Lüchow. Ute Luft verarbeitet die Wolle heimischer Schafe zu Kleidung, Decken und Strickgarn. Was die Stücke aus dem Wendland einzigartig macht.
- Elbwolle ist ein Hofladen mit Online-Shop für schöne Dinge aus norddeutscher Wolle
- Ute Luft fertigt aus der eher groben Wolle feine Kleidung – besondere Geschenke zu Weihnachten
- Auch ihre Gotländer Pelzschafe liefern regionale Wolle für Pullis, Decken und Strickgarn
Die äußeren Werte sind manchmal doch entscheidend, zumindest am Anfang. Feine Kringellöckchen ließen das Herz von Ute Luft höher schlagen. Ihre Gotländer Pelzschafe habe sie ganz klar nach Optik ausgesucht, sagt die Unternehmerin aus dem Wendland und ihre langen Ohrringe wackeln beim Lachen. Heute verkauft sie unter dem Namen „Elbwolle“ jährlich rund zehn Tonnen Wolle von norddeutschen Schafen – verarbeitet zu Strickgarnen, Kissen, Teppichen und feiner Kleidung. Wer nachhaltige und regionale Geschenke sucht, wird im Online-Shop und im Elbwolle-Laden fündig.
Die Wolle von Schafen, die am Deich oder in der Heide grasen, ist eine Herausforderung. Sie ist längst nicht so fein wie die Wolle der Merinoschafe, die üblicherweise aus Australien stammt und auch hierzulande den Markt dominiert. Doch die australische Schafhaltung ist nicht unproblematisch, so wird vielerorts noch das umstrittene Mulesing praktiziert. Dabei wird rund um den Schwanz die Wolle entfernt, um einen Befall mit Fliegenmaden zu verhindern. Hinzu kommt das wachsende Interesse an regionalem Konsum.
Pullover, Schals, Mützen: Bei Elbwolle gibt es nachhaltige Geschenke für die Liebsten
„Viele Käufer wollen mittlerweile wissen, wo ihre Kleidung herkommt. Diese Frage wird wichtiger“, sagt Ute Luft beim Gespräch an ihrem Küchentisch, der auf einem Resthof in Weitsche, einem Ortsteil von Lüchow, steht. Unter ihrem Jeanskleid trägt sie einen grünen Strickpulli, ihr Mann Marcel, im heidevioletten Strickpullover, serviert Milchkaffee. Bald soll dies die Kaffeeküche für ihren Laden sein, die Verkaufsfläche wird auf den Rest der bisherigen Wohnung ausgedehnt.
Der Ansatz, Schönes aus Wolle aus dem Biosphärengebiet zu verkaufen, kommt an, bei der Online-Kundschaft genauso wie in der Region. „Die Sachen brauchen natürlich ein größeres Publikum als nur die Leute vor Ort“, sagt die 55-Jährige. „Aber viele Kunden wollen die Wolle auch anfassen, das ist einfach eine haptische Geschichte.“
Die Wolle stammt von Schafen aus der Region und liefert langlebige Kleidung
Mit ihrem Unternehmen setzt Ute Luft konsequent auf Regionalität und Nachhaltigkeit. Ihre Produkte aus unbehandelter Schafwolle sind so gefertigt, dass sie lange halten und idealerweise noch vererbt werden können. Werden sie irgendwann doch aussortiert, können sie auf den Kompost. Der Verarbeitungsprozess wird so weit wie möglich auf die Region beschränkt.
„Wir gehen bewusst die kürzesten Wege, auch wenn sie manchmal wie ein Umweg erscheinen“, sagt Ute Luft. Die Wolle stammt zu einem großen Teil aus einer großen Schäferei im Amt Neuhaus, ihre eigenen Gotlandschafe liefern nur jeweils etwa zwei Kilo Wolle pro Jahr.
Norddeutsche Schafe liefern eher grobe Wolle mit vielen Gräsern drin
Seit den Anfängen vor sechs Jahren hat Ute Luft, gelernte Chemotechnikerin, viel ausprobiert. Ihr Ziel: Das Beste aus der Landschafwolle herauszuholen und sie über den Kreis der Handarbeiterinnen hinaus bekannt zu machen. In Schweden ist dies bereits üblich, in Deutschland noch eine Seltenheit. Streng genommen muss die Wolle als Sondermüll entsorgt werden, in der Praxis wird sie zumeist zu Dünger oder Mulchmaterial.
Die Fasern sind im Durchmesser teilweise doppelt so dick wie die der Merinowolle. Zudem bleiben oft auch nach dem Waschen und Spinnen noch Gräser im Garn hängen, die sogenannten Stichelhaare. „Hier“, sagt Ute Luft und zupft an einem roten Knäuel Strickgarn herum. „Da ist immer noch Gemüse drin.“ Zuletzt hat sie mit Lammwolle experimentiert, die liefert feinere Fasern und hat weniger Stichelhaare.
Bei Elbwolle gibt es dicke Strickgarne, weiche Decken und Zubehör zum Stricken
Die ersten Garne aus dem Hause Elbwolle waren fingerdick und zu knubbeligen Knäueln gewickelt. Um sie zu Sitzkissen und Teppichen zu verarbeiten, tüftelten Ute Luft und ihr Mann ein Hilfsmittel aus: ein langes Holzbrett mit einer Reihe „Nupsies“ darauf. Dieser Stricknupsi, wie sie das Gerät nannten, wird noch heute verkauft, genauso wie die passenden dicken Stricknadeln, die sie von einem Drechsler aus Holz fertigen lassen.
Mit der Zeit fand die Unternehmerin mit ihren Geschäftspartnern neue Techniken, um aus Fasern immer feinere Wolle herzustellen. So entstanden zum Beispiel edle Webstoffe und flauschige Garne für weiche Decken. Von den Ergebnissen war sie oft selbst überrascht. „Wenn man weiß, wie man die Wolle verarbeiten muss, kann man auch mit gröberen Fasern erstaunliche Sachen herstellen.“
Mit „Vauno“ gibt es feine Kleidung aus regionaler Wolle – eine Seltenheit
Im vergangenen Jahr hat sie sich deshalb an die Königsdisziplin in Sachen Wolle herangewagt: Bei Elbwolle gibt es jetzt auch Kleidung zu kaufen. Während ihre Kundinnen mit den Garnen gern auch Islandpullis stricken, hatte Ute Luft für ihre eigene Kollektion etwas anderes im Sinn. Möglichst fein und zart sollten die Stücke werden – um zu zeigen, was mit Deichschafwolle alles möglich ist. „Keiner hat uns geglaubt, dass man aus regionaler Wolle so was Geiles machen kann.“
Auf einer speziellen Industrie-Strickmaschine, die genau auf das Garn aus dem Wendland abgestimmt ist, entstehen seit einem Jahr Pullover, Mützen, Loopschals und Babydecken. Verkauft werden sie im Laden und im Online-Shop – jeweils auf Bestellung, um Überproduktion zu vermeiden. Die Kombination, norddeutsche Wolle auf einer professionellen Maschine zu verstricken, ist der Unternehmerin zufolge einmalig in Deutschland.
Jedes Stück aus der neuen Elbschaf-Kollektion ist mit einem Lebenslauf versehen
Ute Luft geht über den Hof zur früheren Treckerwerkstatt. Im Regal stapeln sich fertige Pullover, an einer Kleiderstange hängen genähte Jacken aus grauem Wollstoff. Die Strickmaschine füllt einen ganzen Raum aus. Auf Knopfdruck produziert sie das gewünschte Produkt an einem Stück. Ute Luft tippt auf einem Display herum, ein Brummen erfüllt den Raum, dann zischen die Schlitten unter einem durchsichtigen Deckel hin und her.
Sieben Minuten später öffnet sich unten eine Klappe – und heraus kommt die fertige Mütze in leuchtendem Grün. Froschgrün, Flussblau, Kranichrot oder Sonnenblumengelb, alle Farben erinnern an die Natur. „Ich habe es gern bunt“, sagt Ute Luft, nimmt die Mütze in die Hand und zieht die letzten Fäden heraus.
Crowdfunding-Kampagne übertraf bei weitem die Erwartungen
„Vauno“ – wendisch für „Wolle“ – heißt das Projekt, das sie gemeinsam mit ihrem kleinen Team und regionalen Partnern umsetzt. Die Kleidungskollektion ist bewusst schlicht gehalten, die Stücke sollen keinem Modetrend erliegen, sondern ihre Träger und Trägerinnen lange begleiten. Für größtmögliche Transparenz wird jedes Teil mit einem Lebenslauf versehen.
- Wandertour: Rundlingsdorf verfügt über schönen Rundweg an der Elbe
- Regional einkaufen: Hofläden rund um Lüneburg – zum Shopping auf Landpartie
- Regionale Produzenten in Lüneburger Heide am Puls der Zeit
Um die Produktion von Jacken und Mützen zu finanzieren, wurde im vergangenen Herbst eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Das Ziel: Online 10.000 Euro von privaten Unterstützern einsammeln. Nach einem Monat war sogar die doppelte Summe erreicht: Rund 20.000 Euro ermöglichten es, die geplante Kollektion herzustellen.
Heute werden die Kleidungsstücke im Online-Shop oder nach Absprache im Elbwolle-Laden in Weitsche verkauft. Auch auf Märkten und Messen präsentiert Ute Luft ihre Produkte, zum Beispiel beim Öko-Weihnachtsmarkt im Museum der Arbeit vom 1. bis 3. Dezember.
Elbwolle: Unternehmerin hat viele weitere Ideen für regionale Landschaf-Wolle
Für die Zukunft hat Ute Luft noch viele Ideen für ihr Unternehmen. „Wolle hat so unendlich viele Einsatzmöglichkeiten“, sagt sie und spricht über Walkstrick, Polsterstoff, Buddelhosen und Rucksäcke. „Wolle ist extrem pflegeleicht und eignet sich sehr gut für alles, was viel aushalten muss.“ Denn auch wenn die äußere Schönheit zu Beginn ausschlaggebend war – die inneren Werte ihres Lieblingsmaterials sind ihr auf lange Sicht natürlich mindestens ebenso wichtig.