Neu Wulmstorf. Der Neu Wulmstorfer Geflügelwirt über Ernährungs-Irrtümer, Tierwohl-Fragen und die unsichtbaren Folgen des Kükentöten-Verbots.
„Eier liegen voll im Trend“, sagt Henner Schönecke, und er hat einen guten Anlass dafür: Am 13. Oktober ist – wer feiert ihn nicht – „Welt-Ei-Tag“. Dieser Tag findet immer am zweiten Freitag im Oktober statt und soll darauf hinweisen, dass Eier seit Jahrhunderten einen wichtigen Beitrag zur gesunden Ernährung leisten.
Schönecke ist Vorsitzender des Bundesverband der deutschen Eiererzeuger (BVEi) und geschäftsführender Gesellschafter der Schönecke GmbH in Neu Wulmstorf. Er führt den 1914 gegründeten Familienbetrieb, den er von seinem Vater Heiner Schönecke übernommen hat, in vierter Generation. Im Neu Wulmstorfer Ortsteil Ardestorf halten die Schöneckes ihre Legehennen in Boden- und Freilandhaltung.
Das Ei ist eine Proteinbombe – vor allem das Eigelb
Das Ei sei ein echtes Trendprodukt, sagt Schönecke: „Gerade Sportler habe es für sich wiederentdeckt, weil Eier eine Proteinbombe sind“, sagt Schönecke. Wobei die Bezeichnung des weißen Teils im Ei als Eiweiß irreführend sei, denn es stecke deutlich mehr Eiweiß, also Protein, im Eigelb, weiß der Eier-Experte.
Das Ei habe zudem in fast allen Küchen der verschiedenen Kulturen in Deutschland einen festen Platz. Egal ob im angesagten Shakshuka, als Rührei, beim Sonntagsfrühstück oder im Kuchen: In der Beliebtheit stehen die Eier unvermindert hoch im Kurs, wie Zahlen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft belegen. Demnach lag der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland 2022 bei 230 Eiern. Am liebsten greifen die Verbraucher beim Einkauf zu heimischen Eiern – gern aus Boden- oder Freilandhaltung.
Neuer Besucherraum in Neu Wulmstorf gewährt Blick in den Stall
Schönecke hält seine Legehennen schon seit zwanzig Jahren in Freilandhaltung und produziert auch Bio-Eier. „Der Auslauf bietet den Hennen auf mehr als vier Quadratmetern pro Tier gute Lebensbedingungen. Sie können scharren, picken, im Sand baden und umherwandern“, sagt Henner Schönecke. Aus einem neuen Besucherraum am Stall können Kunden und Gäste in den Stall schauen. „Im Stall finden die Hennen Futter und Wasser und ein ruhiges Nest für das ungestörte Eierlegen“, sagt Schönecke.
In der Packstelle durchlaufen alle Eier täglich eine Qualitätskontrolle. 25.000 Eier werden dort pro Stunde verpackt. Jedes Ei wird durchleuchtet und begutachtet. „Nur qualitativ einwandfreie Eier mit sauberer, intakter Schale kommen in die Schachtel“, sagt Schönecke. Anschließend werden die Eier in Vierer-, Sechser- und Zehner-Schachteln oder auf Pappen mit 30 Stück verpackt.
Henner Schönecke ist „Hühnerbaron in vierter Generation“
„Bei unseren Kunden sind auch die kleinen Körbe mit 20 Freiland-Minis sehr beliebt. Sie werden tatsächlich von Hand befüllt“, so Schönecke. Der gelernte Landwirt lernte das Geflügelhandwerk in zwei Betrieben in Nordrhein-Westfalen von der Pike auf. Von seinen Eltern mit einem gesunden Pioniergeist ausgestattet, hält er im eigenen Betrieb bereits seit Ende der 1990er-Jahre Legehennen in Freilandhaltung. Seine Expertise bringt der „Hühnerbaron in vierter Generation“ seit 2009 im Gesamtvorstand der niedersächsischen Geflügelwirtschaft (NGW) und dort auch als Vorsitzender des Arbeitskreises „Alternative Legehennenhaltung“ ein.
Krieg, Energiekrise, Inflation, drohende Geflügelpest und viele Vorschriften und Auflagen – das macht den deutschen Eierproduzenten zu schaffen. „Es gab schon Jahre, die ruhiger vor sich hinplätscherten als die vergangenen“, sagt Schönecke. „Aber unser Betrieb ist schon immer von nahezu täglichen Neuerungen geprägt, seien es technologische Fortschritte oder die Errungenschaften in Sachen Tierwohl. Wir sind so gut wie komplett digitalisiert, und wir können ins Innere der Eier schauen.“
Das Tierwohl sollte immer mitgedacht werden, sagt Schönecke
Die Geflügelbranche habe ihre Hausaufgaben gemacht. „Nun leisten wir uns in Deutschland die Diskussion darüber, ob wir mit wertvollem Getreide Bruderhähne aufziehen und wie früh wir bis 2024 die Geschlechtsbestimmung im Ei durchführen können.“ Das sei gut und vorbildlich. „Wir alle wünschen uns Tierwohl. Bei Schönecke stellen wir es an die erste Stelle, erst dann folgt die Preisfindung.“
Bei der Forderung nach guten, erschwinglichen Lebensmitteln sollte Tierwohl immer mitgedacht werden, meint Schönecke. Doch die Erzeuger tierischer Produkte folgten längst nicht mehr nur den eigenen Überzeugungen, sondern seien Vorschriften, Gesetzen und Verbraucherwünschen verpflichtet. „Inzwischen beschäftigt sich eine Mitarbeiterin bei uns ausschließlich mit Qualitätsmanagement und Dokumentation – in Bereichen, in denen uns früher der sogenannte gesunde Menschenverstand und die Ehrbarkeit des Kaufmanns geleitet haben“, sagt der Geschäftsführer.
Küken werden überwiegend nicht mehr in Deutschland ausgebrütet
Teilweise bewirkten neue Vorschriften keine Verbesserung für das Tierwohl, sondern eher das Gegenteil, so Schönecke. Er nennt als Beispiel das Verbot des Kükentötens. „Seit dem Inkrafttreten des gesetzlichen Verbots des Kükentötens am 1. Januar 2022 werden Küken überwiegend nicht mehr in Deutschland ausgebrütet. Fast 40 Prozent der heimischen Brütereien haben ihre Betriebe geschlossen, eine Abschwächung dieser Tendenz ist nicht in Sicht.“
Somit seien deutsche Legehennenhalter gezwungen, auf importierte Junghennen zurückzugreifen. „Spitz formuliert: Das Verbot hat aus dem Kükentöten einen ,Exportschlager‘ gemacht. Es hat das Problem nur auf die lange Bank geschoben. Wenn die ausgebrüteten Küken einen kilometerweiten Transportweg aus dem Ausland über sich ergehen lassen müssen, während die Bruderhähne andernorts geschlachtet werden, kann von Tierwohl keine Rede sein“, sagt Schönecke.
„Es muss klar erkennbar sein, ob Küken für das Produkt getötet wurden oder nicht“
Der BVEi-Vorsitzende stellt Forderungen an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: „Wir brauchen einheitliche, europaweite Standards. Nur wenn die heimischen Brütereien unter den gleichen Bedingungen wirtschaften können wie ihre Wettbewerber im Ausland, kann ein hohes Maß an Tierwohl dauerhaft in der EU und damit in Deutschland garantiert werden.“
Außerdem müsse mehr Transparenz für die Verbraucher her: „Beim Kauf von Eiern und allen Produkten, die Ei enthalten, muss klar erkennbar sein, ob Küken getötet wurden oder nicht. Das lässt sich nur über eine eindeutige Kennzeichnung auf allen Produkten lösen“, so der Verbandschef. Für die Schönecke-Eier sei das bereits über das „Ohne Kükentöten“-Siegel gelöst. „Es bedarf jedoch einer einheitlichen Kennzeichnung“, meint Schönecke.
Ökologische Tierhaltung bei Hühnern steigt an
Außerdem benötige die Branche finanzielle Unterstützung, um das Aussterben der Brütereien aufzuhalten. „Jetzt ist die Bundesregierung herausgefordert, ihren nationalen Alleingang zu beenden und EU-weite Rahmenbedingungen für echte Verbesserungen im Tierwohl durchzusetzen“, sagt Schönecke. „Wenn Deutschland in seiner Vorreiterrolle in Europa allein dasteht, ist niemanden geholfen.“
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Allerdings wird nicht überall so konsequent aufs Tierwohl geschaut wie bei der Schönecke GmbH – wenn auch bundesweit Verbesserungen zu verzeichnen sind. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden in Deutschland im Jahr 2022 rund 13,2 Mrd. Eier auf Bauernhöfen mit mindestens 3000 Hennenhaltungsplätzen gelegt, was ein Plus von 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet.
Die Bodenhaltung war mit 26,2 Millionen Tieren und einem Anteil von 59,7 Prozent der Eier trotz eines rückläufigen Anteils erneut die dominierende Haltungsform in Deutschland. Vor fünf Jahren lag ihr Anteil noch bei 65,4 Prozent. Entsprechend erhöhten sich der Anteil von Eiern aus Freilandhaltung von 15,9 Prozent auf 21,5 Prozent. Bei der ökologischen Haltung stieg die durchschnittliche Zahl der Legehennen auf 6,2 Millionen Tiere – ein Plus von 7,1 Prozent. Die ökologisch gehaltenen Hühner legten im vergangenen Jahr gut 1,8 Milliarden Eier, womit ihr Anteil von 10,7 Prozent auf 13,8 Prozent an der Gesamteiererzeugung stieg.
Wie auch schon in den Vorjahren ist die Zahl der Tiere in Kleingruppen-Käfigen nach Angaben des Niedersächsischen Landvolks im vergangenen Jahr auf knapp 2,2 Millionen Tiere gesunken. Ab Ende 2025 ist diese Haltungsform verboten.