Neu Wulmstorf. Es gibt Hoffnung, dass für die Einrichtung am Marktplatz ein Neustart möglich ist. Politiker äußern Kritik an der Gesetzeslage.

Anfang Dezember letzten Jahres wurden Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter des Neu Wulmstorfer Pflegeheimes am Marktplatz von einem Schreiben des Betreibers völlig überrascht, wonach eine Schließung des Hauses zum 31. Mai 2021 erfolgen werde. Der Grund?

Ausbleibende Modernisierungsmaßnahmen durch den Eigentümer der Immobilie, teilte die Korian AG seinerzeit den entsetzten Betroffenen mit. In der Zwischenzeit gab es dann zwischen Eigentümergesellschaft und Korian weiter Gespräche, ob nicht ein anderer Betreiber das Haus fortführen könnte. Doch mit einem solchen einfachen Betriebsübergang wird es nun offensichtlich nichts.

Bewohner des Pflegeheims in Neu Wulmsdorf haben Vertragskündigungen erhalten

Wie die Korian AG bestätigte, ist allen etwa 50 Mitarbeitern jetzt gekündigt worden. Auch die mehr als 100 Bewohner hätten eine Vertragskündigung bekommen, einen „Nachbetreiber“ habe man indes nicht finden können, hieß es auf Anfrage des Abendblattes.

Aktuell sind nur noch zehn Senioren dort untergebracht, für die noch ein neuer Platz gefunden werden muss, wie Heimleiterin Heike Edinger sagt. „Ich habe vor 20 Jahren das Heim hier zum ersten Mal aufgeschlossen, jetzt werde ich es wohl auch zum letzten Mal abschließen.“ Alle Mitarbeiter hätten aber neue Jobs bekommen, zum Teil seien sie in ganzen Teams zu anderen Einrichtungen in der Region übergegangen. Und auch für viele Bewohner habe man in nahen Heimen wie in Buxtehude oder Harburg einen neuen Platz finden können. „Wir sind da von den Kollegen sehr unterstützt worden – dennoch bleibt natürlich viel Wehmut, wir wollten hier ja zusammen alt werden“, so Edinger.

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Wie es nun weitergeht mit dem Haus, ist noch offen: Tatsächlich sind in dem Gebäude beispielsweise noch viele Doppelzimmer untergebracht, was nach neuem niedersächsischen Heimrecht bald nicht mehr möglich ist. Die Kommunalpolitik hat aber inzwischen dort eine Veränderungssperre erlassen, so dass das Grundstück von dem Eigentümer, der Berliner Aroundtown Commercial Properties GmbH (ATCP), nur für ein Seniorenheim genutzt werden kann.

Und offensichtlich gibt es weiter Gespräche, das Haus zunächst einmal als Pflegeheim zu belassen – aber dann wohl vermutlich mit einem völlig neuen Betreiber – und ohne die bisherigen Bewohner und Mitarbeiter. „Wir sind weiter in Verhandlungen“, teilte ATCP auf Abendblatt-Anfrage dazu mit. Und solange die nicht final abgeschlossen seien, habe man bezüglich der Details Vertraulichkeit vereinbart.

Investorengruppe plant einen Seniorenpark bei der Lutherkirche

„Rechtlich war das in Ordnung, moralisch aber fraglich“, sagt CDU-Politiker Thomas Wilde.
„Rechtlich war das in Ordnung, moralisch aber fraglich“, sagt CDU-Politiker Thomas Wilde. © HA | seidel

Hinter den Kulissen hatten sich unterdessen besonders der SPD-Bau-Politiker Thomas Grambow sowie CDU-Bürgermeister-Kandidat Thomas Wilde für den Weiterbetrieb des Hauses eingesetzt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es sonst in der Gemeinde mit jetzt gut 22.000 Einwohnern bald nur noch ein solches Heim gibt, der statistische Bedarf aber bei mindestens zweien liegt. Zwar plant, wie berichtet, eine Investorengruppe einen Seniorenpark bei der Lutherkirche am südlichen Ortsausgang; bis zur Realisierung dürften aber einige Jahre noch ins Land ziehen. „Wenn wir für diese Übergangszeit das Haus am Marktplatz erhalten könnten, wäre schon viel geholfen“, sagt Grambow.

Kritik am bisherigen Betreiber kommt dabei von Thomas Wilde, der sich bei der Landesregierung nach der genauen Gesetzeslage erkundigt hatte. Ergebnis: Für die notwendigen Umbaumaßnahmen hätte es auch eine zehnjährige Übergangsfrist gegeben. „Mit etwas gutem Willen hätte man daher auch einen einfachen Betriebsübergang hinbekommen“, sagt Wilde. Eben ohne den Stress für Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter. Sein Fazit: Die Schließung sei eine rein betriebswirtschaftliche Entscheidung gewesen. „Rechtlich ist das in Ordnung, ob es das moralisch auch ist, muss jeder für sich entscheiden“, so Wilde. Ähnlich bewertet der Neu Wulmstorfer Joachim Reins die Entwicklung.

“Wir müssen uns für eine Änderung des Gesetztes stark machen“

Als betroffener Angehöriger musste er für seine 90-jährige Mutter einen neuen Platz suchen – und fand ihn in Buxtehude, nur deutlich teurer und kleiner als zuvor. Angesichts der Übergangsfristen hätte man alles auch „wesentlich humaner und sozialverträglicher“ planen können, sagt Reins, der auch die gesetzlichen Grundlagen für eine solche Kündigung eines Heimplatzes kritisiert. Betagte Betroffene seien in einer derartigen Situation weitgehend schutzlos. So müsse wie in diesem Fall ein Betreiber der Heimaufsicht nur anzeigen, dass er schließen wolle. Eine Genehmigung oder konkrete Prüfung der Gründe durch staatliche Stellen sei nicht vorgesehen. Am Ende müsse jeder Bewohner selbst gegen eine Kündigung seines Vertrages vorgehen, kritisiert er. Mit Eingaben an die Politik wolle er nun versuchen, auf diesen „rechtlichen Missstand“ hinzuweisen, so Reins.

Bei CDU-Politiker Wilde ist das zumindest schon gelungen. „Wir müssen uns jetzt für eine Änderung des Gesetzes stark machen“, sagt er.