Harburg und Umland. Bei diesem Schmuddelwetter gibt‘s nur eins: Buch schnappen, ab auf die Couch. Das sind die Tipps von den Profi-Leseratten der Region.

Die Tage werden kürzer, draußen ist bestes norddeutsches Schmuddelwetter: Was gibt es Schöneres, als sich gerade jetzt mit einem Buch und einer Tasse Tee auf der Couch einzukuscheln. Doch das Angebot ist wie jeden Herbst unüberschaubar groß: Für welches der vielen neuen Bücher soll man sich nur entscheiden?

Wir haben Buchhändler und Buchhändlerinnen südlich der Elbe nach ihrer aktuell persönlichen Lieblingslektüre gefragt. Und spannende Antworten bekommen.

Buchtipps für den Herbst: Mitreißende Geschichten, alte Bekannte und ein Sachbuch, das uns die Welt erklärt

Uta Neb, Inhaberin der Buchhandlung Slawski in Buchholz.
Uta Neb, Inhaberin der Buchhandlung Slawski in Buchholz. © HA | Neb

Buchhandlung Slawski, Buchholz: Uta Neb empfiehlt „Die Nachbarn“ von J.J. Voskuil. Das urkomische Porträt einer Ehe, das erst nach dem Tod des Autors erscheinen durfte.

Darum geht es: Maarten und Nicolien – ein Paar mittleren Alters, ohne Kinder, dafür mit drei Katzen – lebt in einem Mehrparteienhaus in Amsterdam. In die Nachbarwohnung zieht ein schwules Paar ein, und die neuen Nachbarn lösen fundamentale Auseinandersetzungen zwischen den Ehepartnern aus. Voskuils Beschreibungen sind treffsicher, erschütternd, grotesk und dennoch humorvoll, findet Uta Neb, die „ein riesengroßes Lesevergnügen bei diesem wahnwitzigen Ehedrama“ empfunden hat.

Das Urteil: „Absolut lesenwert.“

Bettina Meyer, Inhaberin der Buchhandlung „Der Buchladen“ in Neugraben.
Bettina Meyer, Inhaberin der Buchhandlung „Der Buchladen“ in Neugraben. © HA | Sabine Lepél

Der Buchladen, Neugraben: Bettina Meyer empfiehlt „Die Formel der Hoffnung“ von Lynn Cullen. Das Buch erzählt vom Leben einer mutigen Frau, die Medizingeschichte schrieb und Vorbild wurde.

Darum geht es: Dorothy hat Großes vor: Sie will die Kinderlähmung bezwingen, die so viel Leid verursacht. „Ihre Erkenntnis, wie Polio im Blut übertragen wird, war bahnbrechend. Aber sich als Frau in den 1940er und 1950er-Jahren unter all den männlichen Wissenschaftlern durchzusetzen, das war fast aussichtslos“, so Meyer. Der Buchhändlerin imponiert, wie Dorothy ihren Weg unbeirrbar verfolgte: Allen Widerständen zum Trotz, bis sie ihre Erkenntnisse beweisen und somit den Weg zu einem Impfstoff freimachen konnte.

Das Urteil: „Auf der ganzen Linie meine absolute Leseempfehlung.“

Heide Koller-Duwe von der Buchhandlung Friedrich Schaumburg in Stade.
Heide Koller-Duwe von der Buchhandlung Friedrich Schaumburg in Stade. © HA | Sabine Lepél

Buchhandlung Friedrich Schaumburg, Stade: Heide Koller-Duwe empfiehlt „Das Wanderkind“ von Aude. Die bewegende Geschichte zweier Brüder mit großer Leuchtkraft.

Darum geht es: Die 2012 verstorbene Aude, bei der es sich eigentlich um die frankokanadische Autorin Claudette Charbonneau handelt, erzählt in dem Buch die Geschichte von zwei Brüdern. Hans trauert um seinen zerbrechlich wirkenden Zwillingsbruder, genannt der Kleine, der trotz zahlreicher Beeinträchtigungen in sich selbst ruhte. Vor acht Monaten ist er gestorben.

Aber Hans hat das Gefühl, dass er immer noch da ist. Sein Bruder hat ihn - den kräftigen, aber ängstlichen Hans - von Beginn an gestärkt, und Hans weiß um seine Abhängigkeit. Nun muss sich zeigen, ob die Zuversicht des Kleinen auch nach seinem Tod den Bruder und die gesamte Familie durch die Krisen des Lebens trägt. Das Buch passe gut in die aktuell schwierigen Zeiten, meint Koller-Duwe: „Im Bewusstsein um die Brüchigkeit des Daseins einerseits und die Tragfähigkeit menschlicher Beziehungen andererseits ermutigt es, loszulassen und auf die Güte des Lebens zu vertrauen“, sagt die Buchhändlerin.

Das Urteil: „Dieses Buch ist ein literarisches Kleinod von großer Leuchtkraft, das existenzielle Fragen aufwirft.“

Britta Gerken von der Altstadtbuchhandlung in Buxtehude.
Britta Gerken von der Altstadtbuchhandlung in Buxtehude. © HA | Gerken

Altstadtbuchhandlung, Buxtehude: Britta Gerken empfiehlt „Vom Himmel die Sterne“ von Jeanette Walls. Eine sprachlich tolle Geschichte, das die Zeit der Prohibition in Virginia wiedergibt.

Darum geht es: Im Mittelpunkt des Romans steht eine starke Frauenfigur: Sallie ist die Tochter des Dukes, einer der mächtigsten Männer in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Virginia. Ihre Mutter stirbt als sie fünf ist, und ihr Vater heiratet sehr schnell wieder. Die Stiefmutter schenkt ihm den ersehnten Sohn, Sallie rückt in den Hintergrund. Als der kleine Bruder bei einem durch Sallie verursachten Unfall verletzt wird, verstößt die Stiefmutter die Stieftochter, und sie muss bei ihrer Tante leben. Mit 17 kehrt Sallie zurück, die Ereignisse überschlagen sich, und plötzlich ist sie das Oberhaupt der Familie. Und sie ist entschlossen, sich zu behaupten. Was Gerken an dem Buch besonders gefällt: „Sallie ist scharfsinnig, mutig, unerschrocken und humorvoll – trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer schwierigen Situation.“

Das Urteil: „Ein bewegendes Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen möchte.“

Detlef Bede Lüdemann, Inhaber der Buchhandlung „Lüdebuch“ in Wilhelmsburg.
Detlef Bede Lüdemann, Inhaber der Buchhandlung „Lüdebuch“ in Wilhelmsburg. © HA | Lüdemann

Buchhandlung Lüdebuch in Wilhelmsburg: Detlef Bede Lüdemann empfiehlt „Sylter Welle“ von Max Richard Leßmann. Ein schöner, leichter und skurriler Sylt-Roman, der sich echt anfühlt. Wobei: Er könnte auch auf Fehmarn spielen.

Darum geht es: „Sylter Welle“ ist der erste Roman des Autors, Sängers und Instagram-Phänomens Leßmann. Sein Debüt ist eine schmerzhaft schöne Liebeserklärung an die Generation der Großeltern: Zwanzig Jahre lang hat der kleine Max seine Sommerferien bei Oma Lore und Opa Ludwig auf dem Sylter Campingplatz verbracht. Jetzt sind sie alt und absolvieren ihren turnusmäßigen Sylt-Urlaub in einer Ferienwohnung.

Max kommt für drei Tage zu Besuch. Alles ist sehr vertraut und doch irgendwie merkwürdig. Oma Lore dominiert wie eh und je, aber Opa Ludwig ist diesmal verändert. Und dann geht er auch noch am Strand verloren...

Tanja Drecke von der Buxtehuder Buchhandlung „Schwarz auf Weiß“.
Tanja Drecke von der Buxtehuder Buchhandlung „Schwarz auf Weiß“. © HA | Sabine Lepél

Buchhandlung Schwarz auf Weiß, Buxtehude: Tanja Drecke ist hingerissen von dem Buch „Der letzte seiner Art“ von Sibylle Grimbert. Die berührende Geschichte einer Freundschaft zwischen einem Riesenalk und seinem Erretter in nordisch rauer Natur.

Darum geht es: Der Roman begleitet Auguste, genannt Gus, von dem Moment an, als er 1835 Zeuge der Auslöschung einer isländischen Riesenalk-Kolonie wird. Es gelingt ihm, einen lebenden, wenn auch verletzten Riesenalk aus dem Meer zu retten. Gus nimmt das Tier zu sich und beobachtet es täglich, um es zu erforschen. Seine Sicht auf den Vogel verändert sich, er gibt ihm einen Namen, geht mit ihm schwimmen und verteidigt ihn vor den gierigen Verfolgern. Dabei befindet sich Gus in einem stetigen Zwiespalt.

„Das Buch ist lesenswert, weil es auf poetische Weise berührt, entführt und aufrüttelt“, sagt Drecke. Sie legt es besonders Menschen ans Herz, die „Nature Writing“ lieben, gern feinsinnige, leise Bücher lesen und an die Verbundenheit zwischen Mensch und Tier glauben. „Sibylle Grimbert hat mit dem Buch nicht nur dem ausgestorbenen Riesenalk ein Denkmal gesetzt, sondern auch einen historischen Roman über die Freundschaft zwischen diesem großen, flugunfähigen Vogel und seinem Erretter gezaubert“, sagt Drecke.

Das Urteil: „Ich habe die 400 Seiten in einem Rutsch durchgelesen.“

Jan Orthey, Inhaber der Buchhandlung Lünebuch in Lüneburg.
Jan Orthey, Inhaber der Buchhandlung Lünebuch in Lüneburg. © HA | Lünebuch

Buchhandlung Lünebuch, Lüneburg: Jan Orthey hat sich für das Sachbuch „Welt in Aufruhr. Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert“ von Herfried Münkler entschieden.

Darum geht es: „Wir leben in unbestreitbar turbulenten Zeiten, unsere westeuropäischen Werte geraten täglich in heftigste Erschütterungen. Jetzt sind Wissen, Verständnis und Reflexion gefragt“, meint Orthey. Hier leiste Herfried Münklers neues Werk Aufklärung. „Münkler erläutert Geschichte und Vergangenheit, die Prozesse rund um das Entstehen der politischen Weltordnungen, zeigt Möglichkeiten und Grenzen auf. Er reicht uns das erforderliche Wissen, um aktuelle Strömungen, Bewegungen und Entwicklungen einschätzen und Narrative einordnen zu können“, findet der Inhaber von Lünebuch.

In seiner „gedankenfunkelnden“ geopolitischen Analyse zeige Münkler auf, wo zukünftige Konfliktlinien verlaufen und gibt Ausblick auf die Machtkonstellationen des 21. Jahrhunderts. „Dieses relevante Werk lege ich allen ans Herz, die aufgrund des Weltgeschehens nicht verzagen oder verzweifeln wollen. Es hilft beim Verstehen – und macht dadurch Mut, den Blick in eine mit vielen Fragezeichen versehene Zukunft zu wagen“, sagt Orthey.

Das Urteil: „Ein Buch, das brillant zum eigenen Denken anregt.“

Georg Schmitt von der Buchhandlung am Sand in Harburg.
Georg Schmitt von der Buchhandlung am Sand in Harburg. © HA | Schmitt

Buchhandlung am Sand, Harburg: Georg Schmitt ist begeistert von „Nicht von dieser Welt“ von Michael Ebert. Großes Buch-Kino à la ,Tschick‘: erfrischend anders und verrückt.

Darum geht es: Im Mittelpunkt der Handlung steht der 13-jährige Mischa, der nach dem Tod seines Vaters in einer kleinen Personalwohnung des örtlichen Krankenhauses unterkommt. Seine Mutter ist dort als Krankenschwester angestellt und hat wenig Zeit, sich um ihren Sohn zu kümmern, da sie rund um die Uhr arbeitet. Mischas Leben wird komplett auf den Kopf gestellt, als sich der französische Austauschschüler als ein 17-jähriges Mädchen entpuppt. Mischa lernt durch Sola jede Menge fürs Leben, und die junge Frau aus Zaire weckt seine Neugier, als sie von einem großen „Ostmark-Schatz“ erzählt, der noch irgendwo in einem Stollen in der Nähe von Halberstadt versteckt sein soll. Damit beginnt eine abenteuerliche Reise, die so einiges an Überraschungen für die beiden jungen Menschen bereithält.

Das Urteil: „Von diesem Roman schwärmen auch Herbert Grönemeyer und Christine Westermann.“

Rita Körner von der Buxtehuder Buchhandlung „Literatur im Zimmer“.
Rita Körner von der Buxtehuder Buchhandlung „Literatur im Zimmer“. © HA | Körner

Buchtipp für den Herbst: Wenn einem die Hauptfigur nicht mehr aus dem Kopf geht

Buchhandlung Literatur im Zimmer, Buxtehude: Rita Körner empfiehlt „Kein guter Mann“ von Andreas Izquierdo. Eine bittersüße Geschichte über Sehnsucht, Freundschaft und verloren geglaubte Nähe.

Darum geht es: Walter ist ein älterer Postbeamter, ein ganz und gar pflichtbewusster und dickköpfiger Mann, an dem jeder Konflikt nach dem Motto „Nicht meine Schuld!“ abperlt. Kein Wunder, dass Walter nicht nur bei den Arbeitskollegen aneckt, sondern auch bei seiner Vorgesetzten, die ihn schließlich genervt in die Weihnachtspoststelle nach Engelskirchen versetzt.

Hadernd und grummelig tütet Walter nun täglich vorgefertigte Antwortschreiben auf unverschämte Kinderwünsche ein, bis er eines Tages einen Brief in seinen Händen hält, der an Gott adressiert ist. Hinter dem Schreiber steckt der zehnjährige Ben. Gott möge ihm doch bitte einen Klempner schicken, lautet seine Bitte. Während sich zwischen „Gott“ alias Walter und Ben ein reger Briefkontakt entwickelt, taucht der Leser nebenbei in das Leben und in die Vergangenheit von Walter ein.

Das Urteil: „Walter ist mir noch Tage später im Kopf geblieben.“