Neu Wulmstorf. Für 104 Bewohner muss nun ein Platz oder ein neuer Heimbetreiber gefunden werden. Mitarbeiter und Politik sind empört.

Mitten in der Corona-Pandemie hat die Bewohner des Pflegeheimes „Haus am Marktplatz“ ein Schreiben des Betreibers aufgeschreckt. In dem rund 20 Jahre alten Gebäude im Neu Wulmstorfer Marktplatz-Center seien „umfangreiche Modernisierungsarbeiten“ notwendig, die sich aber im laufenden Betrieb nicht realisieren ließen, hieß es da zur Überraschung der Betroffenen. Man habe sich daher entschlossen, den stationären Bereich Ende Mai zu schließen.

Das angeschlossene Café soll bereits zum 31. März eingestellt werden. Lediglich das betreute Wohnen werde vom Verpächter der Immobilie ohne Serviceverträge weitergeführt, hieß es weiter in dem kurzen Brief, der vor wenigen Tagen an Bewohner und Angehörige abgeschickt worden war.

Heike Edinger leitet das
Heike Edinger leitet das "Haus am Marktplatz" seit der Eröffnung vor gut 20 Jahren © AT | Axel Tiedemann

Betroffen sind derzeit 104 Bewohner, sagt Heimleiterin Heike Edinger. Aber auch die etwa 80 Angestellten seien von der Ankündigung „völlig überrascht“ worden, so Edinger. „Die suchen jetzt selbst nach einem neuen Betreiber, so verbunden fühlen sich meine Mitarbeiter mit dem Haus. Sie würden gerne hier weitermachen.“ Doch sie selbst sehe kaum eine Chance für einen Wechsel: „Ich habe das Haus vor 20 Jahren als erste aufgeschlossen und werde es jetzt wohl auch abschließen müssen.“

Vor den Kopf gestoßen

Viele Angehörige und auch Mitglieder des Fördervereins fühlten sich nun „wie vor den Kopf gestoßen“, sagt auch Thomas Wilde, der CDU-Ortsverbandsvorsitzender in Neu Wulmstorf ist und über die Vorgehensweise des Betreibers „erstaunt, überrascht und durchaus auch wütend“ ist, wie er sagt. Dass der Mietvertrag demnächst auslaufe, sei sicher schon länger bekannt. Er vermute vielmehr, dass ausgerechnet in der jetzigen schwierigen Situation ein Konflikt zwischen Vermieter und Betreiber auf dem Rücken der Bewohner und Angestellten ausgetragen werde.

Tatsächlich sind die Neu Wulmstorfer hier wohl in eine Auseinandersetzung zwischen zwei großen Playern der beiden beteiligten Branchen geraten. Betreiber des Pflegeheimes ist die die europaweit agierende Korian AG, die derzeit eher mit Expansionen von sich reden macht. Zu dem Neu Wulmstorfer Haus ist Korian 2016 beispielsweise erst durch die Übernahme einer anderen Betreibergruppe gekommen.

Auch das Neu Wulmstorfer Marktplatz-Center samt Heim hat schon mehrere Eigentümerwechsel gesehen. Aktuell gehört es der Aroundtown SA, die einer der größten deutschen Vermieter von Gewerbeimmobilien ist. Beide Unternehmen haben nach Abendblatt-Information offensichtlich schon länger über eine Sanierung verhandelt, wobei es offenbar unterschiedliche Ansichten zu Notwendigkeiten und Umfängen gab.

Modernisierungsarbeiten notwendig

Tatsächlich aber dürften in dem Heim in naher Zukunft einige Investitionen anstehen. So verfügt es beispielsweise noch über eine Reihe von Zwei-Bett-Zimmern, die aber in Niedersachsen bald schon nicht mehr erlaubt sein könnten, wie es in der Pflegebranche heißt. Ein teurer Umbau könnte also notwendig werden, wie auch Heimleiterin Edinger vermutet.

In einem Statement zur Beendigung des Mietverhältnisses spricht die Korian AG auf Abendblatt-Anfrage auch davon, dass in dem Haus umfangreiche Modernisierungsarbeiten notwendig seien. Man wolle den Bewohnern ein „attraktives Wohnumfeld und den Mitarbeitern moderne Arbeitsbedingungen“ bieten. Nach gründlicher Abwägung habe man sich daher entschieden, den Mietvertrag nicht mehr zu verlängern. Die Entscheidung habe sich die Korian AG „nicht leicht gemacht“, weil sie gerade in der jetzigen Zeit Ungewissheit und große Sorgen hervorrufe.

„Wir führen jetzt aber mit allen Bewohnern und Mitarbeitern Gespräche, um individuelle Lösungen anbieten zu können“, sagt Unternehmenssprecherin Tanja Kurz, die dazu auf firmeneigene Heime in der Nähe verweist. Von der Immobilien-Gesellschaft l Aroundtown gab es auf Abendblatt-Anfrage bis gestern noch kein Statement zur Zukunft des Gebäudes. Es soll aber in den nächsten Tagen folgen, hieß es.

Heimaufsicht des Landkreises ist eingeschaltet

Vor Ort in Neu Wulmstorf wird unterdessen von Kommunalpolitik und Verwaltung versucht, eine drohende Schließung des Heimes abzuwenden. CDU-Politiker Wilde hat dazu den örtlichen CDU-Landtagsabgeordneten und niedersächsischen Wirtschaftsminister Bernd Althusmann um Unterstützung gebeten. Und Bürgermeister Wolf Rosenzweig hat unterdessen die Heimaufsicht des Landkreises um eine Überprüfung des Falles gebeten, wie er sagt.

Auch der Gemeinderat von Neu Wulmstorf wird sich am Donnerstag nächster Woche mit dem Fall beschäftigen, falls nicht eine Verschärfung der Corona-Beschränkungen dazwischenkommt. „Wir brauchen jetzt vor allem Zeit, um einen anderen Betreiber zu finden“, sagt SPD-Bau-Politiker Thomas Grambow, der dazu einen Antrag verfasst hat. Noch sei es für den Eigentümer von Marktplatz-Center und Pflegeheim baurechtlich möglich, dort auch eine andere Nutzung anzustreben. Beispielsweise ein Hotel oder Wohnungsbau. Solche möglichen Pläne soll der Rat nun mit dem SPD-Antrag auf eine Veränderungssperre durchkreuzen. Dann wird dort nur noch der Betrieb eines Pflegeheimes möglich sein.

Heimleiterin Heike Edinger hat sich unterdessen an andere Heimleitungen aus Nachbargemeinden zwischen Harburg, Buchholz und Buxtehude gewandt, damit die betroffenen Bewohner wenigsten in der Nähe von Neu Wulmstorf einen neuen Platz finden können. „Alle Kollegen haben sofort zugesagt, dass sie helfen wollen“, sagt sie.