Neu Wulmstorf. Streit auf dem Rücken der Bewohner – Betreiber Korian stellt den Pflegebetrieb bis zum Jahresende ein. Den Mitarbeitern wurde gekündigt.

Was das Abendblatt bereits im April vermutet hat, ist nun eingetreten: Neu Wulmstorf wird sein letztes Pflegeheim verlieren. Sollte sich kein neuer Betreiber für das Haus an den Moorlanden finden, steht die drittgrößte Gemeinde im Landkreis Harburg ohne einen einzigen Pflegeplatz da.

Wie das Abendblatt am Freitag erfuhr, hat die Korian Deutschland GmbH als Betreiberin der letzten verbliebenen Pflegeeinrichtung in Neu Wulmstorf den Mitarbeitern bei einer Personalversammlung am Freitagmorgen verkündet, dass sie zum Ende des Jahres ihren Job bei Korian verlieren. Außerdem haben sowohl Korian als auch der Vermieter IMMAC Holding AG, ein in Hamburg ansässiger Immobilienfonds, ihr Mietverhältnis aufgekündigt.

Einstellung des Pflegebetriebs trifft Neu Wulmstorf mitten in der Pflegekrise

Offenbar konnten die Unstimmigkeiten zwischen beiden Parteien um die dringend notwendige Sanierung des Pflegeheims nicht beigelegt werden. Den verbliebenen 70 bis 80 Bewohnern und Bewohnerinnen des Hauses An den Moorlanden droht der Verlust ihrer Unterkunft. Im April hatte Korian gegenüber dem Abendblatt eine Einstellung des Pflegebetriebs noch ausgeschlossen.

Sie trifft Neu Wulmstorf mitten in der Pflegekrise. Falls der Vermieter keinen neuen Betreiber findet oder nicht mehr an eine Pflegeeinrichtung vermieten möchte, können die Bewohner und ihre Angehörigen nicht auf eine wohnortnahe Alternative hoffen. Das Seniorenheim an der B73 wurde schon vor Jahren geschlossen, das Pflegeheim „Haus am Marktplatz“ im Zentrum Neu Wulmstorfs wurde im Mai 2021 kurzfristig vom Betreiber dicht gemacht – das war ebenfalls der europaweit agierende Heimkonzern Korian.

Ehemalige Seniorenheime werden zur Flüchtlingsunterbringung genutzt

Auch damals wurde mit dem schlechten Zustand der Mietimmobilie argumentiert. Beide ehemaligen Seniorenheime wurden einer Umnutzung als Flüchtlingsunterbringung zugeführt.

Nach Abendblatt-Informationen ist geprüft worden, ob die Bewohner des Hauses an den Moorlanden übergangsweise wieder in die Räumlichkeiten am Marktplatzcenter einziehen könnten, was aber als nicht machbar eingestuft wurde. Der als Aufsichtsbehörde zuständige Landkreis Harburg war am Freitag nicht mehr für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die kritische Situation war dem Landkreis als Heimaufsicht, die die Unterbringung in Pflegeheimen zu prüfen hat, aber bekannt. Bereits im April hatte ein Landkreis-Sprecher dem Abendblatt dies auf Nachfrage bestätigt.

Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke zeigt sich betroffen

Neu Wulmstorfs Bürgermeister Tobias Handtke zeigte sich betroffen über die Nachricht, dass Korian zum zweiten Mal ein Pflegeheim in der Gemeinde aufgibt. Er will alle Parteien sowie den Heimbeirat am 17. Juli zu einem klärenden Gespräch ins Rathaus einladen. In der Gemeinde bestehen Zweifel darüber, ob sich Betreiber und Vermieter tatsächlich intensiv genug um eine Lösung ihres Konflikts bemüht haben. „Ich werde sehr deutlich machen, dass von Vermieterseite schnellstmöglich ein neuer Betreiber gefunden werden muss“, so Handtke. Es könne nicht sein, dass der Streit über die Sanierung des Hauses an den Moorlanden auf dem Rücken der Bewohner ausgetragen werde.

„Der Vermieter muss alles dafür tun, im Bestand zu sanieren“, fordert Handtke. Vermieter IMMAC Holding teilte mit, dass man bestrebt sei, gemeinsam mit der Gemeinde Neu Wulmstorf eine Lösung für die Immobilie zu finden.

Betreiber Korian begründet die Einstellung mit baulichen Mängeln

Betreiber Korian begründet die Einstellung des Pflegebetriebs zum Jahresende mit baulichen Mängeln. „Mit großem Bedauern gibt das Haus an den Moorlanden in Neu Wulmstorf bekannt, dass der Pflegebetrieb voraussichtlich nur noch bis Herbst 2023 angeboten werden kann“, heißt es in einer Stellungnahme, die der Konzern auf Abendblatt-Nachfrage veröffentlichte.

Sowohl Korian als auch der Eigentümer hätten den Mietvertrag außerordentlich gekündigt. „Die Immobilie geht am 31. Dezember an den Eigentümer zurück“, so eine Korian-Sprecherin.

Betreiber macht den Vermieter verantwortlich

In der Gemeinde ist bekannt, dass das seit vielen Jahren zu Korian Deutschland gehörende Pflegeheim an der Konrad-Adenauer-Straße seit längerer Zeit mit enormen Wasserschäden und weiteren baulichen Problemen kämpft, die nach Angaben des Betreibers erhebliche Auswirkungen auf den Pflegebetrieb haben. Auch konnte das Heim nicht mehr voll belegt werden. „Seit Anfang des Jahres hat sich die Situation weiter verschlechtert und beeinträchtigt die Wohnqualität der Bewohnerinnen und Bewohner ebenso massiv wie den Arbeitskomfort der Mitarbeitenden“, heißt es in der Stellungnahme von Korian.

Der Betreiber macht den Vermieter dafür verantwortlich: „Trotz intensiver Gespräche und Verhandlungen blieb der Eigentümer untätig und beseitigte weder die Schäden noch behob er deren Ursachen.“ Auch die Suche nach einer Ersatz-Immobilie für die Zeit der Sanierung, wie sie im April gegenüber dem Abendblatt noch angekündigt wurde, blieb offenbar erfolglos. Gesucht werden sollte in einem Umkreis von etwa 25 Kilometern. Ein ortsnahes Ausweichquartier habe aber weder vom Vermieter noch von der Gemeinde zur Verfügung gestellt werden können, beklagt sich Korian in der Pressemitteilung.

Zustände den Bewohnern sowie dem Mitarbeiterteam nicht mehr zumutbar

Nach gründlicher Abwägung sei man daher zu der Einschätzung gekommen, dass diese Zustände den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie dem Mitarbeiterteam nicht mehr länger zumutbar seien. Deshalb habe Korian den Mietvertrag außerordentlich gekündigt und stelle den Betrieb der Einrichtung bis zum Jahresende ein.

„Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Sabine Schröder, Geschäftsführerin Nord bei Korian. „Wir wissen, dass das Haus an den Moorlanden für unsere Bewohnerinnen und Bewohner zu einer Heimat geworden ist und dass dieser Schritt Ungewissheit und Sorgen hervorruft.“ Korian unterstütze die Bewohner sowie ihre Angehörigen dabei, alternative Pflegeplätze zu finden, so Schröder.

Auch für das Mitarbeiterteam des Hauses an den Moorlanden bedeutet die Entscheidung einen großen Einschnitt – und auch für sie findet die Korian-Geschäftsführerin ein paar warme Worte: „Wir danken unserem Team für die wertvolle Arbeit und den großen Einsatz - besonders unter diesen erschwerten Bedingungen“, so Schröder. „In den kommenden Wochen werden wir mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern individuelle Gespräche führen, um zu besprechen, welche Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung es für sie gibt“, kündigte die Geschäftsführerin an.