Maschen. Jahrzehnte stand die Uhr in einem Keller, jetzt wurde sie restauriert. Warum dafür sogar der Pendelstab gekocht wurde.
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts erinnerte ihr Klang lange Zeit nicht nur Kinder an den Schulbeginn, sondern auch Arbeiter auf dem Feld an das Mittagessen und Pendler auf die Abfahrt des Zuges an der Bahnstation von Maschen: Die Turmuhr am damaligen Schulgebäude.
Nachdem sie über Jahrzehnte im Keller des heutigen Dorfhauses der Seevetaler Ortschaft vergessen wurde, wurde die prächtige Uhr von 1904 nun restauriert und in der Grundschule Maschen aufgebaut. Seit Kurzem tickt sie dort wieder kräftig und einwandfrei, jede halbe Stunde schlägt der Gong.
Historische Turmuhr von 1904 lag verrostet im Keller des Dorfhauses Maschen
Zu verdanken ist das vor allem der Initiative von Katrin Lembke-Schlaaf. Die Historikerin leitet den Ganztag in der Grundschule und war zusammen mit Schulleiter Rolf André per Zufall auf die verrostete Uhr gestoßen. Hinter alten Teppichrollen standen Uhrwerk, Zifferblatt und Pendel. „Das war wie ein Sechser im Lotto“, sagt sie über diesen Fund. „In Maschen wurde so viel neu gebaut, da ist die Rettung eines solchen alten Kulturguts viel wert.“
Mit der Unterstützung mehrerer Spender kümmerte sie sich darum, dass die Turmuhr wieder zum Einsatz kommen konnte. „Es ist eine Herausforderung, so etwas Altes wieder zum Laufen zu bringen“, sagt Dietmar Pauw, der die Uhr restauriert hat. Der gelernte Sendetechniker aus Winsen restauriert mit Leidenschaft alte Uhren, ein besonderes Faible hat er für Turmuhren. 123 hat er in den vergangenen drei Jahrzehnte bearbeitet, unter anderem ein Modell in der St. Michaeliskirche in Lüneburg.
Uhr-Experte bringt die historische Uhr wieder zum Laufen
„Mich fasziniert das Räderwerk“, sagt der 71-Jährige. „Man sieht richtig, wie die Zeit vergeht.“ Für die Arbeit konnte er sich Zeit lassen, das sei viel wert gewesen. Nach und nach und mit viel Geduld brachte er die Bauteile der Uhr auf Vordermann und die Mechanik wieder zum Funktionieren.
Eine besondere Herausforderung war der einen Meter lange Pendelstab, der durch die Lagerung im Keller ganz verbogen war. „Natürlich hätte man ihn ersetzen können, aber mein Ansatz ist, möglichst alles zu erhalten“, sagt Pauw. Um das Holz zu bearbeiten, legte er es in eine alte Backform und übergoss es über mehrere Stunden mit kochendem Wasser. Nach dieser Vorbehandlung ließ das Pendel sich im Schraubstock vorsichtig gerade biegen.
Das Zifferblatt der Uhr wurde ersetzt, die Spende kam aus Eppendorf
Das historische Zifferblatt war dagegen nicht mehr zu retten, als Ersatz erhielt Lembke-Schlaaf ein ganz ähnliches, ebenfalls ein mal einen Meter großes Zifferblatt als Spende aus der St. Johanniskirche in Eppendorf. Den Uhrschrank fand sie antiquarisch in Lübeck, eine befreundete Restauratorin arbeitete das marode Stück gründlich auf.
Jetzt steht die Turmuhr in der Pausenhalle der Grundschule, das glänzende Uhrwerk ist durch die Glasscheiben des Schranks gut zu erkennen. Viele Kinder seien durch die große Uhr zunächst irritiert gewesen, sagt André. „So etwas kennen sie gar nicht mehr.“ Abgesehen von dem Nebeneffekt, dass viele Kinder jetzt auch wieder lernen, wie eine analoge Uhr funktioniert, erleichtert die Turmuhr dem Schulleiter zufolge auch den Blick auf die Historie. „Sie schlägt einen Rundbogen von der Geschichte bis in die heutige Zeit.“
Turmuhr von Maschen hat eine bewegte Geschichte
Auf zwei großen Tafeln, die an der Wand der Halle angebracht, ist zum einen der Gang der Zeit und die Möglichkeiten ihrer Messung erklärt. Außerdem ist die bewegte Geschichte der Turmuhr und damit verbundene Ereignisse in Maschen dargestellt.
1904 wurde sie in der Turmuhrenfabrik Weule in Bockenem gefertigt. Die Firma aus dem Harz war um die Jahrhundertwende die größte ihrer Art, die weltweit Uhren aufbaute und verkaufte. Noch heute sind sie dem Uhr-Experten Pauw zufolge in vielen Ländern in Betrieb, darunter China und Argentinien. Auch in Norddeutschland stammten in dieser Zeit die meisten Turmuhren, auch die Uhr am Hamburger Rathaus, aus Bockenem. An den Firmennamen erinnert eine goldene Eule, die das Maschener Pendel ziert.
Das Geld für die Dorf-Uhr – 850 Mark – stammte aus Spenden
1905 sammelte die Schulgemeinde Maschen Spenden für die Anschaffung und kaufte die Uhr für 850 Mark. „Es war im öffentlichen Interesse, dass alle Leute pünktlich waren“, sagt Lembke-Schlaaff. Zwei Kilometer weit war das Schlagen der Glocke damals zu hören.
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Als die Dorfschule 1966 in das heutige Schulgebäude umzog, ging die Turmuhr zunächst in Privatbesitz über, bis sie schließlich von der Gemeinde übernommen wurde – und im Keller eingemottet wurde. In dieser Zeit erhielten immer mehr große Uhren einen elektrischen Antrieb. „Niemand hatte mehr Lust, die Uhren mit einer Kurbel aufzuziehen“, sagt Lembke-Schlaaff.
Mit einer Handkurbel wird die Turmuhr von Maschen jede Woche aufgezogen
Einmal in der Woche muss die Uhr aufgezogen werden. So lange dauert es, bis die Gewichte von der Decke langsam heruntergesunken sind. Mit einer Handkurbel sorgen Katrin Lembke-Schlaaff und die Grundschüler dafür, dass die Rädchen sich weiterdrehen und die Uhr weiterhin pünktlich die Zeit angibt.
Dies wäre wohl auch im Sinne des Lehrers Meine, der laut der Maschener Schulchronik von 1905 nach dem Einbau der Turmuhr auf dem obersten Boden des Schulhauses den Wunsch formulierte: „Möge Maschen viele, viele Jahre seine Freude an der Uhr haben. Möge sie den Bewohnern ein treuer Gefährte durch gute und böse Stunden sein.“