Handeloh. In der Kameloase von Daniela Huttel leben drei monoglische Trampeltiere. Ihr Job: Menschen zurück in ihre Ruhe bringen. Ein Ortsbesuch.

  • Im Herzen der Lüneburger Heide lebt Daniela Huttel zusammen mit drei Kamelen.
  • Zwei von ihnen sind inzwischen erblindet – was sie nicht davon abhält, weiterhin therapeutisch zu arbeiten.
  • Kinder mit seelischen und geistigen Behinderungen profitieren enorm von der Zeit, die sie mit den entspannten Vierbeinern verbringen.

Ein dezentes Hinweisschild leitet den Besucher auf der Straße von Handeloh im Landkreis Harburg Richtung Wörme abseits in den Wald, der eine beruhigende Stille verströmt. Es sei denn Eselin Paula macht mit ihren Kindern Emma und Emil markerschütternd laut auf sich aufmerksam.

Die drei sind Arbeitskollegen der Kamel-Stuten Krümel und Daya und dem Kamel-Wallach Dschingis in Daniela Huttels „Kameloase“ mitten in der Lüneburger Heide, genau wie ein Hafflinger und ein Quarter Horse sowie eine kleine Hühnerschar. Als Therapiehelfer sind sie mitten in der Lüneburger Heide im Einsatz für Kinder und Jugendliche mit Auffälligkeiten, Behinderungen und individuellen Problemen. Auch Erwachsene kommen oft her.

Kameloase Handeloh: Vormittags Sozialarbeiterin, nachmittags Kameldompteurin

„Tiere leben im Hier und Jetzt, sind nicht nachtragend und geben dir immer mal wieder eine neue Chance“, sagt Diplom-Pädagogin Daniela Huttel. Ihre Freude am Umgang mit Kindern und Tieren hat die ehemalige Finanzwirtin zum Beruf gemacht. Vormittags ist sie als Schulsozialarbeiterin tätig, nachmittags widmet sie sich der pädgagogischen und therapeutischen Arbeit mit ihren Tieren.

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Ihre Klienten haben vorab einen Termin gebucht, damit sich Daniela Huttel und ihre tierischen Helfer voll auf sie konzentrieren können.

Manche kommen wöchentlich, andere alle zwei Wochen. Monika aus Schneverdingen zieht es bereits seit zwei Jahren mit Raphael (5) sowie den zwölfjährigen Zwillingen Bianca und Lucio zur „Kameloase“.

„Hühnerflüsterer“ Lucio (r.) und Raphael verbringen mit ihrer Mama Daniela Huttel gern viel Zeit im Hühnergehege.
„Hühnerflüsterer“ Lucio (r.) und Raphael verbringen mit ihrer Mama Daniela Huttel gern viel Zeit im Hühnergehege. © HA | Marion Wenner

Lucio hat sich mit Esel Emil angefreundet und hat aufgrund seiner ruhigen Art auch ein gutes Händchen für die Hühner. „Der Hühnerflüsterer“ nennen Daniela und Mutter Monika ihn manchmal augenzwinkernd. Lucio und Raphael füttern ihre gefiederten Lieblinge und wissen genau, dass die Hennen Tick, Trick und Track kleine Eier legen und Martha grüne.

Kameloase in der Lüneburger Heide: Wer reiten möchte, muss auch striegeln

Ihre Schwester Bianca hingegen freut sich auf den Hafflinger Saphir, der aufgrund seiner Verfressenheit auch gern mal als „Labrador im Pferdekörper“ bezeichnet wird. Doch wenn Bianca zu ihm auf die Weide möchte, muss sie zunächst die Kiste an sich nehmen, in der allerlei Putzzeug für Saphir enthalten ist.

Erst das Tier pflegen, dann reiten: Bianca schätzt ihren vierbeinigen Freund Haffi Saphir sehr.
Erst das Tier pflegen, dann reiten: Bianca schätzt ihren vierbeinigen Freund Haffi Saphir sehr. © HA | Marion Wenner

„Wenn ich das Tier reiten möchte, muss ich es auch saubermachen“, sagt Daniela Huttel, das ist Gesetz in der „Kameloase“. Hier gibt’s keine Reittherapie im herkömmlichen Sinn. Hier zählen auch Rituale. „Strom aus!“ lautet das erste, um zu verhindern, dass jemand versehentlich „elektrisiert“ wird. Mit dem ritualisierten Kommando „Halfter – Strick – Putzsachen“ geht es daraufhin zu den Kamelen.

Wenn sie gestreichelt oder gebürstet werden, dann begeben sich die drei Wüstenschiffe eine Etage tiefer – auf Augenhöhe mit den Kindern. Dort genießen sie dann deren liebevolle Pflege.

Dass Krümel und Daya blind sind, fällt gar nicht weiter auf

Auf spielerische Weise erlernen die Kinder so den Umgang und die Verantwortung für ihre Mitgeschöpfe. Dass Krümel und Daya blind sind, fällt gar nicht weiter auf. Wer Kontakt zu ihnen aufnehmen möchte, spricht sie am besten ganz ruhig an. „Ich setze die beiden bewusst weiterhin ein, um den Kindern zu vermitteln, dass Tiere keine austauschbaren Spielzeuge sind“, erklärt Daniela Huttel.

Bianca (v.l.), Raphael, Daniela Huttel und Lucio bei den Kamelen. Es sieht nicht nur gemütlich aus – es fühlt sich auch so an.
Bianca (v.l.), Raphael, Daniela Huttel und Lucio bei den Kamelen. Es sieht nicht nur gemütlich aus – es fühlt sich auch so an. © HA | Marion Wenner

Die Mentalität der Tiere erklärt sich aus ihrer eigenen Geschichte. Esel und Kamele etwa wirken zwar stur, doch sind sie in freier Natur in unwirtlichen Landschaften darauf angewiesen, selbstständig zu entscheiden, was für sie gut ist und was nicht – sie können nicht wie Pferde einfach einem Leittier hinterherlaufen. Sie zeigen keine absolute Unterwürfigkeit, sondern besitzen einen ausgeprägten Willen.

„Du musst gucken, wie du dir mit dem Tier einig wirst“, rät die Handeloherin denn auch ihren Klienten im Umgang mit den Vierbeinern. Eine Herausforderung in jeder Hinsicht. Sie schult die Konzentration und führt zu Erfolgserlebnissen, die das Selbstbewusstsein stärken. Ein Selbstbewusstsein, das die zarten und manchmal auch verhaltensauffälligen Seelen daraufhin mitnehmen in ihren Alltag.

Haben sich Eltern für die von Daniela Huttel angebotene tiergestützte Therapie entschieden, so lässt sie sich als erstes genau schildern, welche Probleme das Kind hat, um herauszufinden, welche Therapieform und welches Tier für die Behandlung passen. „Manche sind gekommen, um zu reiten, bleiben dann aber schließlich bei den Hühnern hängen“, schmunzelt sie. Ein klarer Vorteil, wenn so viele verschiedene Tierarten auf einem Hof zur Auswahl stehen.

Es sind aber nicht nur Menschen mit Auffälligkeiten oder Problemen, die den Weg durch den Wald zur „Kameloase“ antreten. Auf dem Programm stehen unter anderem auch Esel-Trekking-Touren, Kindergeburtstage mit Eseln oder Kamel-Kennenlern-Stunden, bei denen die Tiere Ruhe und Entspannung vermitteln.

Kontakt zur „Kameloase“ Handeloh: Telefon 04188/88 81 018, mobil 0179/76 24 453, Mail info@kameloase.de