Buchholz. Vom Tellerwäscher zum Jungmanager: LiteCard erzählt die Geschichte einer beeindruckenden Unternehmensgründung. Ihre Idee hat Potenzial.
Sie hat die Maße und das Gewicht einer Visitenkarte und doch viel mehr Format: die LiteCard. So heißt diese Kunststoffkarte mit NFC-Chip, eine digitale Variante jener Pappkärtchen, die bisher dem Austausch von Kontaktdaten dienen – nur deutlich praktischer, nachhaltiger, vielseitiger und zudem kostengünstiger. Die Innovation eignet sich gleichermaßen für Unternehmen, Networking-Events oder den persönlichen Einsatz.
Justin Mangold und Silas Zinser haben die LiteCard entwickelt und vertreiben sie über ihren eigenen Internetshop. Die beiden Emmelndorfer sind mit erst 16 Jahren buchstäblich Jungunternehmer.
Buchstäblich Jungunternehmer: Zwei 16-Jährige erfinden die Visitenkarte neu
Den Traum einer beruflichen Selbstständigkeit teilen Justin und Silas, die seit frühester Kindheit befreundet sind, schon länger. „Unsere erste Geschäftsidee hat sich nach kritischer Analyse nicht umsetzen lassen, dafür fehlte uns das Kapital“, erinnern sie sich. Denn eines war von vorn herein klar: Beide wollten keinesfalls ihre Eltern um Hilfe bei der Startfinanzierung bitten.
Nach einem Jahr Tüftelei hatten die Jugendlichen mit der digitalen Visitenkarte ein für sie realisierbares Projekt erdacht. „Es war für uns keine leichte Aufgabe, mit unseren Mitteln ein Produkt in der Qualität herzustellen, die wir uns vorgestellt haben. Doch durch festes Glauben und konsequentes Arbeiten und Verbessern haben wir es geschafft.“ Das Geld für den Erwerb eines Kartendruckers und das einmalige Honorar eines Programmierers erarbeiteten die Realschüler selbst. „Wir jobbten als Tellerwäscher in einem Bioladen“, erzählt Justin und fügt lächelnd hinzu: „Vom Tellerwäscher zum Millionär!“
Eine individuell zu gestaltende LiteCard kostet gerade einmal 15 Euro
Beide sind überzeugt, als Unternehmer ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, bietet die LiteCard doch viele Vorteile zu geringem Preis. Eine individuell zu gestaltende Karte kostet gerade einmal 15 Euro. Und die Investition lohnt in mehrfacher Hinsicht. Denn digitale Visitenkarten sind nachhaltiger als Pappkarten, die verteilt und somit aufgebraucht werden. Dagegen wird nur ein einziges Exemplar einer digitalen Karte benötigt, die den Link zu den Daten mit dem Smartphone oder einem beliebigen NFC-fähigen Gerät des jeweiligen Gesprächspartners teilt.
Zudem sind digitale Informationen im Bedarfsfall problemlos zu korrigieren oder zu ergänzen. Bedruckte Karten dagegen werden unbrauchbar, sobald sich Telefonnummer, Adresse oder berufliche Position ändern, sodass neue Karten erworben werden müssen, für deren Produktion wiederum Ressourcen verbraucht werden. Und: Während die Papierversion oftmals nicht zur Hand ist, wenn sie gebraucht wird, ist der von der LiteCard übertragene Link vom Handy oder Laptop jederzeit abrufbar.
Dass es noch einen anderen Anbieter gibt, haben Justin und Silas erst im Nachhinein herausgefunden
„Die Nutzung unserer Karte ist auch viel bequemer und vielseitiger“, erläutert Silas. Ablesen und Eintippen von Telefonnummern und Mailadressen entfällt. Ein einziger Klick genügt. Schon wird gewählt oder eine fertig adressierte Mail aufgerufen. Zudem lässt sich im persönlichen digitalen Profil beliebig viel Information speichern. Auf Messen werden die beiden ihr künftig ihr Produkt vorführen, denn die Zielgruppe rekrutiert sich aus Unternehmern und Selbstständigen.
Dass es neben „LiteCard“ noch einen anderen Anbieter digitaler Visitenkarten gibt, haben Justin und Silas erst nach der Entwicklung ihres Produkts herausgefunden. „Da haben wir im Vorfeld nicht gut genug recherchiert“, geben sie zu. „Aber weil wir alles selbst machen, Herstellung, Vermarktung, Vertrieb, können wir unsere Karte wesentlich günstiger anbieten als der Mitbewerber.“
Die nächste Idee: Die eigene Visitenkarte in die Kleidung einnähen
Zudem hat das kreative Duo seine Idee gleich weiter entwickelt und damit gewissermaßen ein weiteres Ass im Ärmel. Der digitale Informationsträger, so ihre Überlegung, muss ja nicht in Form einer Karte im Portemonnaie stecken. Man kann ihn auch in Kleidung eingenäht tragen. Justin und Silas bieten deshalb Hoodies mit im Ärmelbündchen eingearbeitetem NFC-Chip an. „Und damit sind wir tatsächlich die ersten und einzigen am Markt.“
Lange Zeit glaubten die Freunde, dass sie auch die einzigen sind, die in so jungen Jahren nach Selbstständigkeit streben. Mit genügend Kreativität, um eine Geschäftsidee zu entwickeln und dem Mut, sie umzusetzen. Denn niemand ihrer Klassenkameraden und gleichaltrigen Bekannten dachte und handelte wie sie. Sie wurden bewundert, aber nicht verstanden. Das machte die Jungs stolz, aber auch einsam. „Wir hatten eigentlich nur einander.“
In der Gründerklasse des Landkreises fanden die Schüler erstmals Gleichgesinnte
Das änderte sich, als sie erstmals die Gründerklasse der Wirtschaftsförderung für den Landkreis Harburg (WLH) besuchten. Die WLH ist in der Region erster Ansprechpartner für Existenzgründungen und sehr gut vernetzt mit Hochschulen, Unternehmern, Gründern, Politik und Verwaltung sowie weiteren Spezialisten rund um Gründung und Innovation.
Das kostenfreie Angebot der Gründerklasse richtet sich an junge Menschen unter 21 Jahren, die ein Business an den Start bringen möchten. Sie bietet keinen „Gründungsunterricht“ im schulischen Sinne, sondern Treffen mit Gleichgesinnten und Experten, die jene Fragen beantworten, die die jungen Gründer auf dem Weg in die Selbstständigkeit beschäftigen.
- Luk Boving: Mit 22 Jahren Chef einer Unfallklinik
- Wie sich Kinder die Schule der Zukunft vorstellen
- Buchholz bekommt eine neue Innovationsagentur
Beim ersten Meeting im Buchholzer ISI-Zentrum für Gründung, Business und Innovation stellten Justin und Silas fest, dass sie keineswegs die einzigen sind, die schon als Schüler ein Startup auf die Beine stellen möchten. „Wir unterstützen einander und haben schon richtig gute Freundschaften geschlossen.“
In der Gründerklasse finden Justin und Silas auch Zustimmung und Verständnis für ihren Entschluss, nach Ende ihrer Schulpflicht keine Ausbildung zu machen. Für sie hätte es keinen Sinn, in die Lehre gehen oder ein Studium absolvieren, meinen Justin und Silas. „Wir brauchen kein Zertifikat, um uns zu bewerben. Wir suchen keinen Arbeitgeber, der uns einstellt. Wir sind unser eigener Chef.“