Maschen. Tische von Karstadt, Blumen vom Bau: Wie Maschen seinen Ortskern neu beleben will – und welche Rolle die Zinnwerke dabei spielen.

Maschen ist schwer zu fassen: Der eigentliche Dorfkern ist, wie in allen Ortsteilen der Einheitsgemeinde Seevetal, klein, drum herum scheint der Ort willkürlich in verschiedene Richtungen gewachsen zu sein – und wurde dann auch noch ab den 1980er-Jahren durch eine Autobahn zerschnitten.

Bekannt sind das Autobahnkreuz, die Abfahrt, der Rangierbahnhof und bei älteren Lesern auch noch ein Lied von einem Studio. Das gab es wirklich, und dort traf sich einst die „Hamburger Szene“der 1970er-Jahre zum Arbeiten.

Keimzelle der Ort-Belebung: Ein 55-Quadratmeter-Raum für viele Ideen

Was Maschen heute ausmacht, wissen nur die Maschener. Davon gibt es 11.000 und sie lieben ihr Dorf. Was sie gerne hätten, wäre eine richtige Ortsmitte, wo man sich trifft. Die gab es lange nicht, aber das soll sich nun ändern. Keimzelle der Ortskern-Belebung soll ein kleiner Holzbau sein: Die Pop-Up-Box.

Das ist ein 55-Quadratmeter-Raum für viele Ideen, der in der Schulstraße steht, am Ende des Marktplatzes, direkt neben dem Dorfgemeinschaftshaus. Er soll leisten, was das Dorfgemeinschaftshaus nicht kann: einerseits unbürokratisch und spontan zur Verfügung stehen, um den Maschenern einen Treffpunkt zum Austauschen zu geben – andererseits Menschen mit Ideen die Möglichkeit zu geben, diese hier auszuprobieren, damit sie im Erfolgsfall den Mut schöpfen, sie an anderen Standorten in der Schulstraße auszuprobieren. Gefördert wird dies aus einem Bundesprogramm für lebendige Innenstädte.

Ein uneinheitliches Bild, das niemanden abstößt, aber auch niemanden anzieht

Seevetals Wirtschaftsförderer Michael Mammes hat die Idee gemeinsam mit den kreativen Köpfen aus den Zinnwerken in Wilhelmsburg entwickelt. Ziel ist es, die Schulstraße zu beleben, die einst als zentrale Geschäftsstraße Maschens angelegt war, derzeit aber durch Leerstände und Lücken ein uneinheitliches Bild bietet, das zwar niemanden abstößt, aber eben auch niemanden anzieht. „Mit dem Treffpunkt in der Pop-Up-Box haben wir einen wirklichen Anziehungspunkt geschaffen, der eventuell auch Geschäftsgründer ermutigt, sich in der Schulstraße anzusiedeln, denn man sieht hier, dass Maschen ein lebendiger Ort ist.“

Wirtschaftsförderer Michael Mammes (rechts) hat gerade ein Beratungsgespräch im Pop-Up-Treff beendet.
Wirtschaftsförderer Michael Mammes (rechts) hat gerade ein Beratungsgespräch im Pop-Up-Treff beendet. © HA | Lars Hansen

Dass er Recht hat, sieht man jeden Donnerstag: Im Pop-up-Café herrscht reges Kommen und Gehen. Menschen klönen einfach oder besprechen sich, Wirtschaftsförderer Mammes wird von Bürgern mit Anliegen angesprochen, und Ortsbürgermeisterin Angelika Tumuschat-Bruhn hält ihre wöchentliche Sprechstunde ab. Dafür, dass es die Box erst wenige Wochen gibt, ein guter Erfolg. Darauf soll aufgebaut werden: Am Montag laden Angelika Tumuschat-Bruhn, Michael Mammes und die Zinnwerke die Seevetaler zur ersten Dorfwerkstatt ein: Weil sie auf mehr Teilnehmer hoffen, als ihre Box fasst, in der Aula der Schule.

Einige Grundbesitzer haben unrealistische Miet-Erwartungen

„Es gibt dabei viele Themen“, sagt Angelika Tumuschat-Bruhn. „Geschäftsleute für die Schulstraße zu finden, ist dabei nur ein Aspekt. Wir müssen auch die Vermieter überzeugen, Gründern eine Chance zu geben, und sie nicht mit überhöhten Mietforderungen abzuschrecken, wie es einige tun. Zum Glück haben wir auch viele Grundeigentümer, die da einsichtig sind.“

Es geht auch darum, Kultur ins Ortszentrum zu holen. Die Pop-Up-Box soll ein ständiger Ort der Inspiration sein, mit kleinen Ausstellungen, Konzerten und Lesungen „Wir haben schon Ideen und wöllen sie hier ausprobieren“, sagt Mathias Clausen von der Kulturstiftung Seevetal.

Kurse für kunstvolles Kaffeekochen als Integrationschance

Auch Bildung und Integration finden hier statt. Montags lernen in der Box beispielsweise Maschener und Maschenerinnen Yoga, und demnächst soll es hier Barista-Kurse geben, mit denen Geflüchtete sich niedrigschwellig für den deutschen Arbeitsmarkt qualifizieren können. Barista ist die Berufsbezeichnung für diejenigen, die kunstvoll Kaffee kochen können, mit allen Schaum- und Schnickschnack-Variationen, die gerade modern sind. Auch die eigentliche Betreiberin des Donnerstags-Cafés hat sich als aus der Ukraine Geflüchtete über einen Barista-Kurs für ihr Geschäft fit gemacht.

Die Sprechstunde der Ortsbürgermeisterin – wegen der Hitze mal am Container und nicht darin.
Die Sprechstunde der Ortsbürgermeisterin – wegen der Hitze mal am Container und nicht darin. © HA | Lars Hansen

Die Pop-Up-Box besteht aus drei länglichen Modulen, die in einer Maschener Zimmerei vorgefertigt und vor Ort zusammengefügt wurden. Boden, Decke und Seitenwände sind in Massivholz-Bauweise konstruiert. Die Querseiten bestehen aus bodentiefen und deckenhohen Fenstern. Das lässt immer viel Tageslicht in die Box. Ein Nachteil ist das lediglich für Ausstellungen, denn letztlich gibt es wenig Ausstellungsfläche. Auch die Box vor Ort zu bestellen ist Wirtschaftsförderung: Zimmerer Manuel Diestelmeyer wirbt damit für sein neues Geschäftsfeld Modulbau.

Die Tische in der Box sind recycelt: Noch Anfang Juni lagen darauf in Harburg die letzten Schnäppchen des Karstadt-Räumungsverkaufs. Kurz darauf waren die Grabbeltische selbst Schnäppchen und wurden umgebaut. Vor der Tür dienen sie als Hochbeete – bepflanzt mit Wildblumen von Maschener Baubrachen. Zinnwerkerin Annette Schmid hatte die Idee und will diese Gartentechnik demnächst in der Pop-Up-Box per Kurs weiterverbreiten.