Buchholz. Ein junger Buchholzer repariert in seiner Dachwohnung 1200 Drohnen im Jahr – sieben Tage pro Woche. Seine Kunden sind begeistert.

Wenn viel zu tun ist, dann repariert Luk Boving schon mal ein Dutzend Drohnen am Arbeitstag. Der beginnt gewöhnlich um 9 Uhr morgens und endet spät in der Nacht gegen 2 oder 3 Uhr. „Ich brauche nicht viel Schlaf“, sagt der 22-Jährige, der sein technisches Interesse zum Geschäft gemacht hat. An den Wochenenden wird durchgearbeitet. Viel Zeit für private Interessen bleibt da nicht. Auf die Frage, ob er in diesem Jahr schon einen Weihnachtsmarkt besucht habe, antwortet er: „Ja, geschäftlich.“

In einer Buchholzer Dachwohnung schraubt und lötet Boving, was das Zeug hält. Schließlich wirbt er damit, dass seine „Dr. Ohnen-Praxis“ schnell und kostengünstig arbeitet. Das danken ihm die Kunden. Zum Beispiel in dieser Google-Bewertung von Siggi Wiest: „Was soll man sagen, einfach nur die Note 1 mit fünf Sternen. Durch einen Flugfehler im Sportmodus hab ich meine Dji Mavic Air 2 in die Bäume geschickt. Dabei wurde das hintere rechte Gelenk am Fuß beschädigt und der Fuß hat sich komplett gelöst. Per E-Mail Kontakt aufgenommen und einen sehr schnellen Rückruf und Kostenvoranschlag erhalten. Drohne wurde eingeschickt und nach wenigen Tagen hatte ich sie bereits wieder einsatzfähig bei mir Zuhause. Sehr freundlicher Support, Preis-Leistung, UNSCHLAGBAR.“

An rund 99 Prozent der Kollisionen seien die Piloten schuld

Bis zu 40 Anfragen pro Tag erreichen den Drohnen-Doktor. Typische Schadensursachen seien „Wand und Baum“, sagt Boving. An rund 99 Prozent der Kollisionen seien die Piloten schuld. „Die Leute möchten sich selbst filmen und wenden die Drohne. Dann muss nach links gesteuert werden, damit sie nach rechts fliegt und umgekehrt. Viele verwechseln dann die Seiten. Außerdem werden die Aufnahmen immer spektakulärer, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Da wird zwischen zwei eng stehenden Bäumen oder sehr nah am Boden geflogen. Das ist natürlich mit viel Risiko verbunden.“ Wer Unfällen vorbeugen will, kann im Internet Flugsimulatoren finden, mit denen virtuell geübt werden kann. Manche Software gibt es kostenlos, allerdings wird eine Fernsteuerung benötigt, die mit dem Computer verbunden ist.

Eher selten, aber oft ebenso fatal seien Computerabstürze in den Geräten, sagt der Experte. „Eine Drohne ist im Grunde ein kleiner fliegender Computer. Wenn der mal abstürzt, spielt die Drohne verrückt, ist nicht mehr steuerbar. Bestenfalls landet sie irgendwo etwas unsanft. Oder sie trifft auf ein Hindernis.“ Ein doppelter Computer-Absturz.

Ein Landwirt überfuhr die Drohne mit seinem Trecker

Um frühzeitig abschätzen zu können, ob eine Reparatur überhaupt möglich ist, sucht Boving zunächst das Gespräch mit den potenziellen Kunden. „Oft melden die sich per E-Mail und schicken Fotos mit. Das hilft.“ Mancher Totalschaden ist leicht am Telefon zu erkennen. „Mich rief einmal ein Landwirt an. Er sagte mir, er habe die Drohne mit dem Trecker überfahren und fragte, ob da wohl noch etwas zu machen sei. Das konnte ich ohne nähere Angaben verneinen.“

Etwa die Hälfte seiner Kunden seien Privatleute, sagt Dr. Ohnen. Die andere Hälfte seien Profis, ebenfalls überwiegend aus der „Filmbranche“. Inzwischen werden die Geräte verstärkt auch für andere Zwecke eingesetzt. Land- und Forstwirte bestücken sie mit einer Sensorik, die Bodenfeuchte oder (anhand der Farbe) die Vitalität von Pflanzen erkennt. Rehkitze können mit Hilfe von Drohnen vor der Mahd entdeckt werden; andere Thermographie-Aufnahmen dokumentieren Wärmelecks in Dächern. Transportdrohnen werden unter anderem in der Medizin eingesetzt. Techniker überwachen Stromnetze aus der Luft oder vermessen Dächer zur Installation von Solaranlagen.

Sich voll einer Sache zu widmen, kennt der 22-Jährige vom Leistungssport

Rund 450.000 Drohnen gibt es in Deutschland, davon werden rund 50.000 gewerblich genutzt. Gerade bei der Ankunft von reparaturbedürftigen Profi-Drohnen gerät Boving unter Zeitdruck: „Schließlich sind sie angeschafft worden, um eine Aufgabe effizienter erledigen zu können. Dazu müssen die Geräte aber in der Luft sein.“ Gleich neben der Werkstatt in seiner angemieteten Dachwohnung steht deshalb ein Schubladenschrank voller Ersatzteile: kleine und größere Drohnenbeine und -füße, Rotoren, Motoren, Drahtverbindungen und vieles mehr. Es fehle einfach die Zeit und es sei auch zu umständlich, erst während der Reparatur Teile zu bestellen.

Trotz des Stresses mache ihm die Arbeit Spaß, sagt der technische Unfallchirurg. Und untertreibt ein wenig: Wer jeden Tag fast zwei Arbeitsschichten in seiner „Praxis“ verbringt, braucht mehr als Spaß, um das länger durchzuhalten. Gerade der Sonntag sei ihm wichtig, sagt Boving: „Das ist der einzige Tag, an dem ich aufholen kann, weil die Post keine neuen Drohnen bringt.“ Sich ganz und gar einer Sache zu widmen, das kennt der 22-Jährige vom Leistungssport. Als Jugendlicher war er erfolgreicher Crossfahrer der Radsportgemeinschaft Nordheide. In den erfolgreichsten Jahren 2017 und 2018 fuhr er jeweils sieben Siege und insgesamt 30 Platzierungen (2.-15. Platz) ein, startete sogar im Weltcup.

Drohnen repariert Boving schon seit seiner Jugend

Nach dem Abitur (Note 1,2) im Jahr 2019 wollte sich Boving komplett dem Radsport widmen. Aber dann kam Corona. „Wir hatten viele Trainingslager, aber keine Rennen. Das war frustrierend. Zuerst dachte ich, das wird schon wieder losgehen. Aber als kein Ende absehbar war, habe ich nach einer Alternative gesucht.“

Zunächst sei er ein Jahr herumgereist, erzählt Boving. Dann habe er sich überlegt, seinen selbstgeschaffenen Schülerjob zum Start­up-Unternehmen zu machen. Denn Drohnen repariert er schon sehr lange. Seit 2013. Damals kauften er, der als Hobby Modellbau betrieb, und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Nick zehn kaputte Geräte (Amazon-Retouren) und machten sie wieder fit: „Zwei haben wir behalten, weitere sieben mit Gewinn verkauft.“

Das Ziel: 2023 die ersten Mitarbeiter einstellen und selbst Flüge anbieten

Natürlich mussten immer wieder bessere Geräte angeschafft werden. Doch dazu fehlte eigentlich das Geld. Also wurden weitere funktionsunfähige Drohnen aufgekauft und entweder für den Eigenbedarf hergerichtet oder wieder verkauft, um mit dem Geld die Wunschdrohne erwerben zu können. Mit der Zeit besserte dies das Taschengeld erheblich auf.

Sein Bruder Nick ging nach dem Abi andere Wege. Wenn im Ein-Mann-Unternehmen viel Betrieb ist, helfen schon mal ein Freund und vor allem seine Cousine aus. 2023 soll der nächste Schritt folgen: „Ich möchte dann fünf Leute anstellen und zusätzlich Drohnenflüge als Dienstleistung anbieten.“ Zum Sport bleibt Luk Boving wenig Zeit. Das Rad lässt er stehen, schon wegen des Wetters. Aber abends fährt er oft nach Planten un Blomen zum Schlittschuhlaufen. Immer von 20 bis 22 Uhr. Danach wird weitergearbeitet.