Bad Segeberg. Erstmals seit 150 Jahren gibt es wieder ein Wolfsrudel in Schleswig-Holstein. Wie Menschen sich bei Begegnungen richtig verhalten.

Im Kreis Segeberg ist die Aufregung groß: In Schleswig-Holstein lebt erstmals seit mehr als 150 Jahren wieder ein Wolfsrudel. Mitte Mai hat eine Fotofalle ein Bild von einer Wölfin in der Nähe des Segeberger Forstes aufgenommen – und zwar mit deutlich sichtbarem Gesäuge. Ein klares Indiz dafür, dass Welpen auf die Welt gekommen sind und gesäugt werden.

Viele Menschen fragen sich nun: Stellt der Wolf eine Gefahr für mich dar? Wie verhalte ich mich bei einer Begegnung mit dem Wildtier richtig? Kann ich im Segeberger Forst überhaupt noch spazieren gehen?

Kreis Segeberg: Wölfe im Segeberger Forst – Wie groß ist Gefahr für Menschen?

Das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein sieht von dem neuen Wolfsrudel keine Gefahr ausgehen. „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Spaziergänger einen der Wölfe im Wald antreffen werden“, sagt Sprecher Matthias Kissing. Die Wölfe im Segeberger Forst hätten sich seit ihrer Ansiedlung unauffällig verhalten und selten Weidetiere gerissen, so das Ministerium.

„Wölfe sind vorsichtig und gehen normalerweise dem Menschen aus dem Weg, so dass man nur selten einen Wolf zu Gesicht bekommt“, heißt es auch in einem Leitfaden zur Mensch-Wolf-Begegnung des Landes Schleswig-Holstein.

Wölfe verhalten sich ähnlich wie andere Wildtiere: Die meisten Menschen sind während eines Spaziergangs schon einmal einem Reh, Wildschwein oder Fuchs begegnet. Oft kommt es dabei zu einem kurzen Blickkontakt, bevor sich das Tier zurückzieht. „Genauso ist es auch möglich einem Wolf zu begegnen. Warum sollten sich Wölfe anders verhalten als andere Wildtiere?“, so die Landesregierung.

Experten gehen von einem Wurf mit vier bis sechs Welpen aus

Für das Umweltministerium kommt das neue Wolfsrudel nicht unerwartet. „Da wir im Jahr 2022 in Schleswig-Holstein insgesamt drei Wolfsterritorien mit zwei residenten Wolfspaaren im Segeberger Forst, im Sachsenwald und einem residenten Wolf in der Region Kalübbe nachweisen konnten, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zu Nachwuchs kommen wird“, so Kissing.

Nach Meinung der Experten handelt es sich bei dem Wurf um vier bis sechs Welpen, die sich derzeit noch in ihrer Höhle befinden dürften. „Wir gehen jedoch davon aus, dass nicht alle Tiere überleben werden“, sagt Kissing. Vor allem durch Krankheiten und Unfälle kommt es immer wieder zu Todesfällen.

Nach dem Tod einer Wölfin hatte niemand mit Nachwuchs gerechnet

Erst am 29. März war die Wölfin aus dem Segeberger Forst bei einem Autounfall getötet worden. Sie verendete am Straßenrand. Daher hatte niemand mehr mit einem Wolfsnachwuchs im Segeberger Forst gerechnet. Wolfsnachwuchs des zweiten residenten Wolfspaares im Bereich des Sachsenwaldes konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

Die zierliche Wölfin, eine sogenannte Fähe, liegt tot am Straßenrand der Bundesstraße 205 bei Rickling. 
Die zierliche Wölfin, eine sogenannte Fähe, liegt tot am Straßenrand der Bundesstraße 205 bei Rickling.  © Wolfsmanagement LFU

Das schleswig-holsteinische Wolfsmonitoring wird das neue Wolfsrudel weiterhin intensiv beobachten und arbeitet daran, den Status des zweiten Wolfspaares zu klären. „Es ist das erste Mal, dass wir in Schleswig-Holstein Wolfsnachwuchs haben“, sagt Kissing.

Bisher sei Schleswig-Holstein für die Tiere meist nur ein „Transitland“ auf der Durchreise gewesen. Nach Angaben des Ministeriums sei in frühestens einem Jahr – wahrscheinlich erst in zwei Jahren – damit zu rechnen, dass die Wolfswelpen selbst Nachwuchs bekommen.

Wölfe: Forderungen nach Abschuss der Tiere werden laut

Dennoch: Nicht alle Menschen haben ein gutes Gefühl dabei, in der Nähe von Wölfen zu leben. In den Sozialen Medien fordern viele den Abschuss der Tiere – vor allem, wenn sie eine Gefahr für andere Tiere darstellen.

Auch die Wölfin aus dem Segeberger Forst soll auf ihrem Weg aus der Region Kalübbe nach Bad Segeberg Tiere gerissen haben – drei Schafe auf Gut Neverstaven bei Bad Oldesloe und drei Wildtiere bei Bad Bramstedt. Also nicht weit vom Segeberg Forst entfernt.

FDP: Wolfsrudel ist „keine gute Nachricht für die Weidetierhalter im Land“

„Ich sehe keine Notwendigkeit für einen Abschuss, solange ein Wolf nicht verhaltensauffällig ist“, sagt Walter Mahnert, Leiter des Hochwildringes Segeberger Heide. Dennoch ist er der Meinung, dass man Besitzer von Nutztieren nicht alleine mit dieser Herausforderung lassen sollte. „Nutztierhalter brauchen Unterstützung von Politik und Verbänden“, sagt er. Es sollte einen runden Tisch geben, um gemeinsam nach Alternativlösungen zum Abschuss zu suchen, findet Walter Mahnert.

Oliver Kumbartzky, Parlamentarische Geschäftsführer und landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, gibt sich nicht gerade begeistert von der Nachricht des Wolfnachwuchses: „Ein erstes Wolfsrudel in Schleswig-Holstein ist keine gute Nachricht für die Weidetierhalter im Land“, sagt er.

Sobald die Jungtiere das Rudel verlassen würden, werde sich der Druck auf die Flächen erhöhen. „Die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht ist daher mehr als überfällig und muss schnellstmöglich kommen“, meint Kumbartzky. Notwendig seien Wolfsausschlussgebiete („No-Go-Areas“) an der Küste und in Regionen mit Weidetierhaltung. Die Landesregierung forderte Kumbartzky auf, sich auf europäischer Ebene für die Aufnahme des Wolfes in Anhang V der FFH-Richtlinie einzusetzen.

Schleswig-Holstein will den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen lassen

Das würde bedeuten, dass der Schutzstatus von streng geschützt auf geschützt gesenkt würde und Wölfe in die Verordnung über die Jagdzeiten aufgenommen werden könnten, sagte Kumbartzky.

Die Änderung des Landesjagdrechts soll bereits Ende Juni im Kabinett thematisiert und noch vor der Sommerpause im Landtag behandelt werden. Nach angaben des Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein (MLLEV) sollen die Änderungen vor allem für die Jägerinnen und Jäger mehr Rechtssicherheit erwirken.

Durch Aufnahme ins Jagdrecht könnten verletzte Wölfe rechtssicher erlöst werden

„Die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht erfolgt daher mit einer ganzjährigen Schonzeit. Diese Maßnahme schließt zwar eine geregelte Bejagung aus, im Fall des Auftretens eines Problemwolfs und einer vorliegenden artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung wird auf die jagdrechtliche Systematik zurückgegriffen und die Jägerinnen und Jäger vor Ort dürften diesen Wolf erlegen“, so das Ministerium.

Zudem könnten durch die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht Schleswig-Holsteins verunfallte und schwer verletzte Wölfe rechtssicher von ihrem Leid erlöst werden.

In Niedersachsen ist bereits der Wolf in das Jagdrecht übernommen worden. Die Landesregierung fasst eine stärkere Bejagung ins Auge, da trotz mehrerer Entnahmen die Populationen stetig wachsen.

Wachsende Populationen: „Da hilft nur die Jagd, um die Bestände zu kontrollieren“

Auch andere Politiker hatten bereits ihre Kritik an der wachsenden Population geäußert und Maßnahmen gefordert – so wie zuletzt die CDU/CSU-Fraktion, die im April einen Antrag zur Regulierung des Wolfsbestandes im Deutschen Bundestag stellte.

Dazu erklärt die umweltpolitische Sprecherin Anja Weisgerber: „Die Bundesumweltministerin muss endlich aufhören mit der romantischen Verklärung von Wolf und Bär. Große Raubtiere sind für Menschen und Nutztiere gefährlich. Die Populationen von Wölfen wachsen ungebremst. Aktuell leben 1500 bis 2700 Wölfe in Deutschland. 2021 wurden rund 3500 Nutztiere von Wölfen getötet. Das sind die Fakten. Da hilft nur die Jagd, um die Bestände zu kontrollieren.“

NABU weist auf dei Funktion des Wolfes im Ökosystem hin

Der NABU mahnt hingegen, dass Wölfe als großer Beutegreifer grundsätzlich eine wichtige Funktion im Ökosystem erfüllten: Beute und Beutegreifer hätten sich abhängig voneinander in der Evolution entwickelt. Durch die Ausrottung des Wolfes entstand in der Vergangenheit eine Lücke, die eingespielte Wechselbeziehungen innerhalb des Ökosystems beeinträchtigt hätten.

Daher werde der Wolf als „Gesundheitspolizei“ des Waldes bezeichnet, da er häufig auch kranke und schwache Tiere frisst und somit den Bestand seiner Beutetiere „gesund“ hält.

Wölfe: Wie verhalten Menschen sich richtig, wenn sie den Wildtieren begegnen?

Seit mehr als zwanzig Jahren leben wieder Wölfe in Deutschland. Einen Zwischenfall, in dem ein Mensch durch einen Wolf bedroht oder angegriffen wurde, hat es bislang noch nicht gegeben.

Wenn sich ein Wolf hingegen mehrfach in einem Abstand von weniger als 30 Metern einem Menschen nähert, muss dies als kritisches Verhalten betrachtet werden. Folgende Tipps sollten laut der schleswig-holsteinischen Landesregierung beachtet werden:

  • Wenn Sie einem Wolf begegnen, sollten Sie, wie bei anderen Wildtieren auch, Abstand halten. Laufen Sie nicht weg, sondern gehen Sie langsam rückwärts und sprechen Sie dabei laut.
  • Falls das Tier nicht wegläuft, halten Sie an, schreien Sie es an und klatschen dabei laut in die Hände.
  • Bei einigen in Deutschland dokumentierten Begegnungen mit vertraut wirkenden Wölfen, befanden sich die Menschen innerhalb von Fahrzeugen. Dass Wölfe vor Fahrzeugen oftmals weniger Scheu zeigen und diese nicht direkt mit dem Menschen in Verbindung bringen, haben sie mit vielen anderen Säugetierarten gemeinsam. Dieses Verhalten ist also keine ungewöhnliche oder besorgniserregende Verhaltensweise der Tiere.
  • Unter keinen Umständen dürfen Wölfe gefüttert werden! In Schleswig-Holstein ist das Anfüttern von Wölfen verboten und strafbar. An Fütterung durch den Menschen gewöhnte Wölfe können in der Folge Futter aufdringlich oder aggressiv einfordern. Hierdurch können Gefahren für Menschen entstehen.
  • Sollten Sie einen Wolf an seiner Nahrung/Beute überraschen, vermeiden Sie bitte jede weitere Annäherung an das Tier und ziehen sich umgehend zurück.
  • Hunde können, wenn sie sich unbeaufsichtigt in Wald und Flur bewegen, von Wölfen angegriffen, verletzt oder getötet werden. In Gebieten, in denen Wölfe vorkommen, sollten Hunde daher immer angeleint sein.
  • Wer einen toten, kranken oder verletzten Wolf findet, sollte das Tier keinesfalls anfassen und umgehend Kontakt zu den zuständigen Mitarbeitern des schleswig-holsteinischen Wolfsmanagements (Wolfshotline 0174/ 63 30 335) suchen.