Hamburg. Bei seinen Herden in Fischbek und Winsen setzt Schäfer Holger Benning nicht auf hohe Zäune, sondern auf kräftige Hunde.

Nach den jüngsten Sichtungen von Wölfen bei Buxtehude und einer vermutlichen Wolfsattacke auf ein Kalb vor wenigen Tagen in Wiegersen im Landkreis Stade wächst der Druck auf die Politik. Angesichts der stetig steigenden Zahl der Raubtiere müsse die Jagd auf die streng geschützten Wölfe und auch Antragsverfahren für Entschädigungen erleichtert werden, fordert etwa der niedersächsische Landvolkverband. Ansonsten werde es in absehbarer Zeit keine Weidetierhaltung mehr geben.

Höhere Zäune sind offenbar keine Hürde

Tatsächlich stellen offenbar selbst immer höhere Zäune keine Hürde für Wölfe da. „Auch über 1,50 Meter können die noch springen “, sagt Nicole Benning, die mit ihrem Mann mehr als 1000 Schafe hält. Gerade waren sie mit einer Herde in Vahrendorf, den Golfplatz in Winsen bewirtschaften sie mit ihren Tieren und im Sommer auch Areale im Naturschutzgebiet zwischen Neu Wulmstorf und Neugraben. Zwar entdecken sie dabei auch immer wieder Spuren oder Kot von Wölfen in der Nähe, manchmal auch gefährlich oft. „Doch einen Riss hatten wir bisher nicht“, sagt Nicole Benning.

Herdenschutzhunde als Lösung?

Und das hat vermutlich einen Grund: Seit 2012 setzen die Bennings als Schutz für ihre Herden kräftige Herdenschutzhunde ein und züchten sie mittlerweile auch. „Hütehunde sind bei einer Schafsherde die Platzanweiser, Herdenschutzhunde die Bodyguards“, sagt sie. Dabei setzen die beiden von Anfang an auf die Rasse Kangal, einen Hirtenhund, der ursprünglich in der Türkei gezüchtet wurde. „Die sind sehr menschenfreundlich, aber konsequent, wenn sie ihr Territorium verteidigen müssen.“

Eine Kangal-Hündin wiegt 40 Kilogramm

40 Kilogramm wiegen Hündinnen dieser Rasse normalerweise und erreichten eine Schulterhöhe von etwa 60 Zentimetern, Rüden sind meist noch größer. Genug, um auch etwa gleichgroßen Wölfen etwas entgegen zu setzen. Und sei es nur Abschreckung: „Wölfe sind sehr schlau, die vermeiden Probleme“, sagt Nicole Benning und streicht sanft über das dichte Fell der Hündin „Smilla“, die in Kürze ihren ersten Wurf erwartet und daher zuhause bei den Bennings sein darf. Was eine absolute Ausnahme ist: Alle rund 30 Hunde ihrer Wander-Schäferei leben bei ihren Herden und lernen ihre Aufgabe bereits als Welpen. Wobei sie ihren, nur durch einen mobilen E-Zaun abgetrennten, Weidebereich immer treu bleiben. Ob Regen, Schnee oder Sturm – die Hunde bleiben stets draußen. Auch eine Hundehütte gibt es nicht, ist das Wetter wirklich sehr ungemütlich, dann suchen die kräftigen Hunde lediglich ein wenig Schutz zwischen „ihren“ Schafen.

„Das ist einfach ihre Natur, wenn wir frieren, fühlen die sich noch lange, lange wohl“, sagt Nicole Benning. Wie sich die Tiere tatsächlich verhalten, lässt sich dann wenig später bei einem Fototermin beobachten. Freudig und verspielt begrüßen zwei kräftige Hunde und zwei Welpen Schäfer Benning und seinen Besucher, die kleine Schutztruppe trollt ausgelassen über die Wiese, platscht genüsslich durch Gräben. Erst, als wenig später das unbekannte Auto des Besuchers nahe an der Weide vorbeirollt, ändert sich das Bild. Jetzt laufen die Hunde bellend immer am Zaun entlang und beobachten energisch, was passieren könnte.

Spaziergänger haben nicht immer Verständnis

Doch gerade in Stadtnähe gibt es bei Spaziergängern nicht immer Verständnis für diese robuste Haltung. „Aber das sind keine Kuschelhunde“, sagt die Kangal-Züchterin. Und dass die Hunde auch mal bellen, wenn sie eine Gefahr für die Herde vermuten, stößt ebenfalls gelegentlich auf Verärgerung. Nicole Benning verweist dann auf die aktuelle Wolfsdiskussion. Auf der einen Seite gebe es diejenigen, die Wölfe jagen wollen. Auf der anderen diejenigen, die eine Rückkehr des Wolfes als Erfolg des Naturschutzes begrüßen. Aber beides – Weidetiere und Wölfe zusammen – erweist sich derzeit eben als großes Problem: „Die Hunde sind deshalb auch ein Beitrag zum Naturschutz“, sagt Nicole Benning.

Die Haltung der Tiere ist nicht billig

Doch billig ist das nicht. 1500 Euro pro Hund und Jahr gibt die Schäferei für Fixkosten wie Futter aus. Das macht die Bewirtschaftung von Grünflächen mit Schafen natürlich teurer, weil es zwar für die Anschaffung der Hunde Unterstützung gibt, nicht aber für die Haltung. Benning: „Bitter, wenn es dann selbst bei Naturschutzorganisationen heißt:_Ihr seid zu teuer.“