Lüneburg. Der Klimawandel macht den Bäumen zu schaffen. Förster erklärt, warum das vielen Menschen nahe geht und wie der Wald noch zu retten ist.
Der Wald wird für viele Menschen immer wertvoller, er ist Erholungsort, Ausflugsziel, Lernort und nicht zuletzt ein wichtiger CO2-Speicher. Etwa ein Viertel der Fläche Niedersachsens ist bewaldet. Doch der Wald steht vor großen Herausforderungen: Die Folgen des Klimawandels schwächen viele Bäume, machen sie zur leichten Beute für Schädlinge wie den Borkenkäfer.
Die abgestorbenen Fichten in vielen Gegenden Deutschlands, wie im Harz, sind das wohl sichtbarste Zeichen für diesen Waldstress. Doch auch in den Mischwäldern Niedersachsens sind die Folgen bereits deutlich zu spüren.
Lüneburger Förster baut seinen Wald um – für die Zukunft im Klimawandel
Helfen kann nur ein gewaltiger Umbau des Waldes, davon ist Per-Ole Wittenburg überzeugt. Der Förster ist dafür zuständig, diesen Umbau in den Wäldern Lüneburgs konsequent weiter voranzutreiben. Wie das funktionieren soll, erklärt er bei einem Gang durch den Lüner Forst.
Das Waldstück im Norden der Stadt ist nach dem nahe gelegenen Kloster Lüne benannt. Bis zu 400 Jahre alt sind einige der Bäume hier, zwischen gesunden Eichen, Buchen und Ulmen sind auch einzelne abgestorbene Bäume zu erkennen.
Trockenheit und Starkregen schwächen die Bäume im Wald
In den vergangenen Jahren seien viele Herausforderungen für den Wald hinzugekommen, sagt Wittenburg. Dabei meint er insbesondere die Zeit seit 2018, als ein extrem heißer und trockener Sommer eine neue Phase der Trockenheit einläutete. Die Temperatur sei allerdings für die Bäume nicht so entscheidend. „Das Wasser ist der begrenzende Faktor.“
Und beim Regen habe sich „dramatisch“ die Qualität verändert, sagt Wittenburg. „Im Sommer haben wir nicht mehr den klassischen Landregen. Stattdessen kommt erst über Monate nichts und dann mit einem Mal massive Wassermengen, die dann nicht in den trockenen Boden einsickern können.“ Dieser Stress schwächt die Bäume, doch der Förster hat beobachtet, dass einige Bestände sich trotz sechs Jahre Trockenheit erstaunlich gut erholen. Offenbar passen sie ihre Strategien zu einem gewissen Teil den neuen Gegebenheiten an.
Käfer und Pilze können geschwächte Bäume befallen und töten
Grundsätzlich machen die klimatischen Extreme die Bäume aber anfälliger für kleine Angreifer, die ihnen nachhaltig schaden können. „Nicht die Trockenheit an sich tötet einen Baum, sondern die sekundären Schädlinge“, sagt der 47-Jährige. Käfer und Pilze befallen gezielt den geschwächten Baum und finden derzeit gute Bedingungen vor. Die Folgen sind beispielsweise die großen Lücken in bisherigen Fichtenwäldern, in den der Borkenkäfer ganze Waldstücke vernichtet hat.
Zu Trockenheit und Starkregen kommen immer öfter auch Stürme, die die Bäume zusätzlich strapazieren. „Sturm ist immer schlecht“, meint der Lüneburger Förster. Und durch die kränkelnden Bäume nähmen auch die Gefahren für die Menschen im Wald zu. Das betreffe nicht nur die sogenannten Großschäden, wie sichtbar abgebrochene oder angeknackste Äste oder auch umgekippte Bäume.
Geschwächter Wald birgt auch Gefahren für Spaziergänger und Radfahrer
Diese Stellen könnten relativ schnell gesichert werden. „Aber danach herrscht eine trügerische Sicherheit. Einige Bäume hängen nach einem Sturm sprichwörtlich nur noch am seidenen Faden, haben kaum mehr Halt durch ihre Wurzeln.“
Diese sichtbaren und unsichtbaren Schäden haben zugenommen und damit auch der Aufwand für die Mitarbeiter des städtischen Forstamts. Denn in Lüneburg müssen vergleichsweise viele Wege, es geht um eine Gesamtstrecke von etwa 50 Kilometer, verkehrssicher gemacht werden. „Das ist eine Mammutaufgabe“, sagt Wittenburg. Im Lüner Forst verlaufen keine gewidmeten Straßen, hier herrscht vor allem nach einem Sturm die „waldtypische Gefahr“, die alle Waldbesucher unbedingt beachten sollten.
Bäume der Zukunft müssen mit klimatischen Extremen umgehen können
Um den Wald für die Zukunft zu stärken, setzt der Förster bei den Nachpflanzungen auf Laubbäume. Sie sind klimaresistenter als Nadelbäume. „Bäume, die zukunftsfähig sind, können mit extremen Bedingungen gut umgehen.“ Sie halten es gut aus, wenn es sehr nass oder sehr trocken ist und wenn sie sehr viele oder wenige Nährstoffe erhalten. Diese Eigenschaften haben zum Beispiel die Stiel- und die Traubeneiche, erläutert der Förster. „Eichen spielen eine große Rolle beim Umbau des Waldes.“
Die Buche dagegen ist ein spezieller Fall, sie zählt zwar zu den vorherrschenden Arten in Deutschlands Wäldern, kann jedoch all diese Schwankungen nicht gut ertragen. „Die Buche eine der Baumarten, die am empfindlichsten auf die Klimaveränderungen reagiert“, sagt Wittenburg. Hier müsse sich noch zeigen, welche Zukunft die Buche haben wird.
Buchen und Eichen lösen langsam die Nadelbäume im Wald ab
Der Umbau des Waldes ist eine Aufgabe, die Geduld erfordert. Bereits seit drei Jahrzehnten werden die Wälder nicht nur in Lüneburg intensiv umgebaut. Laub- und Mischwälder lösen die Nadelwälder nach und nach ab. „Es gibt seit längerem ein Umdenken“, sagt der Förster. Die Ergebnisse seien jedoch naturgemäß nicht so schnell sichtbar. „Buchen und Eichen wachsen langsam.“
Derzeit sind in der unteren Schicht im Lüneburger Wald, die aus den jüngeren, nachwachsenden Bäumen besteht, bereits 90 Prozent Laubbäume. In der sogenannten herrschenden Schicht ganz oben beträgt ihr Anteil etwa 40 Prozent. Mit steigender Tendenz, betont Per-Ole Wittenburg. Er ist daher optimistisch, was die Zukunft des Waldes angeht – wenngleich hier eben Geduld gefordert ist. „In 100 Jahren wird die führende Baumschicht voraussichtlich zu 80 Prozent aus Laubbäumen bestehen.“
Der Wald ist ein emotionales Thema für viele Menschen geworden
Die Sorge um den Wald ist dagegen ein aktuell drängendes Gefühl. Viele Menschen befürchten, den Wald, so wie sie ihn kennen und lieb gewonnen haben, zu verlieren. „Die Leute wollen nicht, dass sich in ‚ihrem‘ Wald etwas verändert“, sagt der gebürtige Lüneburger, der selbst in der Stadt lebt.
Während der Förster den notwendigen Wandel des Waldes erklärt, hat er den Weg zwischen den Bäumen aufmerksam im Blick. Immer wieder rauschen Radfahrer um die Kurven, viele Bewohner der Gegend nutzen die neu ausgebaute Fahrradroute zwischen Adendorf und Lüneburg. Der Wald wird wieder stärker zu einem Ort, an dem sich nicht nur diese Radfahrer selbstverständlich aufhalten, er gehört zu ihrem Alltag.
Im Lüneburger Wald lenkt der Förster den Wandel durch neue Bäume in gute Bahnen
„Durch die Klimaveränderung seit 2018 ist das Bewusstsein für den Schutz des Waldes definitiv stärker geworden“, sagt Wittenburg. Die Diskussionen würden jedoch selten fachlich geführt, sondern seien eher emotional gesteuert, vor allem in den sozialen Medien. „Das Waldsterben, das ja in den 80er-Jahren schon einmal ein großes Thema war, ist für viele Menschen jetzt zum Krieg vor der eigenen Haustür geworden.“
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Als Förster sieht er die Dinge aus einer etwas anderen Perspektive und vor allem denkt er in größeren Zeiträumen. Auch der Lüner Forst bestehe zwar schon lange, aber eben nicht unendlich lang. Einst war an dieser Stelle eine ganz andere Landschaft – und auch in Zukunft werde sich das heutige Waldstück verändern. „Der Wandel gehört zum Wald, schon immer,“, sagt Per-Ole Wittenburg.
Seine Aufgabe ist es, die notwendigen Veränderungen in günstige Bahnen zu lenken, sodass der Wald weiterhin seine wichtigen Funktionen erfüllen und die Menschen hier auch in Zukunft spazieren gehen, Rad fahren und Erholung finden können.