Steinkirchen. Verein im Alten Land hat ein ausrangiertes Arbeitsschiff wieder flottgemacht. Ein Ausflug auf der Lühe mit faszinierenden Einblicken.
„Achtung, gleich kann’s nass werden!“ Reinhard ruft einmal laut, damit alle rechtzeitig die Köpfe einziehen können. Der 66-Jährige ist Festmacher und im Nebenjob Mädchen für alles. Dazu gehört auch die Warnung vor den Weiden, mit denen „Elli“ immer mal auf Tuchfühlung geht.
„Elli“ ist eine 100 Jahre alte Barkasse und tuckert regelmäßig auf einem Fluss entlang, wo sonst kein einziges Schiff ihrer Größe mehr fährt: mitten durch das Alte Land.
Altes Land: Unterwegs auf der vermutlich ältesten Barkasse, die noch in Betrieb ist
Es ist zehn Jahre her, als der Förderverein Lühe-Aue e.V. „Elli“ kaufte, sie war von der Touristenbarkasse im Hamburger Hafen zur bloßen Lagerstätte für Planen, Werkzeug und Leinen geworden. Und da der Verein ohnehin auf der Suche nach einem Ausflugsboot war, kam „Elli“ gerade recht.
„Elli ist das letzte Stahlschiff, das hier fährt“, sagt Volker Weinhard, 53, Kassenwart des Vereins. „Ich gehe davon aus, dass sie die älteste Barkasse ist, die noch in Betrieb ist. Es gibt zwar immer mal wieder alte Schiffe im Angebot, aber die sind meist Schrott. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, sie in ihrem Originalzustand zu erhalten.“
Ausreichend Skipper zu finden, ist für den Verein kein Problem
Dazu gehört auch, dass der Jastram-Dieselmotor aus dem Jahr 1954 erhalten bleibt – ohne elektrisches Vorglühen, sondern per Zündfix-Selbstzünder. Ohne Zylinderkopfdichtung, sondern mit Ölung alle zwei Stunden per Hand. „Das macht mehr Arbeit, dafür geht aber nichts kaputt“, erklärt der Ingenieur.
Ausreichend Skipper zu finden, ist für den Verein glücklicherweise kein Problem. Denn es reicht ein Sportbootführerschein, um sie zu fahren.
Manchmal allerdings steht auch ein echter Kapitän am Steuer: Hanns Feindt, genannt Hannes, 70 Jahre alt. Er ist 15 Jahre auf großer Fahrt gewesen und war 26 Jahre lang Elblotse. „Und jetzt suche ich die Mitte im Neuenkirchener Weiden-Dschungel“, sagt er und lacht. Denn die Weiden wachsen mittlerweile so weit in den Fluss hinein, dass „Elli“ an manchen Stellen gerade so eben hindurchpasst.
Ein Postbeamter in Pension berechnet die Abfahrtszeit
Aber auch andernorts ist der Törn auf der Lühe nicht so mühelos wie er scheint. Denn die Lühe ist von der Tide der Elbe abhängig, jeder Ausflug will genau geplant sein. Wann sie starten können und wann nicht, das entscheidet der „Herr der Gezeiten“: Peter Dankers, 74. Postbeamter in Pension, berechnet er aus Faktoren wie Pegelständen, Hoch- und Niedrigwasser sowie Wind auf die Viertelstunde genau die Abfahrtszeit.
Steht das Wasser zu niedrig, setzt „Elli“ auf, steht es zu hoch, passt sie unter Umständen nicht unter den Brücken hindurch. Der Tidenhub auf der Lühe beträgt immerhin 3,50 Meter. Damit sie an den Brückenbauwerken auf der sicheren Seite sind, haben die Vereinsmitglieder an jedem Pfeiler weiße Streifen auf das Mauerwerk gemalt: „Sind die Streifen zu sehen, passen wir durch“, erklärt der Kapitän. So einfach ist das.
Zwischen Mai und Anfang Oktober gibt es regelmäßig Touren
Als ehemaliger Transportweg ist die Lühe noch immer als Bundeswasserstraße gewidmet – das bedeutet, sie wird schiffbar erhalten. „Wir hoffen, dass es möglichst lange so bleibt“, sagt Anette Stranghöner, 62, Innenarchitektin und beim Verein die Schriftführerin. „Ansonsten müssten wir unsere Fahrten aufgeben.“
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Zwischen Mai und Anfang Oktober bricht die „Elli“ regelmäßig zu öffentlichen Touren auf, außerdem sind Charter für Gruppen möglich – alles gegen Spende. Etwa 20 Personen kann „Elli“ mitnehmen, und was die Gäste meist am liebsten mögen, weiß die Schriftführerin: „In die Gärten zu gucken. Das finden alle toll.“
Wenn es einmal mit der Tide oder dem Wind so gar nicht funktionieren will auf der Lühe, gibt es häufig noch eine Notlösung: Dann tuckert „Elli“ eben auf die Elbe, nach Blankenese oder zurück in ihr altes Zuhause, den Hafen.
Infos und Anmeldung:www.luehe-aue.de sowie auf Facebook und Instagram.