Landkreis Harburg. 2024 soll für Restaurants wieder höhere Steuer gelten. Gastronomen im Süden von Hamburg befürchten nicht nur finanzielle Verluste.

In den kommenden Wochen werden Bundestag und Bundesrat eine für Restaurants, Wirtshäuser und Cafés wichtige Entscheidung treffen. Soll der reduzierte Mehrwertsteuer­satz von sieben Prozent auf Speisen, der dem Gastgewerbe über Corona-Pandemie und Energiekrise hinweghelfen sollte, nach wiederholter Verlängerung auch im kommenden Jahr beibehalten werden? Oder soll wieder der ursprüngliche Satz von 19 Prozent gelten?

Unter den Gastwirten, die das Hamburger Abendblatt in der Region – in Seevetal, Hanstedt und Lüneburg – befragt hat, herrscht derzeit Frust, aber noch keine konkrete Existenzangst. Sicher scheint: Sollte die Mehrwertsteuer angehoben werden, wird Essengehen teurer.

Mehrwertsteuer: Restaurants im Landkreis Harburg werden die Preise erhöhen

Der Deutsche Hotel- und Gaststätten­verband Dehoga warnt vor Verlusten und Betriebs­schließungen und hat eine Petition gestartet: „7 Prozent auf Speisen müssen bleiben. Damit wir erhalten, was unser Land lebenswert und liebenswert macht.“ Rund 104.000 Menschen haben bereits unterzeichnet, am Ende sollen mindestens 150.000 Stimmen der Bundesregierung vorgelegt werden.

„Die Mehrwertsteuererhöhung werden wir zu hundert Prozent an den Gast weitergeben müssen. Wer dies nicht tut, fährt im Moment hohe Gewinne ein oder macht nach dem Jahreswechsel Verluste“, sagt Maik Schmanns vom Restaurant Horster Mühle in Seevetal.

Horster Mühle: Selbst im Speckgürtel von Hamburg wird Essengehen zum kleinen Luxus

Nele Landschof, die mit ihrem Bruder Sven Dierksen das Hanstedter Hotel Sellhorn leitet, sieht das genauso. „Bisher haben wir noch keine intensiven Preiserhöhungen gehabt, weder während der Corona-Pandemie noch im Zuge der Energiekrise. Aber bei einer Mehrwertsteuererhöhung werden wir um eine hundertprozentige Weitergabe nicht herumkommen. Unsere Puffer sind nicht mehr so groß.“

Harburger Gastronomen zur Mehrwertsteuer-Erhöhung: Die Geschwister Nele Landschof und Sven Dierksen vom Hanstedter Hotel Sellhorn. 
Harburger Gastronomen zur Mehrwertsteuer-Erhöhung: Die Geschwister Nele Landschof und Sven Dierksen vom Hanstedter Hotel Sellhorn.  © HA | martina berliner

Im Restaurant Horster Mühle und im Hotel Sellhorn setzt man auf gut situiertes Publikum und einen großen Anteil von Stammgästen. „Unser Restaurant ist zurzeit sehr gut besucht und wir glauben, dass auch nach einer Erhöhung noch Gäste zu uns kommen werden“, sagt Maik Schmanns. „Wir haben den Vorteil, im Speckgürtel von Hamburg zu arbeiten. Hier sitzt das Geld etwas lockerer. Aber sogar hier ist Essengehen bereits jetzt ein kleiner Luxus. Ich möchte nicht wissen, wie dies außerhalb der Metropolregion Hamburg ist.“

Hotel Sellhorn: Gäste kommen eher zu besonderen Anlässen ins Restaurant

Und Nele Landschof vom Hotel Sellhorn sagt: „Wir haben sehr treue Gäste und ein stabiles Klientel, das uns sehr gut unterstützt. Aber auch wir stellen fest: Schon jetzt ist ein Abendessen im Restaurant nicht mehr alltäglich, es wird meist zu besonderen Anlässen zelebriert, weniger spontan.“

Maik Schmanns rechnet definitiv mit Umsatzeinbrüchen. „Die Gäste werden bestimmt seltener kommen und vielleicht eher auf Vorspeise oder Dessert verzichten.“ Durch weniger Umsatz werde dann natürlich auch weniger Personal eingesetzt. Nele Landschof ergänzt: „Wir wiegen uns nicht in Sicherheit, denn wir müssen ja auch steigende Tariflöhne einkalkulieren.“

Gastronomen können Gästen keine Preise für Buchungen für 2024 nennen

Was Restaurantchef wie Hotelbetreiberin gleichermaßen ärgert, ist die Ungewissheit, ob die Erhöhung nun kommt – oder nicht. „Es ist schwierig, große Hochzeiten zu vertrösten, weil wir den Brautpaaren für ihre Feiern im nächsten Jahr noch keinen Preis nennen können“, klagt Maik Schmanns. Und auch Nele Landschof sagt: „Der klassische Heideurlauber bucht vor seiner Abreise gleich für das nächste Jahr, aber wir können keine Preise nennen.“

Maik Schmanns hofft, dass sich die Politik noch entscheidet, den verringerten Steuersatz beizubehalten. „Ich bin der Meinung, dass durch die Anpassung des Mehrwertsteuersatzes eine langjährige Ungerechtigkeit beseitigt wurde. Es ist eine Chance, dem Gasthofsterben und der Fachkräfteabwanderung entgegen zu wirken.“

Zur Linde: Gasthaus-Chef macht sich Sorgen um Mittagstisch und Familienfeiern

Im Gasthaus Zur Linde in Hittfeld sieht man der angekündigten Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer mit Sorgen entgegen. „Wir haben uns viele Gedanken gemacht“, sagt Geschäftsführer Hayretdin Kurnaz. Am Ende gebe es aber nur eine Lösung: „Wir werden die Erhöhung wohl eins zu eins an den Gast weitergeben müssen. Wir können gar nicht noch mehr sparen.“ Die einzigen Alternativen seien, die Qualität zu verringern oder das Lokal zu schließen. „Beides wollen wir natürlich nicht.“

Eine Erhöhung der Preise auch nur um zehn Prozent werde dazu führen, dass einige Gäste seltener oder gar nicht mehr in dem Lokal essen gehen werden. Das tue ihm vor allem für die Senioren leid, die regelmäßig zum Mittagstisch in die „Linde“ kommen, meint Kurnaz. „Das ist ein Treffpunkt, der einigen Menschen dann fehlen wird.“ Auch bei Familienfeiern werde der Aufschlag für viele schmerzhaft sein. „Wenn das Essen pro Person fünf Euro mehr kostet, ist das schon ein Unterschied.“

Preise für Energie, Personal und Bier steigen – Steuererhöhung wäre fatal

Ohne eine deutliche Preiserhöhung geht es seiner Ansicht aber nicht. Hohe Energiepreise, steigende Personalkosten und der Fachkräftemangel machen den Gastronomen Sorgen, auch die nächste Bierpreiserhöhung steht demnächst an – und jetzt noch die Steuererhöhung.

„Das macht uns traurig und wütend“, sagt der Geschäftsführer. Er ist sich sicher: „Es wird ein großes Gastronomie-Sterben kommen und das wird Auswirkungen auf das soziale Leben haben. Irgendwann gibt es nur noch Großkonzerne, in denen uns Roboter mit Convenience-Food bedienen.“

Lüneburg: Cafébetreiber befürchten „dänische Verhältnisse“ bei Preisen

Im Lüneburger Café Avenir ist man ratlos angesichts des steigenden finanziellen Drucks. Um etwa 20.000 Euro werden die Einnahmen im kommenden Jahr geringer ausfallen, wenn die Steuer wieder steigt.

Zum Café Avenir in Lüneburg zählt auch eine „Gläserne Rösterei“ im Viertel Ilmenaugarten. 
Zum Café Avenir in Lüneburg zählt auch eine „Gläserne Rösterei“ im Viertel Ilmenaugarten.  © Avenir Café & Laden | Avenir Café & Laden

„Eigentlich müssten wir die Preise wieder erhöhen. Aber wir wollen doch keine dänischen Verhältnisse wie in Kopenhagen“, sagt Max Timm vom Betreiberkollektiv. „Wer kauft einen Cappuccino für vier Euro?“ Das widerspreche der Idee, dass sich in dem Café auch Menschen einen Kaffee leisten sollen, die nicht so viel Geld haben. Schon jetzt sei spürbar, dass vor allem jüngere Gäste seltener kämen.

Vor allem Restaurants mit frischer Küche werden betroffen sein

Beim Verein der Lüneburger Gastronomen rechnet man ebenfalls mit Umsatzeinbußen durch die Änderung. „Die wirtschaftliche Situation in den Gastronomiebetrieben ist aufgrund der hohen Kostensteigerungen bei Löhnen, Lebensmitteln und Energie so, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer an den Gast weitergegeben werden müsste“, sagt Jörg Laser, Vereinsvorstand und Inhaber des Hotel Einzigartig. Da aber die Gäste nicht mehr Geld zur Verfügung haben, würden sie sich beim Konsum zurückhalten.

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Die Folgen seien vor allem für die speisenlastige Gastronomie gravierend, sagt Laser. „Je höher der Speisenanteil, desto stärker die negativen Konsequenzen. Am stärksten werden Restaurants mit einer frischen Küche, die aufwendig hergestellt wird, betroffen sein.“

Wird Mehrwertsteuer wieder erhöht, werden einige Gastronomen den Betrieb aufgeben

Abgesehen davon, dass die wirtschaftliche Situation in vielen Betrieben nach Corona und vor allem aufgrund des Fachkräftemangels und der gestiegenen Kosten angespannt sei, komme die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Beginn der traditionell schwachen Jahreszeit, sagt Laser. „Somit werden es einige Betriebe nicht schaffen, alle diese negativen Faktoren zu bewältigen. Es wird zu Betriebsaufgaben kommen.“

Dies werde ein weiterer erheblicher Rückschlag für eine Belebung der Innenstädte sein, meint der Vereinsvorstand. „Der Politik sollte bewusst sein, dass die Maßnahmen, die es bedarf, um die Situation in den Innenstädten dann wieder zu verbessern, deutlich teurer sein werden, als auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu verzichten.“