Hamburg. Kuchen, Saucen, Cremes – was wäre das alles ohne ein Produkt, das auch für das Leben an sich steht?
Das Ei ist wirklich ein göttlicher Einfall der Schöpfung: vollkommen in der Form, universell im Inhalt, fertig verpackt. Was wäre ohne Eier aus den Konditoren, Patissiers und dem Osterhasen geworden? Vom Ei des Kolumbus ganz zu schweigen. Mehr als nur klar und gelb ist das Ei allgegenwärtig in Backwaren und Nudeln, in Saucen, in den verschiedensten Formen auf dem Speiseplan und in unserer jüngeren Kulturgeschichte. Für Helga Beimer ist ein Spiegelei in der ARD-Serie „Lindenstraße“ ein Seelentröster, Loriot hat in seinem Sketch „Das Frühstücksei“ den grandiosen Beweis erbracht, dass Männer und Frauen oft aneinander vorbeireden. Und in Zeiten ohne Snackpoints und To-go-Verpflegung gehörten hartgekochte Eier zum unerlässlichen Reiseproviant.
Etwa 230 Eier verzehrt der Deutsche durchschnittlich pro Jahr
Im Christentum wurde das Ei zum Symbol für die Auferstehung Jesu Christi. Zur Erinnerung an seine Leiden und daran, dass er sein Blut für die Erlösung der Menschheit vergossen hat, wurden Eier rot gefärbt.
Dass Eier zum Ostergeschenk wurden, hat sicher auch praktische Gründe. Seit dem Mittelalter verbot die Kirche in der vorösterlichen Fastenzeit den Verzehr von Fleisch und Eierspeisen. Die Folge war, dass sich vor Ostern viele Eier ansammelten, zumal der Vorfrühling eine gute Legezeit der Hühner ist. Damit der Überschuss nicht verdarb, wurden die Eier abgekocht und haltbar gemacht. Den um Ostern fällig gewordenen Pachtzins entrichteten die Bauern üblicherweise mit den angesammelten Eiern. Die restlichen wurden verziert, zur Weihe in die Kirche mitgenommen und anschließend verschenkt.
Etwa 230 Eier verzehrt der Deutsche durchschnittlich pro Jahr. Ein mittleres Ei der Größe M wiegt mindestens 53 bis unter 63 Gramm und hat rund 70 Kilokalorien. Es besteht zu 73 Prozent aus Wasser, zu zehn Prozent aus Fett, zu zwölf Prozent aus Eiweiß, den Rest machen Vitamine und Mineralien aus. Die anderen Gewichtsklassen sind XL (mindestens 73 Gramm), L (63 bis unter 73 Gramm) und S (unter 53 Gramm).
Wie frisch ein Ei ist, zeigt sich, wenn man es in ins Wasser legt
Der Einzelhandel verkauft in der Regel Eier der Güteklasse A. Die Schale muss sauber und unbeschädigt sein sowie eine normale Form haben. Die Luftkammer muss unbeweglich und höchstens 6 Millimeter hoch sein. Der Eidotter darf bei Durchleuchtung nur schattenhaft sichtbar sein und muss auch bei Drehung zentral bleiben, das Eiklar muss klar und durchsichtig sein. Nicht zulässig sind Fremdgeruch, fremde Ein- und Auflagerungen oder ein sichtbarer Keim.
Acht bis zehn Tage nach Legedatum landen die Eier meistens im Handel. Die Schale schützt das Innere vor Keimen und Bakterien. Spätestens vom 18. Tag an und zehn Tage vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) gehören Eier in den Kühlschrank.
Wie frisch ein Ei ist, zeigt sich, wenn man es in ein Glas Wasser legt. Sinkt es zu Boden, ist es in Ordnung, schwimmt es aber oben, sollte man es wegwerfen.
Hühner, die frische Pflanzen, Samen, Schnecken und Insekten fressen, legen nährstoffreichere Eier. Ob die Schale weiß oder braun ist, hängt von der Hühnerrasse ab. Die braune Farbe entsteht durch Farbstoffe, die sich in der Schale ablagern. In Chile gibt es sogar Eier, deren Schale bläulich schimmert. Neuesten Studien zufolge schadet auch das in Eiern enthaltene Cholesterin gesunden Menschen nicht.
Klassiker auf dem Frühstückstisch ist das gekochte Hühnerei
Als Hilfsmittel in der Küche sind Eier unverzichtbar. Mit Eigelb kann man blasse Saucen färben, dünne legieren, flüssige Butter zur Hollandaise aufschlagen, Öl in Mayonnaise verwandeln, ein Tatar abrunden. Eischnee macht Cremes und Teig leicht und locker. Eiweiß klärt trübe Rinderbrühe und besteht auch den Test als Lebensmittel-Kleber.
Der Klassiker auf dem Frühstückstisch ist das gekochte Hühnerei. Ob das Eigelb flüssig, wachsweich oder hart sein sollte, ist Geschmackssache. Das Anpiksen an der stumpfen Seite, wo die Luftblase sitzt, soll ein Platzen der Eier verhindern, wenn sie ins kochende Wasser gelangen. Und sie sollten auch nicht direkt aus dem Kühlschrank kommen.
Luxuriös muten Eier im Glas an. Dafür werden die weichgekocht, gepellt und mit Salz sowie Schnittlauch bestreut im Weinglas serviert.
Hartgekochte Eier können auch in Salat verarbeitet oder gefüllt werden. Dazu die Eier längs halbieren, das Gelbe vorsichtig auslösen und nach Geschmack mit Sahne, Senf, Mayonnaise, Crème fraîche, Tomatenmark, Kräutern und Gewürzen verrühren. Die Masse in einen Spritzbeutel füllen, in die Eiweißhälften verteilen, mit Kaviar, Lachs, Sardellen dekorieren. Sehr retro, sehr lecker! Für den früher beliebten Kneipen-Snack Soleier werden die Schalen von hartgekochten Eiern rundum angeschlagen. Salzlake entsprechend der Anzahl der Eier mit Kräutern und Gewürzen aufkochen, abkühlen lassen und die Eier einlegen. Nach ein bis zwei Tagen können sie gegessen werden.
Wie Meisterkoch Escoffier das Rührei aromatisierte
Pochierte Eier sind schon schwieriger. Dafür wird ein Ei in einer Schöpfkelle aufgeschlagen, dann lässt man es langsam in siedendes Wasser gleiten. Ein Schuss Essig im Wasser sorgt dafür, dass das Eiweiß besser gerinnt und sich schützend um das Dotter legt, welches nach drei bis vier Minuten innen noch flüssig sein sollte.
Als „Egg Benedict“ gehört so ein Ei auf Röstbrot oder Brioche mit Bacon oder gekochtem Schinken und Sauce hollandaise zu einem amerikanischen Frühstück. Und in coolen Cafés ist das pochierte Ei auf Avocado-Brot meist schon Standard.
Echte Profis können es mit einer Hand in die Pfanne schlagen: das Spiegelei. Wenn die Pfanne zu heiß ist, wird das Eiweiß dunkel, ehe das Dotter gar ist. Bei lauwarmer Pfanne wird das Eiweiß nicht fest, das Dotter trocknet aus. Butter, mittlere Hitze und Geduld sind also gefragt. In der Regel wird das Spiegelei „sunny side up“, also mit dem Eigelb nach oben, gegessen. Das Dotter noch flüssig, das Eiweiß gestockt, der Rand knusprig – so ist es für viele perfekt. Für „over easy“ oder „over medium“ wird das Spiegelei gewendet, damit auch das Gelbe anbrät oder stockt. Spiegeleier schmecken zu Leberkäse, Spinat, Labskaus oder Bratkartoffeln, werden mit Schinken auf Brot zum „Strammen Max“ oder machen ein Schnitzel zur Variante „Holstein“.
Rührei muss locker, weich und großflockig sein
Für Rührei werden Eier aufgeschlagen und verquirlt, gern auch mit einem Schuss Milch, Sahne oder Mineralwasser, gewürzt und in einer Pfanne bewegt, bis die Masse stockt. Aufgepeppt werden kann sie mit Trüffeln und Kaviar, Lachs oder Krabben. Meisterkoch Auguste Escoffier (1846–1935) rührte die Eier in der Pfanne mit einem Messer, auf dessen Spitze eine geschälte Knoblauchzehe steckte. Très bon.
Rührei muss locker, weich und großflockig sein. Gute Hotels erkennt man daran, dass zum Frühstück individuelle Eierspeisen aus frischen Eiern zubereitet werden. Dort kommt die gelbe Masse nicht aus dem Tetrapack oder wird aus Pulver und Wasser angerührt. Wenn Rührei so zubereitet wird, ist es meist wässrig und schmeckt wie Bauschaum.
Und dann gibt es noch Omeletts und Pfannkuchen, Crêpes, Palatschinken und Kaiserschmarrn, Salzburger Nockerln und Soufflés, Frittata, Tortilla und Quiche, Eierlikör, -milch, -punsch und Zabaione, Eierstich als Suppeneinlage und Eierbutter als Brotaufstrich, rohes Ei mit Tabasco gegen einen Kater, und hartgekochte Eier in Senfsauce, Eischnee für Baisers und Kokosmakronen, und, und, und.
Applaus für den Küchenstar aus dem Hühnerstall!