement und Naturschutz.