Buchholz/Winsen. Zwei Standorte, ein Ziel: Wie soll das gehen? Die neuen Chefs der Krankenhäuser Buchholz und Winsen im großen Abendblatt-Gespräch.
Es war das Ende einer Ära: Nach 32 Jahren gab Norbert Böttcher am 31. August das Amt des Geschäftsführers in den Krankenhäusern Buchholz und Winsen ab. Nun hat ein neues Kapitel in der Geschichte beider Kliniken begonnen. Doch Wie bereitet sich die neue Geschäftsführung der Krankenhäuser Buchholzund Winsen auf die Zukunft vor, die im Wesentlichen durch die Krankenhausreform bestimmt sein dürfte? Werden die Krankenhäuser Buchholz und Winsen weiterhin in gewohntem Maße Leistungen anbieten können? Und wie soll das exorbitante Finanzdefizit der Häuser, die noch bis zum Jahr 2021 schwarze Zahlen schrieben, bewältigt werden?
Über diese und weitere Themen hat das Abendblatt mit der neuen, dreiköpfigen Geschäftsführung gesprochen: Dr. Franziska von Breunig (51), Jörg Bossow (60) und Kai Uffelmann (51).
Abendblatt: Drei Geschäftsführer, zwei Standorte, ein Ziel – wie funktioniert die Leitung der Krankenhäuser Buchholz und Winsen und wer macht was?
Franziska von Breunig: Ich bin Ärztin und damit für den medizinischen Teil der Patientenversorgung zuständig, also für Ärzte, Pflegekräfte und die Angehörigen der therapeutischen Berufe. Unser Leitungsteam denkt, was die Organisation angeht, vom Patienten und seinen Bedürfnissen aus. Wir trennen nicht mehr die Berufsgruppen, vielmehr gehören Ärzte und Pflege für mich zusammen. Meine Aufgabe ist, die verschiedenen Fachabteilungen an beiden Standorten so zu organisieren, dass sie gut zusammenarbeiten, ohne dass es an Abteilungsgrenzen stockt.
Klaus-Jörg Bossow: Früher war ich kaufmännischer Prokurist der Krankenhäuser, inzwischen bin ich als Geschäftsführer für die Bereiche Controlling, Finanzbuchhaltung, Kontakte zu den Krankenkassen, Fachverbänden, dem Medizinischen Dienst und zu regionalen Partnern zuständig. Mein Ziel ist, dass die Erlöse stimmen und dass wir für die Leistungen, die wir erbringen, vernünftig bezahlt werden.
Kai Uffelmann: Ich bin Jurist und war bis Ende Mai dieses Jahres Allgemeiner Vertreter des Landrats und Finanzvorstand der Kreisverwaltung des Landkreises Harburg. Bei den Krankenhäusern sind die Bereiche Dienstleistungen, IT, Technik, Arbeitsrecht, Personal und Digitalisierung mein Arbeitsbereich.
Ein Blick auf die Finanzen: Die Krankenhäuser, die ja als eigenständige GmbH in Trägerschaft des Landkreises geführt werden, sind gegenwärtig ein Minusgeschäft
Uffelmann: Im Haushalt des Landkreises Harburg verursacht der Weiterbetrieb der Krankenhäuser in diesem Jahr ein Defizit von 17 Millionen Euro. Der Nachtragshaushalt des Landkreises Harburg ist gerade auf 30 Millionen Euro korrigiert worden, und auch diese Summe wird vermutlich nicht reichen, um die zusätzlichen Aufwendungen zu schultern, die mit der Unterfinanzierung der Krankenhäuser und der Flüchtlingskrise auf uns zukommen. Für Krankenhäuser sind Zuschüsse von 8 Millionen im Jahr 2024 und von jeweils 4 Millionen Euro für die Folgejahre veranschlagt, die in die mittelfristige Finanzplanung aufgenommen werden müssen.
„Unsere Preise sind gedeckelt, wir können sie nicht einfach erhöhen“
Sollte sich der Landkreis Harburg seine defizitären Krankenhäuser wirklich noch leisten?
Von Breunig: Der Landkreis leidet unter der Untätigkeit des Bundes und der Uneinigkeit der Länder. Die Kosten für die Patientenversorgung sind um 8 bis 12 Prozent angestiegen, die wir nicht refinanziert bekommen. Unsere Preise sind gedeckelt, wir können sie nicht einfach erhöhen. Die gegenwärtige Misere liegt nicht daran, dass wir schlecht gewirtschaftet hätten, sondern ist auf die Bundesgesetzgebung zurückzuführen. 120 Mitarbeiter unserer Krankenhäuser haben vor kurzem in Hannover für ein Vorschaltgesetz zur geplanten Krankenhausreform demonstriert, das die Krankenhäuser aus der Finanzlücke holt.
Der Landkreis Harburg ist infolge von Flüchtlings- und Krankenhauskrise inzwischen so klamm, dass er einen Einstellungsstopp verhängt hat. Stellen die Krankenhäuser noch neu ein?
Uffelmann: Zur Sicherung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung müssen wir bestimmte Vorhaltungen treffen. Das bedeutet, dass wir nicht einfach, um zu sparen, Arzt- oder Pfleger-Stellen nicht mehr besetzen können. Aber es gibt nichts über das absolut Notwendige hinaus. Neueinstellungen erfolgen nur noch unter Vorbehalt.
Bossow: Das ist ein Zustand, der uns allen nicht gefällt, den wir aber nur bedingt beeinflussen können. Besser wir sparen nicht gegen den Notstand an, sondern steigern unsere Effizienz. Den gegenwärtigen Zuschussbedarf sehen wir als Aufforderung zu schauen, was wir noch verbessern können. Das Defizit zu verringern, muss unser Ziel sein.
Stichwort Krankenhausreform und Transparenzgesetz. Nicht jedes Krankenhaus in jeder Kleinstadt soll künftig anbieten, was Unikliniken machen. Spezialisierung und die Abschaffung von Doppelstrukturen ist die Zukunftsperspektive. In einem Krankenhausatlas soll ab April nächsten Jahres jeder sehen können, was welche Klinik wie gut kann. Sind Sie für diese Art Wettbewerb gewappnet?
Von Breunig: Das Ziel der Krankenhausreform, die medizinische Versorgungsqualität zu verbessern, ist ja zu begrüßen. Doch wird hier die Krankenhausplanungsebene von den Ländern auf den Bund verlagert. Krankenhausplanung ist aber Ländersache.
Uffelmann: Für eine vernünftige Krankenhausplanung braucht es einen regionalen Bezug, den haben nur die Bundesländer. Wenn der angestrebte Konzentrationsprozess soweit geht, dass künftig nur noch ein Krankenhaus weit und breit verfügbar ist, gibt es doch keine Auswahl mehr. Dann wäre die Reform nur heiße Luft.
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Aber was ist mit den Doppelstrukturen? Geburtshilfe, Innere Medizin, Chirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie, HNO – in den Krankenhäusern Buchholz und Winsen sind viele Disziplinen doppelt vertreten.
Von Breunig: Es gibt medizinische Notfälle, die sofort behandelt werden müssen, so wie Herzinfarkt und Schlaganfall. An beiden Orten sind Ärzte und medizinische Einrichtungen vorhanden, mit denen das möglich ist. Außerdem brauchen wir für unsere hochwertige Notfallversorgung an beiden Standorten Internisten und Unfallchirurgen. Denn wir sind Schwerpunktkrankenhäuser, nicht nur einfache Kliniken der Grundversorgung. Darüber hinaus ist jedes Haus spezialisiert, Winsen in der Pneumologie sowie in der Behandlung von HNO-Tumoren. Buchholz verfügt über eine Kardiologie, eine Neurologie und Gefäßchirurgie. Damit sind wir sehr gut und konkurrenzfähig aufgestellt. Dass beide Krankenhäuser Geburtsabteilungen haben, lässt sich angesichts der Größe des Landkreises und der hohen Geburtenzahlen sehr gut rechtfertigen.
Krankenhäuser Buchholz und Winsen: Die Idee eines virtuellen Zentralkrankenhauses
Trotzdem: Wäre ein Zentralkrankenhaus nicht vernünftiger und kostensparender?
Uffelmann: Unsere Krankenhäuser liegen für die wohnortnahe Patientenversorgung genau am richtigen Ort. Denn wir haben im Landkreis Harburg keinen Siedlungsschwerpunkt. Ich halte es für absolut vertretbar, bei einem Landkreis mit 260.000 Einwohnern einen Klinikkomplex mit zwei Standorten und 559 Betten zu betreiben.
Aber wie soll das bei dieser Finanzierungsperspektive weiterhin gehen?
Bossow: Zwei Standorte zu betreiben ist nicht immer ganz leicht. Wir arbeiten weiter an der Idee eines virtuellen Zentralkrankenhauses. Diese Idee muss eingepasst werden in die Krankenhauswelt. Das, was gerade passiert, ist auch für uns umwälzend. Was auf uns zukommt, wissen wir noch nicht. Die Verbindlichkeit fehlt, man lässt uns buchstäblich im Regen stehen. Das erzeugt Unsicherheit. Trotzdem sollen und müssen wir antizipieren und versuchen das bestmöglich.
Trotz dieser Unsicherheit wird weiterhin in großem Maßstab neu gebaut. In Winsen ist das Krankenhaus praktisch runderneuert. In Buchholz entsteht gerade ein neues Bettenhaus. Sie sind pleite und investieren gleichzeitig Millionensummen…
Von Breunig: Um das zu verstehen, muss man wissen, dass Investitionen in die Krankenhausstrukturen Ländersache sind. Das Land Niedersachsen kommt seinen Verpflichtungen weitgehend nach. Gerade hat Gesundheitsminister Andreas Philippi ein Krankenhaus-Investitionsprogramm über drei Milliarden Euro für die nächsten Jahre in Aussicht gestellt. Es ist die Finanzierung der Patientenversorgung, in der wir einen Mangel haben. Und dafür ist die Bundesregierung zuständig.
Und solange der Bund keine neuen Grundlagen für die Entlohnung der medizinischen Versorgung schafft, muss also der Landkreis Harburg weiter in die Bresche springen.
Uffelmann: Hierzu gibt es keine Alternative. Sobald wir in die Lage versetzt werden, unsere Leistungen auskömmlich in Rechnung zu stellen, werden wir uns wieder selbst tragen können. Wenn die Krankenhäuser in dieser Notsituation pleite gingen, wäre das ein politisches Versagen auf ganzer Linie.
Doch nicht nur das Geld fehlt, sondern in immer größerem Maßstab auch das Pflegepersonal…
Uffelmann: Wir haben die Zahl unserer Ausbildungsplätze auf 116 verdoppelt. Außerdem haben wir Arbeitnehmer aus anderen Ländern, z.B. von den Philippinen gewonnen. Vor allem aber bemühen wir uns, weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Durch die kritische Diskussion um die Gesundheitsberufe ist der Eindruck entstanden, der Pflegeberuf sei nicht attraktiv, weder vom Verdienst, von den Arbeitsbedingungen noch von der Wertschätzung her. Dem ist nicht so. Wie bei der Krankenhausdiskussion wird vieles falsch dargestellt. Das ist schade.