Harburg/Heidekreis/Rotenburg (Wümme)/Lüneburg. Teure Doppelarbeit? Feuerwehr- und Rettungsleitstellen im Kreis Harburg und Umland sollen zusammengelegt werden.
Aus den vier separaten Feuerwehr- und Rettungsleitstellen in Harburg, dem Heidekreis, Rotenburg (Wümme) und Lüneburg, soll in Zukunft eine umfassende Regionalleitstelle entstehen. Das ist die Empfehlung eines frisch veröffentlichten Gutachtens, das am Montag im Feuerwehrausschuss des Heidekreises präsentiert wurde.
Die Studie, durchgeführt von der Firma „Lülf+“, kommt zu dem Schluss, dass eine gemeinsame Leitstelle effizienter arbeiten und kosteneffektiver sein kann, verglichen mit dem Betrieb mehrerer einzelner Leitstellen. Sie wäre sogar einem virtuellen Zusammenschluss, wie er aktuell zwischen den Leitstellen in Winsen (Luhe), Zeven und Soltau besteht, vorzuziehen.
Druck von den Krankenkassen: Weniger Geld für kleine Leitstellen
Die gesetzlichen Krankenkassen haben die betroffenen Landkreise im Vorfeld des Gutachtens unter Druck gesetzt. Sie drohen mit einer Kürzung der Finanzierung für Leitstellen, die sie als unwirtschaftlich ansehen. Dazu zählen alle Rettungs- und Feuerwehrleitstellen, die nicht mindestens ein Gebiet von 500.000 Einwohnern abdecken.
Obwohl die Kreise Harburg, Rotenburg (Wümme) und der Heidekreis bereits durch ihre virtuelle Zusammenarbeit ein Gebiet von knapp 550.000 Bewohnern abdecken, sind die räumlich getrennten Leitstellen laut der Krankenkassen durch Doppelstrukturen zu kostspielig. Die Leitstelle in Lüneburg deckt hingegen nur ein Gebiet von 180.000 Einwohnern ab.
Abbau von Doppelstrukturen: Was eine einheitliche Leitstelle bringen könnte
Lüneburg beteiligte sich als Gast an der Studie, während bei den anderen drei Landkreisen eine routinemäßige Überprüfung der aktuellen Zusammenarbeit anstand. Von den einzelnen Disponenten bis hin zu den Rettungsdienstgesellschaften waren alle relevanten Akteure beteiligt.
Das Gutachten hebt mehrere Vorteile einer gemeinsamen Regionalleitstelle im Norden Niedersachsens hervor. Dazu zählt unter anderem eine effizientere Aufgabenteilung, die es ermöglichen würde, besondere Situationen oder hohe Anrufaufkommen besser zu bewältigen. Aktuell wird bereits jeder siebte Anruf, an eine der Verbundsleitstellen weitergeleitet.
Technische Hürden und zukünftige Entwicklungen: Warum eine Regionalleitstelle besser abschneidet
Zudem könnte durch eine klarere Rollenverteilung bei der Anrufannahme und Disposition der Einsatzkräfte die telefonische Unterstützung in kritischen Situationen verbessert werden. Aktuell muss ein Mitarbeiter der Leitstelle beispielsweise sowohl eine Telefonreanimation anleiten, als auch die Einsatzkräfte koordinieren. In größeren Leitstellen wie in Oldenburg oder Hamburg sind diese Funktionen bereits getrennt.
Ein weiterer Vorteil einer einheitlichen Leitstelle wäre der Abbau von Doppelstrukturen, heißt es im Gutachten. Aktuell erfordert beispielsweise eine Änderung bei Einsatzstichworten eine lange Abstimmung aller drei Leitstellen. Diese zeitaufwendigen Abstimmungen sind in bisherigen Gutachten nicht berücksichtigt, sodass der Leitstellenverbund auf dem Papier wirtschaftlich gut aussieht, obwohl in der Praxis weniger Zeit für die regulären Arbeiten bleibt.
Das Gutachten untersuchte unter Einbeziehung vieler Faktoren auch einen optimierten Leitstellenverbund und einen Verbund aus zwei Leitstellen. Doch selbst mit dem Abbau von doppelten Strukturen schnitt eine Regionalleitstelle in vielen Bereichen besser ab. Der virtuelle Leitstellenverbund bekommt im Mittelwert eine Bewertung von 3,5. Die Leitstelle Lüneburg erreicht nur eine 4,1. Optimierte Verbunde schneiden mit 3,3 und 2,3 in der Bewertung immer noch schlechter als eine neue Regionalleitstelle mit 1,5 ab.
Virtuelle Leitstelle: Hohe Kosten für Technik und trotzdem weiter Probleme
Sven Ohrem, Geschäftsbereichsleiter „Lülf+“, kritisiert insbesondere die hohen technischen Anforderungen eines Verbunds. „Sie geben aktuell sehr viel Geld dafür aus, dass die Technik 24/7 an drei Standorten redundant läuft“, sagte Ohrem zum virtuellen Leitstellenverbund. Selbst ein kostspieliger Wechsel der Software und Hardware vor fünf Jahren habe nicht alle technischen Probleme gelöst, da solche Verbundsysteme selten sind. Mit einer einheitlichen Leitstelle würden diese Probleme entfallen.
Und die Aufgaben einer Rettungsleitstelle werden in den kommenden Jahren weiter stark zunehmen. Medizinische Notfälle und Transportplanung machen bereits jetzt einen Großteil der Einsätze aus. Darüber hinaus gibt es Überlegungen des Bundes, die Leitstellen zu „Zentralen Gesundheitsleitstellen“ umzuwandeln. Das bedeutet, dass auch der kassenärztliche Notdienst oder eine Arztsuche über diese Zentren abgewickelt werden könnten.
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Hinzu kommen neue Entwicklungen wie telefonische Notärzte in der Leitstelle und technische Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz. Um diese Herausforderungen nicht an mehreren Leitstellen parallel bewältigen zu müssen, wäre eine einzige Leitstelle effizienter und qualitativ besser, so das Gutachten.
Zukunft der Kreisleitstellen noch ungewiss: Politische Entscheidung bis Frühjahr 2024 erwartet
Der virtuelle Leitstellenzusammenschluss war im Jahr 2007 umgesetzt worden, als es schon einmal darum ging, Kosten zu sparen und gleichzeitig für immer mehr Notrufe gewappnet zu sein. Trotz der Schwierigkeiten in der Struktur war der Zusammenschluss ein großer Vorteil, heißt es von den Leitstellen. Damals wie heute ist ein wiederkehrender Kritikpunkt an einer zentralen Leitstelle die fehlende Ortskenntnis. Hier könnte jedoch „moderne Technik wie Satellitenfotos, präzise Handyortung und Street-View-Bilder Abhilfe schaffen“, erklärte Gutachter Sven Ohrem. Die Situation sei nicht mehr mit der von vor 15 Jahren vergleichbar.
Bis eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der einzelnen Kreisleitstellen getroffen wird, kann es noch einige Zeit dauern. Aktuell wird das Gutachten in jedem Kreis einzeln vorgestellt. Eine politische Entscheidung wird bis Frühjahr 2024 erwartet. Erst danach würde die Suche nach einem möglichen Standort beginnen. „Das sind alles große Überlegungen“, sagte Jens Grote, Landrat des Heidekreises. Feststehe aber, dass „die Leistelle weiterentwickelt werden muss.“
Zwei Dinge stehen ebenso fest: Die Arbeitsplätze würden bei einer Fusion nicht wegfallen, sondern lediglich verlagert werden. In Harburg, Rotenburg (Wümme) und dem Heidekreis laufen die Verträge für die bestehende Leitstelle noch bis Ende 2028, in Lüneburg sogar bis 2030. Bis dahin bleiben die aktuellen Strukturen mindestens erhalten.