Buchholz. Ausgebildete Hunde verteidigen Herdentiere gegen Wolfsangriffe. Auch für Kinder und fremde Hunde können sie zur Gefahr werden.

Die Anzahl der in Niedersachsen lebenden Wölfe nimmt stetig zu. Und das macht ganz besonders den Haltern von Weidevieh sowie Besitzern von Pferden große Sorge. Zu den von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen geförderten Herdenschutzmaßnahmen zählt auch die Übernahme von Anschaffungskosten eines speziell ausgebildeten Herdenschutzhundes. Er muss aus einer Arbeitslinie stammen und lebt von Welpenbeinen an bei seiner Schafsfamilie oder anderen tierischen Schützlingen auf der Weide. Ohne zu zögern würde er die ihm anvertrauten Wesen mit seinem eigenen Leben verteidigen. Auch und gerade gegen den Wolf.

Das aber kann er nur dann erfolgreich tun, wenn er seinen Job in Ruhe machen darf. Für viele von uns ist das selbstverständlich. Doch nicht für alle. Nicht nur Nicole Benning von der Schäferei Wümmeniederung weiß davon ein Lied zu singen. Die Kangal-Züchterin und zweite Vorsitzende des Vereins für arbeitende Herdenschutzhunde trifft immer wieder auf Menschen, die sich über bellende Herdenschutzhunde aufregen oder gar ohne Leine mit ihrem Hund in einem bewachten Weidegebiet spazieren gehen.

Viele Kinder sehen im Wolf entweder eine Bestie wie den Werwolf oder ein großes Kuscheltier

Bernard Wegner, Obmann für Öffentlichkeitsarbeit der Jägerschaft im Landkreis Harburg und seit Mitte des Jahres einer von vier Wolfsberatern des Landkreises, klärt mit seiner Frau Diana seit vier Jahren Kinder und Jugendliche mit Hilfe seines anschaulich gestalteten Wolfs-Info-Mobils über Wölfe auf. Hatte er während seiner Veranstaltungen mit dem Wald-Info-Mobil schon oft die Erfahrung gemacht, dass Kinder zwar genau wissen, wie Löwen und Gorillas aussehen, von heimischen Waldtieren aber keinen blassen Schimmer haben, so verhalte es sich mit dem Wolf ähnlich.

Sie sehen in ihm entweder eine Bestie wie den Werwolf oder ein großes Kuscheltier. Mit dem von Kindergärten und Schulen angeforderten Wolfs-Info-Mobil haben Wolfsberater Bernard Wegner und Ehefrau Diana im letzten Jahr 800 und in diesem Jahr bereits 1000 Kinder im Landkreis Harburg, im Heidekreis und Lüneburg erreichen und über Meister Isegrim aufklären können.

Ein Kangal bewacht seine Herde.
Ein Kangal bewacht seine Herde. © HA | Marion Wenner

Große Gefahr: Manche Eltern heben Kinder über Zäune, um sie mit Schafen zu fotografieren

Des öfteren wundert sich Bernard Wegner über die Arglosigkeit so mancher Eltern. Besonders über jene aus dem „urbanen Umfeld“, die in jedem Tier ein Streicheltier sähen, auch in Herdenschutzhunden. „Sie begreifen nicht, dass die Hunde auf die Herde aufpassen, wollen Fotos von ihren Kindern und den Schafen machen und heben sie womöglich noch über den Zaun“, regt sich der Wolfsberater auf. Wenn der Hund dies als feindlichen Angriff wahrnimmt, lautstark bellt oder gar das Kind anfällt und beißt, wird er schlimmstenfalls eingeschläfert.

Oder er muss fortan einen Maulkorb tragen. Nicht gerade ein Gewinn für seine vierbeinigen Schützlinge. „Die Menschen müssen sich anders verhalten und die Herdenschutzmaßnahmen akzeptieren“, fordert Wolfsberater Wegner.

Tierische Security-Mitarbeiter vom Geflügelhof Nordheide passen auf ihre Schützlinge auf.
Tierische Security-Mitarbeiter vom Geflügelhof Nordheide passen auf ihre Schützlinge auf. © HA | Marion Wenner

Herdenschutzhunde machen keinen Unterschied zwischen Wolf und fremdem Hund

Ähnlich sieht das Gunther Esther, für Schleswig-Holstein und Hamburg zuständiger Wolfsbetreuer, Jagdpächter in Neuengamme und außerdem engagiert in der Fachgruppe Wolf in der Hamburger Landesgruppe des Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU). Auf den Deichen würden viele Menschen mit Hunden spazieren. Weil Herdenschutzhunde keinen Unterschied machen würden zwischen Wolf und Hund, sei ihr Einsatz dort nicht unbedingt angebracht und mit Gefahren verbunden.

Aber dort, wo es möglich ist, sollten ausgebildete Hunde die Herden bewachen, denn die Nutztierhalter müssen sich Gedanken machen, wie sie ihre Tiere am besten schützen können. Gunther Esther gibt hier zu bedenken: „Wichtig ist die enge Bindung, denn man kann den Hund nicht als Maschine hinstellen und denken, der wird das schon machen.“

Wolfsberater Bernard Wegner mit seinen Labradoren Charly und Molly vor dem Wolfs-Info-Mobil
Wolfsberater Bernard Wegner mit seinen Labradoren Charly und Molly vor dem Wolfs-Info-Mobil © HA | Marion Wenner

Als in der Fachgruppe Wolf engagiertes NABU-Mitglied resümiert Wolfsbetreuer Esther: „Wir wollen dem Artenschutz dienen, und ich bin gegen eine Abschussfreigabe, weil oft die falschen Wölfe erwischt werden.“ Bernard Wegner hält ebenfalls nichts davon, „Problemwölfe“ zu bejagen.

Kein vernünftiger Mensch wolle den Wolf ausrotten. „Aber es muss ein aktives Management stattfinden mit Regulierung des Wolfs inklusive respektvoller Behandlung dieser Tierart mit Schonzeiten, Mutterschutz und so weiter“, so Wegner. Und er fügt hinzu: „Dem Artenschutz dienen wir mehr, indem wir die Weidetierhaltung schützen, weil sie nachhaltig ist und für den Fortbestand von Pflanzen- und Insektenarten sorgt.“