Maschen. Im Tonstudio im Untergeschoss des Einfamilienhauses der Menkes trafen sich Anfang der 60er-Jahre Schlagerstars und Countryboys zum Musizieren.
Es ist fast alles so wie früher: Alexander Menke sitzt an einem großen Mischpult. Vor ihm warten unzählige Regler darauf, hoch und runter geschoben zu werden, ganz so wie es das Ohr der Maschener Musikproduzenten gerade verlangt. Alexander Menke, den Freunde und Kollegen nur Ali nennen, betreibt immer noch das Tonstudio Maschen.
Allerdings nicht mehr das große Studio am Rübenkamp, sondern das zweite, weitaus kleinere Tonstudio im Keller des Familienstammsitzes am Sonnenhang: Die Urzelle der Menke’schen musikalischen Erfolgsgeschichte.
Alis Vater Joe hatte sich hier 1959 mit seiner Frau Karin und den beiden Kinder Alexander und Franziska in einem großzügigen Einfamilienhaus niedergelassen. In den riesigen Keller baute er drei Jahre später sein erstes Tonstudio ein.
„Damals konnte man Schallplattenaufnahmen mit vielen Musikern nur direkt bei den Rundfunkanstalten machen, private Studios gab es damals noch gar nicht“, erzählt Alexander Menke. Vor allem die Schlagerstars der 60er- Jahre schauten hier vorbei und produzierten Hits. Ted Herold & Lill Babs, René Kollo, Alice und Ellen Kessler, Tony Sheridan, Wencke Myhre und Daliah Lavi – alle pilgerten nach Maschen und nahmen im Keller im Einfamilienhaus ihre Hits der 60er-Jahre auf.
Reinhard Mey kam als einer der ersten 1965 nach Maschen und spielte hier den mit deutschem Text von Joe Menke versehenen Donovan-Hit „Catch The Wind“ („Geh und fang den Wind“) ein. Es war Meys Debüt-Single, Joe Menke kannte den jungen Barden noch nicht und notierte sich dessen Namen falsch als „Rainer May“. Beatbands wie die „Petards“, „The German Bonds“ und die „Rattles“ schauten vorbei, die Les Humphries Singers trällerten vor dem Mikrofon und die deutsche Rock-Gruppe „Lucifer’s Friend“ ließ hier ihre gleichnamige LP einpegeln.
„Damals hatte das Studio noch keine Fenster, es war dunkel, wurde gequalmt bis der Arzt kommt und an der Bar getrunken“, erinnert sich Alexander Menke an seine Kindheitserlebnisse. Die Bar, in schnittiger Nierenform, hat er gerettet.
Heute geht über ihren Tresen allerdings meist nur Kaffee und Mineralwasser, wenn er Musiker zu Gast hat, geraucht wird vor der Tür. Er selbst turnte schon als kleiner Butscher immer gern in Vaters Studio herum: „Ich fand das oberspannend, was die Musiker hier so alles trieben“, sagt er. Angst vor den großen Mikrofonen hatte er nicht und hielt gern her, wenn der Papa mal wieder eine Kinderstimme für Werbesongs brauchte: Das Lied für die Kinderseife Plantschi („Plantschi ist prima, Plantschi ist ‘ne Wucht“) oder auch für die bunten Schokolinsen („Viele, viele bunte Smarties“) – Alexander Menke sang sie ein.
In den 70er-Jahren, als Joe Mencke 1972 das sehr viel größere Tonstudio am Rübenkamp eröffnete, diente das kleine Tonstudio vor allem als Archiv und Aufbewahrungsort für die vielen Tonbänder, mit denen vor dem Siegeszug der Digitalisierung Musik aufgenommen wurde. Bis in die Mitte der 90er-Jahre wurde Musik dann vor allem im großen Tonstudio aufgenommen.
Marius Müller-Westernhagen produzierte hier 1974 seine Debüt-LP, Frank Farian sang von der Südsee, James Last spielte mit seinem Orchester. Sogar Rod Stewart schaute vorbei und die australischen Kultrocker AC/DC nahmen im Maschener Tonstudio „I’m a rebel“ auf: „Die waren grade auf Tour und mussten den Songs ganz schnell einspielen“, sagt Menke.
Das große Studio am Rübenkamp war wohl das berühmteste deutsche Tonstudio überhaupt. Zu verdanken haben die Menkes dies der Band Truck Stop, deren wohl berühmtester Song „Der wilde, wilde Westen“, genau diesen Ort besingt.
Später brauchte man solche großen Räume nicht mehr, Alexander Menke, der nach dem Tod des Vaters 2001 das Studio weiterführte, baute die Technik aus und installierte hier einen Club, der viele Jahre lang auch die Hamburger an Wochenenden zum Partymachen nach Maschen lockte. Doch all dies wäre ohne den kleinen Bruder, das alte Tonstudio in Joe Menkes Keller, nicht möglich gewesen.
Sein Sohn Alexander saß schon mit 16 Jahre das erste Mal hinter dem großen Mischpult mit den vielen Reglern, und produzierte sein erstes Demoband. Das Handwerk lernte er autodidaktisch und schaute sich zum Beispiel bei Volker Henzen, dem späteren Betreiber der Vox Klangstudios in Bendestorf eine Menge ab.
Nun sitzt er im frisch renovierten Keller vor verschiedenen Bildschirmen und produziert mit neuester Technik Musik für Werbe- und Imagefilme. Ihm ist schon seit Monaten festlich ums Herz, denn gerade hat er Weihnachtssongs der Fernseh-Detektivfamilie „Die Trovatos“ eingespielt: „Im Sommer macht man halt Weihnachtslieder“, grinst er. Auch im Schlagersektor ist er immer noch eine Größe, komponiert für junge, hoffnungsvolle Nachwuchstalente und altgediente Profis.
Allerdings ist die Musik weitaus poppiger als in den 70er-Jahren: „Wir haben schon lange vor Helene Fischer ins Pop-Regal gegriffen.“ Seine Lieblingskünstlerin ist momentan Xandra Hag. Deren Song „Die besten Jahre sind immer“ stammt aus seiner Feder, den Text steuerte Sängerin Isabell Varell bei. Rock, Pop, Country – inspirieren lässt er sich von jeder Art von Musik.
Darum gibt’s bei ihm zu Hause in seiner Freizeit meist gar nichts zu hören: „Da bin ich platt, da brauche ich Stille.“