Winsen . Digitalisierung, neue App und vernetzte ehrenamtliche Ersthelfer: So wird die Rettungsleitstelle noch leistungsfähiger.
Hochwasser, Herzinfarkt und Hilfeleistung sind ihr Metier: Im Notfall sorgt der „Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz“ unter der Rufnummer 112 für schnelle Hilfe im Landkreis Harburg. Die Aufgaben und Anforderungen an die Rettungsdienste im Landkreis werden dank wachsender Bevölkerungszahlen und zunehmender Extremwetterlagen wie Sturm, Hitze oder Hochwasser immer komplexer. Deshalb wurde die neue Abteilung gegründet. Ihr Herzstück ist die Rettungsleitstelle. Dort werden alle Einsätze koordiniert.
Disponent koordiniert den Rettungseinsatz
Mit Sicherheitstüren, Zugangskontrolle und Kameraüberwachung sind die halbdunklen Räume in der Kreisverwaltung gesichert wie Fort Knox. Sieben Einsatzplätze gibt es in der Leitstelle. Drei sind ständig besetzt. So genannte Disponenten nehmen die Anrufe entgegen. Tino Burchardt (34) ist Feuerwehrmann und Notfallsanitäter.
Er hat die Bildschirme vor sich fest im Blick. Auf dem Touchscreen leuchtet ein orangeroter Balken auf – ein Notruf geht ein. Anhand eines präzisen Fragenkataloges schätzt der Disponent blitzschnell ein, um welchen Schweregrad es sich bei dem Hilfeersuchen handelt. Und entscheidet, welches Kräfteaufgebot er in Bewegung setzt.
Während der Disponent auf dem Touchscreen einen Einsatz anlegt, hält der Disponent den Anrufer weiter in der Leitung, gibt Anweisungen und Ratschläge – wenn nötig so lange, bis der Rettungswagen bei dem Hilfesuchenden angekommen ist.
Rund 40.000 Einsätze im Jahr
„Der größte Teil sind medizinische Hilfeersuchen wie Krankentransporte und Notfallrettungen. Etwa 40.000 Einsätze im Jahr. Rund 5000 Einsätze der Feuerwehr kommen hinzu“, sagt Konstantin Keuneke, ehemaliger Leiter der Leitstelle und seit kurzem Chef der neuen Abteilung.
Naturgefahren wie Starkregen, Stürme und Hochwasser hätten als Folge von Klimaveränderungen zugenommen und seien kaum vorhersehbar. „2018 herrschte extreme Trockenheit. Da hatten wir immer wieder zahlreiche kleinere Brände – auf Wiesen oder Getreidefeldern. Das Jahr 2017 war dagegen extrem stürmisch – wir alle erinnern uns an Xavier. Da hatten wir arg Stress.“
Bis zu sieben Disponenten bei Großlagen
Wenn eine „Lage“ herrscht – etwa bei einem Massenanfall von Verletzen nach einen Unfall auf der A7 oder bei Hochwasser – wird die Mannschaft in der Leitstelle kurzfristig auf bei zu sieben Disponenten aufgestockt.
Doch was geschieht bei einem Stromausfall? Wie wird gewährleistet, dass die Leitstelle auch dann funktioniert? „Im Fall eines Blackouts sorgt eine Batteriepufferung für Strom. Wenn die nicht ausreicht, haben wir einen Notstromgenerator. Und können zusätzlich einen Fremdgenerator anfordern.“ Sollte auch das nicht funktionieren, würden die Notrufe an den Heidekreis oder Rotenburg umgeleitet. Auch auf einen möglichen Hackerangriff im Landkreis bereite man sich vor.
Zwei Rettungswagen bekommen neue Standorte
In der Regel (mehr als 90 Prozent) dauert es keine 15 Minuten vom Notruf in der Leitstelle bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes am Einsatzort. Aber bei größeren Entfernungen klappt das im Landkreis nicht immer. „Wir verlagern deshalb im Frühjahr einen Rettungswagen von Drage nach Eichholz, um die Elbmarsch besser zu erreichen. Und einen Rettungswagen von Salzhausen nach Garlstorf, um die Gemeinde Hanstedt schneller zu erreichen.“
Katastrophenschutz wird digitalisiert
Zudem wird die digitale Transformation in Keunekes Abteilung vorangetrieben: Der Katastrophenschutzplan wird digitalisiert – bisher gibt es ihn nur als Katalog. Und in Zusammenarbeit mit der Leitstelle in Rotenburg wird eine App entwickelt, die es ermöglichen soll, als Ergänzung zum Rettungsdienst qualifizierte Ersthelfer im Landkreis innerhalb kürzester Zeit zum Ziel zu leiten, Stichwort „Mobile Retter“.
Und so funktioniert das System: „Die medizinischen Ersthelfer erhalten eine Nachricht auf ihr Telefon, dass es einen Notfall in ihrer Nähe gibt. Dann werden sie angefragt, ob sie den Fall übernehmen und Ersthilfe leisten können. Wenn sie ,ja’ sagen, werden sie über die App direkt an den Einsatzort geleitet“, sagt Keuneke. Der Vorteil: Die Hilfsfrist bis zum Eintreffen des Ersthelfers – etwa zur Wiederbelebung – wird verkürzt. In der zweiten Jahreshälfte soll die App einsatzbereit sein.