Hittfeld. Auferstehung des „Hundertjährigen“: Wie Tim Becker das Traditionshaus im früheren Stil wiederbeleben will.

Die Planungen stehen seit langem, jetzt rückt die Wiederbelebung des Gasthauses „Zum Hundertjährigen“ in Hittfeld in greifbare Nähe. Im kommenden Frühjahr sollen die Arbeiten zur Neubebauung des Areals rund um das Traditionsgasthaus beginnen.

Der Gastronom Tim Becker, der in Hamburg unter anderem den Club Noho und die Bar Thomas Read sowie den Pony Club auf Sylt betreibt, soll als Pächter des Restaurants einsteigen. Das bestätigt Jörg Ruschmeyer, zuständig für das Projekt beim Unternehmen May & Co. mit Sitz in Hamburg und Itzehoe.

„Wir sind in guten Gesprächen mit Tim Becker und ich gehe davon aus, dass wir ihn für die Gastronomie gewinnen können“, sagt Ruschmeyer. Bei der Suche nach einem geeigneten Pächter habe es mehrere Interessenten gegeben. Favorit ist nun der erfahrene Gastronom, der selbst in der Region wohnt. „Er kennt sich gut in Hittfeld und Umgebung aus“, so der Projektleiter.

Becker kennt „Hundertjährigen“ schon aus eigener Kindheit

Tim Becker kennt den „Hundertjährigen“ schon aus seiner Kindheit. „Meine Eltern sind mit mir aus Hamburg zum Essen dorthin gefahren“, sagt der 41-Jährige, der etwas außerhalb des Ortes lebt. Er habe von anderen Interessenten gehört, die das denkmalgeschützte Gasthaus nach einem Kauf mehr oder weniger entkernen wollten. „Das wäre uns ein Dorn im Auge gewesen“, sagt der Unternehmer, der gemeinsam mit seinen Brüdern Felix und Max das Ensemble kaufen will. Sie planen lediglich kleinere Neuerungen, so sollen Stühle ausgetauscht und Polsterungen erneuert werden.

„Das ist einer der ältesten Gasthöfe Norddeutschlands, den wollen wir unbedingt erhalten. Es soll in großen Teilen genauso werden wie früher. Das ist die größte Herausforderung, vor der wir stehen“, sagt Becker. An der Vergangenheit orientiert sich auch die Speisekarte, auf der vor allem Fleischgerichte stehen sollen, kombiniert mit frischem Gemüse der jeweiligen Saison und aus der Region. Zudem seien Besonderheiten als Extras zur klassischen Speisekarte vorgesehen. „Es soll gutbürgerlich werden, mit kleinen Neuerungen. Das könnte zum Beispiel ein Sashimi von der Forelle aus Helmstorf sein.“

Gastronom Tim Becker ist Inhaber des Club Noho und der Thomas Read Bar am Nobistor.
Gastronom Tim Becker ist Inhaber des Club Noho und der Thomas Read Bar am Nobistor. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Legendären Bratkartoffeln des Gasthauses sind schon fest eingeplant

Auch die legendären Bratkartoffeln des Hauses sind laut Becker fest eingeplant. „Wir haben schon mit dem früheren Besitzer gesprochen und uns Tipps für das Rezept geben lassen.“ Aus Sicht des Szene-Gastronoms, der mehrere Bars und Clubs auf St. Pauli betreibt, passt das Traditionsgasthaus vor den Toren der Metropole gut in sein unternehmerisches Portfolio. Für seine Brüder und ihn sei es wichtig, sich mit den jeweiligen Projekten zu identifizieren. „Wir wollen Orte schaffen, an die wir selbst gern gehen, die eine eigene Seele bekommen. Alles, was wir anfangen, muss zu hundert Prozent passen.“

Bevor jedoch ein Mietvertrag aufgesetzt werden könne, müsse die Bau­genehmigung vorliegen, betont Projektleiter Ruschmeyer. Nach Erwartungen des Planers könnte die Prüfung Ende des Jahres abgeschlossen sein. Die Zusammenarbeit mit dem Landkreis Harburg, der für die Genehmigung zuständig ist, laufe sehr gut. Denn auch wenn von außen seit mehreren Jahren kein Fortschritt zu erkennen ist, gehen die detailreichen Planungen im Hintergrund ihren Weg. „Es ist ein sehr komplexes Projekt. Alles braucht seine Zeit“, sagt Ruschmeyer, der in der Sache auch eng mit der Gemeinde Seevetal zusammenarbeitet. „Aber wir laufen jetzt ins Finale.“

Von dem denkmalgeschützten Gebäude soll so viel wie irgend möglich erhalten bleiben

Erkennbar ist dies auch an dem denkmalgeschützten Ensemble rund um den „Hundertjährigen“, das saniert werden soll. In dem alten Fachwerk waren im Laufe der Jahre immer wieder Ausbesserungen vorgenommen worden. Teilweise sei dies jedoch im Ergebnis eher Flickwerk, so der Planer. „Wir wollen das Fachwerk im historischen Stil wieder aufbauen und streben dabei eine hohe Qualität an.“

Als Testlauf für die Sanierung hat das Unternehmen an dem Gasthaus sowie an der Scheune jeweils ein Gefach mit den ausgewählten Backsteinen ausgemauert. Gibt die Denkmalschutz­behörde des Landkreises grünes Licht für das Material, können die beiden Gebäude auf diese Weise saniert werden. Die Destille, die ebenfalls zu dem Ensemble zählt, ist als Klinkerbau davon nicht betroffen.

Der Umbau des Areals erfordert auch eine Verlegung der Harburger Straße

Für seinen Vorschlag zur Neugestaltung des Geländes rund um das seit 2013 leerstehende Gasthaus hatte das Projektentwicklungsunternehmen May & Co. bereits 2017 den Zuschlag erhalten. Das Ensemble aus Gasthaus, Scheune und Destille bleibt demnach erhalten und soll umfassend und denkmalgerecht saniert werden. Dies regelt ein städtebaulicher Vertrag der Gemeinde mit dem Projektentwickler.

Außerdem entsteht auf dem Areal ein Neubau für einen Aldi-Markt und Wohnungen darüber. Der nahe gelegene Markt von Edeka Meyer wird durch einen Anbau deutlich vergrößert. Voraussetzung für die Bebauung ist die Verlegung der Harburger Straße. Sie wird künftig direkt gegenüber der Einmündung der Straße Hittfelder Quelle in die Jesteburger Straße einmünden.