Landkreise Stade/Harburg. „Gefahr wächst stetig“: Klimawandel lässt Wasserstände auch in der Unterelbe weiter steigen. Warum Kai Seefried nun zum Gespräch lädt.

Alle haben die Elbe – und damit nicht nur das Privileg, Anrainer an einem der schönsten Flüsse Deutschlands zu sein. Auch die Probleme, die mit dem Fluss als wichtigste Wasserstraße der Region zusammenhängen, enden nicht an den Grenzen der Bundesländer, die die Unterelbe durchfließt: Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein.

Da muss man nur an den Schlick denken, der für notorischen Streit zwischen den Ländern sorgt: Weil die Fahrrinne der Elbe immer wieder ausgebaggert wird, damit der Hamburger Hafen für große Frachter befahrbar bleibt, diskutieren die Anrainer der Niederelbe regelmäßig darüber, wo die zunehmend auflaufenden Mengen an Schlick entsorgt werden können. So bekam auch der kurz vor Weihnachten gefundene „Schlickfrieden“ zwischen Hamburg einerseits und Niedersachsen und Schleswig-Holstein andererseits schnell wieder Risse.

Kai Seefried möchte mit Kollegen in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein ins Gespräch kommen

Zahlreiche weitere Themen rund um die Unterelbe verbinden und trennen die die Anrainer. Oder beschäftigen sie – wie etwa die Fahrrinnenanpassung, die Erreichbarkeit des Hamburger Hafens, Fragen des Natur- und Umweltschutzes im Lebensraum Elbe, das Sedimentmanagement, die Verschlickung der kleineren Häfen und der Elbnebenarme und – selbstverständlich – der Küstenschutz.

Die Sturmflut Anfang des vergangenen Jahres als erneuter Warnschuss: Im Zuge der Klimaerwärmung wird ein Anstiegs der Wasserstände erwartet und deshalb müssen die Deiche erhöht werden. 
Die Sturmflut Anfang des vergangenen Jahres als erneuter Warnschuss: Im Zuge der Klimaerwärmung wird ein Anstiegs der Wasserstände erwartet und deshalb müssen die Deiche erhöht werden.  © HA | Christian C. Schmidt

Stades Landrat Kai Seefried möchte diese Themen gemeinsam angehen und mit seinen Kollegen in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein darüber ins Gespräch kommen. Seefried hat die Landräte aus Harburg, Cuxhaven, Dithmarschen, Steinburg und Pinneberg sowie Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher und die zuständigen Senatoren – Umweltsenator Jens Kerstan und Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard – deshalb zu einer Videokonferenz am 17. April eingeladen.

Seefrieds Einladung knüpft an einen Beschluss des Stader Kreistags an

„Bei vielen Themen stehen wir alle gemeinsam vor den gleichen Herausforderungen, die nach meiner festen Überzeugung gemeinsam in einem ,Generalplan Elbe’ bearbeitet und strukturiert werden müssen“, so Seefried. „Es muss uns besser als bisher gelingen, die Interessen unserer Landkreise und der Freien und Hansestadt Hamburg und damit die Interesse der drei Bundesländer zusammenzuführen.“

Seefrieds Einladung knüpft an einen Beschluss des Stader Kreistags an, der im vergangenen Herbst eine Resolution unter der Überschrift „Generalplan Küstenschutz“ beschlossen hatte. Demnach sollen die zuständigen Bundes- und Landesbehörden sowie die anliegenden Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein aufgefordert werden, mit den an der Elbe liegenden Landkreisen einen Generalplan Küstenschutz für die Region Unterelbe aufzustellen.

Deiche müssen im Landkreis Stade sogar um bis zu 2,10 Meter erhöht werden

Wie berichtet, sollen Deiche und Sperrwerke angesichts des im Zuge der Klimaerwärmung erwarteten Anstiegs der Wasserstände in den nächsten 30 Jahren um mindestens einen, im Landkreis Stade sogar um bis zu 2,10 Meter erhöht werden. „Für die Planung um Umsetzung eines Generalplans bedarf es einer neuen effektiven Kooperationskultur, und für die Planungs- und Baumaßnahmen zur Deicherhöhung muss ein verbindlicher beschleunigter Zeitplan erstellt werden“, heißt es in dem Beschluss.

Die derzeitigen Bundes- und Landesmittel von jährlich 65 Millionen Euro seien für 700 Kilometer Küstenschutzdeiche und Inseln in Niedersachsen absolut unterfinanziert und unverantwortlich, der Etat müsse massiv erhöht werden. Zum Vergleich: Hochgerechnet auf die avisierte Gesamtbauzeit von 30 Jahren für die 76 Kilometer Elbdeich allein im Landkreis Stade gehen die Fachleute zurzeit von bis zu 30 Millionen Euro jährlich aus, um allein hier für die nächste Generation Sicherheit vor Sturmfluten zu schaffen.

Seefrieds Hoffnung: dass seine Initiative auf Unterstützung bei den Kollegen führt

„Wir müssen jetzt handeln, die Gefahr wächst stetig“, hatte der Fachausschussvorsitzende Frank-Michael Havemann im Kreistag betont. In der Resolution werden ebenso die „Instandhaltung und Entschlickung der Bundeswasserstraße Elbe“ sowie Maßnahmen zur Abwehr von Überschwemmungsgefahren und die riesigen Menge an Kleie, die für den Deichbau benötigt werden, thematisiert.

„Hierzu möchte ich gern mit Ihnen in den Austausch kommen und mit Ihnen gemeinsam Meinungen beziehungsweise Positionen abstimmen“, heißt es in Seefrieds Einladung an die Kollegen in den Nachbarländern. „Ich würde mich sehr freuen, wenn diese Initiative auch bei Ihnen auf Unterstützung stößt und wir gemeinsam erörtern, wie eine erfolgreiche Umsetzung und nächste Schritte aussehen könnten“, so Seefrieds Hoffnung.

Mit den Kollegen aus Hamburg habe es bislang nur wenig Austausch „über die Elbe hinweg“ gegeben

Die Videokonferenz mit den Kollegen aus Hamburg und aus den Landkreisen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein – mit Letzteren hat es bisher nur wenig Austausch „über die Elbe hinweg“ gegeben – soll laut Kreisverwaltung nicht die geplante Küstenschutzkonferenz ersetzen, die Seefried noch vor den Sommerferien mit Behördenvertretern vom Bund, Land und Kreis sowie mit Deichverbänden, Gemeindevertretern und Vertretern der Kreispolitik durchführen möchte. „Die Videokonferenz könnte aber eventuell einzelne thematische Aspekte vorbereiten“, so Landkreis-Sprecher Daniel Beneke auf Abendblatt-Nachfrage.

Im vergangenen Jahr hatte bereits der Landkreis Stade eine Küstenkonferenz als Hybridveranstaltung ausgerichtet, die über das Internet ins Kreishaus übertragen wurde. Der ehemalige Niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) unterstrich damals, dass es notwendig sei, den Küstenschutz so auszustatten, „dass die Menschen sich keine Sorgen machen müssen“. Lies ist in der rot-grünen Koalition jetzt Wirtschaftsminister, weshalb Seefried den neuen niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer (Grüne) zur nächsten Konferenz eingeladen und ihn um ein Grußwort gebeten hat. Eine Rückmeldung aus dem Ministerium gab es bisher allerdings noch nicht...