Stade. An der Elbe beginnt das größte Deichbauprojekt nach 1962 und 1973. Allein im Kreis Stade sind 760.000 Lkw-Ladungen Boden nötig

Der „Blanke Hans“ hat die Unterelberegion in den vergangenen Monaten verschont. Es kam in der sonst so stürmischen Jahreszeit nur zu einer, noch dazu vergleichsweise leichten Sturmflut von 1,55 Metern über dem mittleren Tide-Hochwasser. Für den Stader Landrat Kai Seefried kein Grund zur Entwarnung: „Auch, wenn die Deichschauen ergeben haben, dass die Deiche an der Unterelbe zurzeit in einem guten und wehrfähigen Zustand sind, werden die Zukunftsaufgaben im Küstenschutz von Land und Bund viel zu langsam angegangen.“

Deiche an der Elbe: Mehr Geld steht zur Verfügung

Zwar sei er für die Erhöhung der Deichbaumittel in Niedersachsen von knapp 62 auf jährlich 78,9 Millionen Euro in diesem Jahr dankbar, so Seefried. Doch eine Mittelzuteilung an die Deichverbände erst im April komme für die Deichverbände viel zu spät. Dringende Baumaßnahmen seien damit 2023 nicht mehr realisierbar. Dies sei nur ein Beispiel dafür, dass es beim Küstenschutz „angesichts der ungeheuren Aufgaben viel zu langsam vorangeht“, warnt Seefried.

Der Stader Landrat hat für den Sommer erneut zu einer Küstenschutzkonferenz nach Stade eingeladen. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer hat seine Teilnahme zugesagt. Auch ein „Generalplan Elbe“, der gemeinsam mit den Nachbarkreisen (auch aus Schleswig-Holstein) und der Freien und Hansestadt Hamburg zu Themen wie Sedimentmanagement, Naturraum- und Küstenschutz erstellt werden soll, steht auf Seefrieds Agenda.

Schwerpunkt während des Winters war die Bekämpfung von Maulwürfen

Bei den elf Frühjahrs-Aufsichtsschauen im Bereich der Unterelbe sowie der Nebenflüsse Oste, Schwinge, Lühe/Aue und Este im Landkreis Stade begutachten Deichschaukommissionen 223 Deichkilometer. Sie bescheinigten den Deichverbänden und Schäfern sehr gute Arbeit. Ein Schwerpunkt während des nassen Winters war die Bekämpfung von Maulwürfen – insbesondere an den exponierten Nordkehdinger Deichen. Landrat Seefried bedankte sich bei den ehrenamtlichen Teilnehmern der Schauen, die mit Erfahrung und Ortskenntnissen zur Beurteilung der Deiche beitragen.

Die einzige aktuelle Deichbaustelle ist das Burgbeck-Schöpfwerk an der Oste, dessen Bauzeit sich wegen stark gestiegener Preise beziehungsweise nicht verfügbarer Baumaterialien verlängert hat. Die größte Baustelle unmittelbar an einem Deich befindet sich im Bereich des LNG-Anlegers an der Elbe in Stade-Bützfleth. Nach der Fertigstellung soll mit der Deicherhöhung zwischen Deichschart Stadersand (bei Sturmfluten verschließbarer Deich-Durchlass für Fahrzeuge) und dem neuen Anleger begonnen werden.

In diesem Jahr startet außerdem die Sanierung des Siels Hinterbrack im Alten Land. Auch dort beginnt voraussichtlich im nächsten Jahr die Deicherhöhung. Das Deichschart auf Krautsand wurde in 2022 fertiggestellt – dort erkennt man nun die Dimension, der künftigen Deicherhöhungen.

Ertüchtigung der Elbdeiche im Kreis Stade soll 575 Millionen Euro kosten

Im Rahmen des größten Deichbauprojektes nach 1962 und 1973 müssen Deiche und Sperrwerke in den nächsten 30 Jahren um mindestens einen Meter, im Landkreis Stade um bis zu 2,10 Meter erhöht werden, um dem globalen Meeresspiegelanstieg und stärkeren Sturmfluten standzuhalten. Der Bedarf an Boden ist enorm: Allein für die 67 Kilometer Elbdeich im Landkreis Stade werden etwa 3,9 Millionen Kubikmeter Klei und 2,9 Millionen Kubikmeter Sand benötigt – das entspricht 760.000 Lkw-Ladungen. Mehr als 575 Millionen Euro wird die Ertüchtigung der Elbdeiche und der Neubau von sieben Sperrwerken allein im Landkreis Stade kosten, so eine Berechnung aus 2022.