Aurich (dpa/lni). Weidetierhalter in Ostfriesland fürchten die Ausbreitung des Wolfes. Bei einer Demonstration in Aurich machen Hunderte ihrem Unmut Luft - viele von ihnen sehen durch den Wolf auch die Deichsicherheit an der Küste in Gefahr.
Hunderte Menschen haben im ostfriesischen Aurich am Samstagabend gegen die Ausbreitung des Wolfes und für einen restriktiveren Umgang mit den Tieren demonstriert. Vor der Sparkassen-Arena hatten sich rund 3000 Menschen versammelt, wie eine Sprecherin der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund am Samstagabend sagte. Die Veranstalter hatten die Demonstration mit bis zu 3000 Teilnehmern angemeldet. Landwirte und Weidetierhalter hatten sich sich teils mit Treckerkorsos aus Pewsum, Leer und Wittmund auf den Weg nach Aurich gemacht. Die Polizei zählte rund 250 Trecker.
Aufgerufen zu der Kundgebung hatten die Verbände Land schafft Verbindung (LsV) Ostfriesland und der Friesische Verband für Naturschutz (FVN). Die Verbände sehen den strengen Schutz des Wolfes mit der für Ostfriesland typischen Weidetierhaltung nicht vereinbar. Zuletzt waren wiederholt Weidetiere von Wölfen gerissen worden. Die Demonstration stand unter dem Titel: „Wölfe in Ost/Friesland, können wir uns das leisten? Wir sagen NEIN!“.
Mehrere Redner sprachen zu den Demonstranten. Deichschäfer Jochen Fass kritisierte in einer Rede, dass Herdenschutzmaßnahmen wie wolfsabweisende Zäune oder Herdenschutzhunde an Deichen, die auch touristisch genutzt werden, kaum praktikabel und bezahlbar seien. Der Tritt der Deichschafe festige die Deiche und sei daher „gold wert“, sagte Fass. „Wir schützen mit unserer Arbeit euch alle und das sind 1,1 Millionen Menschen.“ Risse von Deichschafen durch den Wolf gefährdeten in der Folge den Küstenschutz.
Eilert Smit, Milchviehhalter und Vorsitzender des Vereins Nachhaltige Naturlandschaft aus Ayenwolde (Landkreis Leer), forderte, Landwirtschaft und Naturschutz müssten grundsätzlich stärker zusammenrücken. „Das ist aber nur möglich durch respektvollen Umgang mit den Bedürfnissen aller Beteiligten. Davon ist aber nichts spürbar.“
Daneben gab es auch eine kleinere Gegendemonstration von Tierschützern. Dort zählte die Polizei rund 30 Demonstranten. Beide Kundgebungen verliefen laut den Beamten friedlich.
Der Wolf steht unter strengem Naturschutz, nur in Ausnahmen dürfen einzelne Tiere von den Behörden zum Abschuss freigegeben werden, etwa wenn sie mehrfach Weidetiere trotz wolfsabweisender Zäune gerissen haben. Ein Abschuss von Wölfen, um die Population zu verringern, ist nach aktuell geltendem Recht nicht zulässig.
Niedersachsens rot-grüne Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, an einem Konzept der Bundesregierung für ein europarechtskonformes, regional differenziertes Bestandsmanagement mitarbeiten zu wollen. „Wir unterstützen die aus Sicht von Natur- und Tierschutz wertvolle Weidetierhaltung in besonderem Maße“, heißt es darin. Das Umweltministerium hatte Anfang Februar einen neuen Dialog mit Weidetierhaltern zum Umgang mit Wölfen gestartet.
Auch Jäger sehen eine Ausbreitung des Wolfes kritisch. Bereits am Mittwoch hatten die zehn niedersächsischen Küstenjägerschaften und die Landesjägerschaft Bremen ihre Forderung nach wolsrudelfreien Zonen entlang der Küste erneuert und eine Plakatkampagne gestartet. Auch sie sehen durch den Wolf insbesondere die Deichschafe und damit die Deichsicherheit in Gefahr. An der Auricher Demonstration wollten sich die Jäger allerdings nicht beteiligen. „Wir wählen den Weg der politischen Diskussion“, hatte Gernold Lengert, stellvertretender Bezirksvorsitzender der ostfriesischen Jägerschaft, gesagt.
Nach vorläufigen Daten des Ende Mai vorgestellten aktuellen Wolfsmonitorings 2022/2023 ist die Zahl der registrierten Wolfsrudel zuletzt gestiegen: Landesweit wurden zwischen dem 1. Mai 2022 und dem 30. April 2023 insgesamt 40 Rudel gezählt - das sind sechs Rudel mehr als im vorherigen Erfassungszeitraum. Neben den Rudeln wurden zusätzlich fünf Wolfspaare und zwei sesshafte Einzelwölfe nachgewiesen. Im Nordwesten sind Wolfsrudel etwa in Friedeburg (Landkreis Wittmund) und bei Cuxhaven erfasst.